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(Gondevansgabe.)
Nr. 74 19. Oktöber 1929.
Amtliche Nachrichten
des
vz
Polizei-Präsidiums zu Berlin
(Als amtliches Manuskript gedru>t)
MERE TEE
es .»
Hevbot der Teilnahme am gegenwärtigen
Holksbegehretwr.
Der Herr Preußische Ministerpräsident Dr. Braun hat am 16. d. Mts. im Namen
der Preußischen Staatsregierung im Landtag folgende Erklärung abgegeben:
Zu den Erklärungen, die ich gestern in meinem Rundfunkvortrage über die Stellung
der Beamten zum Bolksbegehren abgegeben habe, habe ich trotz der vorangegangenen
Ausführungen sachlich nichts hinzuzufügen. Die Situation ist jo klar und einfach, daß man
sie mit wenigen Worten umreißen kann. Ein einseitiger Widerruf der Kriegsschuldlüge
durch Reichsgesetz ist praktisch wertlos. Cs ist ausgeschlossen, daß irgendein Beamter
auch nur im Ernst glauben kann, daß durch einen etwa geglückten Bolksentscheid und
den damit erfolgten erheuten Widerruf der Kriegsschuldiüge, gegen die die deutsche Regie-
rung schon Jo oft und feierlich vor der Welt protestiert hat, auch nur das Allergeringste
zur Erleichterung unserer politischen und finanziellen Lage erreicht werden könnte. Jeder
Beamte muß aber wissen, daß die Reichsregierung sich mit den Reparationsgläubigern
über den Aoung-Plan verständigt hat und bereit ist, ihn, den sie als das kleinere Uebel
gegenüber dem Dawes-Plan ansieht, nach Zustimmung der parlamentarischen Körper=
schaften abzuschließen. Damit führt sie die Linie der Außenpolitik sort, die allein geeignet
ist, durch Berständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern eine Erleichterung der Lage
des deutschen Volkes herbeizuführen, und die in den letzten Sahren Dr. Stresemann,
zeitweise mit Unterstüzung der Deutschnationalen, mit sichtbarem Crfolge konsequent
angebahnt hat. Mit Recht ist daher den Vertretern des Reiches für das im Haag Erreichte
der Dank und die Anerkennung des Herrn Reichspräsidenten aus-
gesprochen worden.
Das Bolksbegehren dagegen will die Minister, die den Young-Plan abschließen,
wegen Landesverrats ins Zuchthaus bringen. Cs stellt somit den denkbar schwer=-
sten und infamsten Angriff dar, der überhaupt gegen eine Regierung geführt
werden kann. Ein Beamter, der sich daran beteiligt, begeht unzweifelhaft einen
Berstoß gegen jJeine Beamtenpflichten. Koin Staat der Welt, der noch
auf Ansehen und Autorität Anspruch erhebi, kann jich Derartiges gefallen lassen. Aus
dieser Erkenntnis heraus habe ich in meinem Rundfunkvortrag ausgeführt, daß ich es
nicht verstehen würde, wenn ein Staatsbeamter das BVolksbegehren unterzeichnete und
sich damit den Vorwurf des Landesverrats sowie den Antrag auf Zuchthausbestrafung
der obersten Reichsbehörde zu eigen machte. Diesen Standpunkt nehmen erfreulicher»
weise auch die aroßen Beamtenverbände ein, was für den gesunden Sinn spricht, der in