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s J('r. 16. Waisenpflege.
es wurde» beurlaubt in eine Arbeitsstelle 67 Zöglinge,
den Urlaub überschritten 47 -
es fiitmirfjen . 103 -
zum Militär kam , 1 -
zusammen 837 Zöglinge.
Die Form der Beurlaubung, ohne daß eine widerrufliche Cnt-
lassung ausgesprochen wird, hat sich bei den älteren Zöglingen —
es wurden ungefähr 400 im Alter von 18—21 Jahren aufge
nommen — immer mehr als eine Notwendigkeit herausgestellt. Es
werden hierbei diejenigen berücksichtigt, die sich zufriedenstellend
geführt haben und nahe vor der Großjährigkeit stehen, dre mit
Sicherheit bei deren Eintritt ihre Stellung doch wieder verlassen
und sich nach der Großstadt wenden. Ihnen soll schon während
der Dauer der Fürsorgeerziehung eine feste Position in Berlin ge
schaffen werden, und zwar unter ständiger Aufsicht. Es wurden
130 Zöglinge in dieser Form in Arbeit gebracht. Diese Einrichtung
hat sich bewährt.
Daß hierbei auch Mißerfolge gelegentlich gu verzeichnen sind,
ist bei der Art dieser Zöglinge unausbleiblich.
Die Unterbringung auf den Schiffen der Handelsmarine als
Schiffsjunge, Matrose, Trimmer und Steward erfolgte in 65 Fällen.
Eine Anzahl sind tüchtige Seeleute geworden, und fast alle wurden
später bei der Kaiserlichen Marine eingestellt.
Bon den 111 der Anstaltspflege überiviesenen Zöglingen kamen
nach dem Erziehungshanse in Birkholz. . 50 Zöglinge,
nach dem Burschenheim in Rickling ... 22
nach dem Erziehungshause in Eammin. . 7 -
nach dem Rcttungshause in Königsberg N.-M. 12
nach dem Rettungshause in Templin . . 7
nach den Züllchower Anstalten .... 5
nach andern Privatanstalten . . . . . 8 -
zusammen 111 Zöglinge.
Ik. Die Erziehungsarbeit.
Obwohl jede Einrichtung und Tätigkeit im Erziehungshause
als Endzweck die erziehliche Beeinflussung der Zöglinge hat, so
dienen doch der Unterricht, die Seelsorge und die speziell auf die
GemütSpslege abzielenden Beschäftigungen unmittelbar und in hervor
ragendem Maße diesem Zwecke.
1. Der Unterricht
ist gewerblicher Fortbildungsunterricht, der von besonders dazu vor
gebildeten Lehrern in täglich zwei Stunden erteilt wird. Er um
faßt nebe» Berufskunde mit gewerblichem Rechnen, GesckMsaufsatz
und gewerblichem Zeichnen, Religion (Lebenskunde), Bürgerkundc
und Gesang. Außerdem wird in wöchentlich 2 Stunden ein spezieller
Fachunterricht von den geprüften Meistern der Anstalt erteilt. Er
umfaßt Werkzeug- und Warenkunde und das spezielle Fachzeichnen.
Die Zöglinge sind in vier Fachklassen vereinigt und zwar er
halten gemeinsamen Unterricht: die Holz- und Eisenarbeiter; die
Schneider, Schuhmacher, Tapezierer und Buchbinder; die Gärtner,
Landivirte, Schlächter und Bäcker; die ungelernten Arbeiter. Der
Unterricht wird das ganze Jahr hindurch erteilt. Eine Lehrmittel
sammlung für den Fachunterricht ist beschafft worden. Die Zög
linge folgen dem Unterrichte mit großem Interesse. Schwierigkeiten
liegen in dem starken Wechsel der Zöglinge.
Auch in diesem Berichtsjahre haben ivieder einige Tischler- und
Schneiderlehrlinge ihre Prüfungen praktisch und theoretisch mit „gut"
bestanden.
Auf die Fortbildung der Lehrkräfte, ist besonders Bedacht ge
nommen worden. Ein Lehrer hat an dem staatlichen Kursus für
Fortbildungsschullehrer an der Handelsschuje teilgenommen; ein
Gärtner besuchte ein halbes Jahr einen Kursus für Gartenbau,
nach dessen Beendigung er die Prüfung mit Auszeichnung bestand.
Zwei Hausväter nahmen an einem 8 tägigen Erziehcrkursus in
Berlin teil.
Im Anstaltsbetriebe selbst ist die ständige Weiterbildung der
Erziehungspersonen dadurch geförk^rt worden, daß der stellvertretende
Leiter der Anstalt regelmäßige Konferenzen hielt, in denen nächtige
Grundsätze und Erziehungsfragen eingehend besprochen wurden.
Die intensive individuelle Beeinflussung der Zöglinge in Fa-
milicngcmeinschaften wurde dadurch ermöglicht, daß vier „Haus
väter" als Leiter von Zöglingsfamilien neu eingestellt wurden. Diese
haben mit der handwerklichen Betätigung der Zöglinge nichts zu
tun, tragen aber die Verantwortung für ihr sittliches Verhalten und
haben sie deshalb stets unter ihrer Obhut, sobald die Arbeitszeit
beendet ist. Die Einrichtung scheint die erhofften Erfolge zu bringen,
wird aber erst zu voller Geltung gelangen, wenn die im Etatsjahre
1013 geplanten Umbauten beendet sein werden.
'2. Die religiöse Versorgung geschah in diesem Jahre
wieder durch Geistliche des betreffenden Bekenntnisses. Tie jüdischen
Zöglinge erhielten durch einen Lehrer Religionsunterricht.
Herr Pastor Crüsemann schied am 15. Februar 1918 aus
seiner Tätigkeit am Erziehungshause, weil er einem Rufe als Pre
diger au die Dorotheenstädtische Kirche folgte. Herr Pastor Lic.
Bittlinger - Berlin versieht vertretungsweise daS Amt des An-
staltSgeistlichen.
Das Zahlenverhältnis der Zöglinge nach ihrem religiösen Be
kenntnis geht aus der folgenden Uebersicht hervor:
Evan
gelisch
Katho
lisch
Jüdisch
Dissi-
dentisch
Summe
Bestand am 31. März 1012
157
16
4
177
Zugang im Berichtsjahre
732'
103
8
5
848
zusammen
889
119
12
5
1025
Abgang im Berichtsjahre
744
84
7
2
837
Bestand am 31. März 1913
145
35
5
'3
188
Die Pflege des geistigen Lebens durch persönliche Beeinflussung
wurde unterstützt durch die vorhandene Fach- und Unterhnltungs
büchcrei, die auch ausgiebig benutzt wurde. Dieses Bildungsmittel ist
deshalb so sehr wichtig, weil Berliner Zöglinge im allgemeinen
sehr leselustig sind, und stets zu schlechten Schriften, die sie sich
immer zu verschaffen wissen, greifen, wenn ihnen nicht - gute ge
nügend zur Verfügung stehen.
3. Um das meist so sehr vernachlässigte Gemüts leben der
Zöglinge zu pflegen, ist auch dem Gesänge viel Aufmerksamkeit
geschenkt worden. Die Pflege der Volkslieder steht dabei im Vorder
gründe, aber auch der gute Chorgesang kam zur Geltung. Der Auf
heiterung und Belebung dienten die Darbietungen einer von Faa)
leuten geleiteten Hauskapelle. Alle kirchlichen und patriotischen Feste
zeigten ein reiches Programm von musikalischen, deklamatorischen
und theatralischen Darbietungen.
Auch in diesem Berichtsjahre ist auf den Schmuck der Anstalts
räume durch Bilder und Blumen Wert gelegt worden, uni auch
dadurch einen veredelnden Einfluß auf die jungen Gemüter aus
zuüben.
4. Die berufliche Ausbildung der Zöglinge geschieht
in den Werkstätten der Anstalt, die sich im Verhältnis zum Vorjahre
nur insofern geändert haben, als die Tapezierern ihren Meister
verloren hat und die Gärtnerei intensiver betrieben wird. In sämt
lichen Werkstätten werden in erster Linie die Bedürfnisse des Hauses
befriedigt, daneben aber auch Bestellungen für andere ftcibtifdje An
stalten und für die Beamten des Erziehungshauses ausgeführt. Die
Annahme von Privatarbeiten hat sich als unbedingt notwendig er
wiesen, weil es nur auf diese Weise möglich ist, die im Interesse der Zög
linge nötige Abwechselung zu schaffen, dadurch die allseitige Aus
bildung der Zöglinge zu ermöglichen und ihre Arbeitslust zu wecken
und zu heben.
Die folgende Tabelle gibt eine Uebersicht über die Einnahmen
und Ausgaben der Werkstätten.
A r b e i t s st ä t t e
Einnahme
1912
Ausgabe
1912
M
Buchbinderwerkstatt
22 400
14 203
Tischlerwerkstatt .
2 217
1967
Korbmacherwcrkstatt
369
604
Tapeziererwerkstatt
197
179
Schuhmacherwerkstatt
107
88
Schneiderwerkstatt
247
89
Gärtnerei
3 231
1453
Städtisches Rieselfeld
2 329
—
zusammen
31097
18 583
C. Gesundheitspflege.
Die allgemeine ärztliche Behandlung der Zöglinge liegt in den
Händen des Anstaltsarztes Dr. Seelig, dessen Bericht lvciter unten
Auskunft über seine Tätigkeit gibt. Die zahnärztliche Behandlung
übte auch in diesem Jahre wieder allmonatlich Zahnarzt Lazarus
aus, während Professor Silex die Behandlung der Augcnerkran
kungcn oblag. Dem Zahnärzte wurden bei jedem Besuche 40 bis
50 Zöglinge vorgeführt. Es wurde eine große Zahl von Zähnen ge
zogen und 250 Füllungen gelegt. Der Augenarzt hat 21 Zöglinge
untersucht und ihnen Brillen und Medikamente verordnet, teiliveise
sie auch operiert.
I). Personelles.
Die Stelle des Anstaltsleiters wurde im ganzen Berichtsjahre
vertretungsweise durch den ersten Lehrer H e n t s ch c l verwaltet.