2
Nr. 11. Märkisches Museum.
wertvoll. Ein zweites Aquarell, eine Arbeit Heinrich H i n tz c s,
stellt exakt und zugleich stimmungsvoll ein Mauöverlager bei der
Stadt Tcltoiv. im Jahre 1837 dar. Derselben Zeit gehört das
in Oel gemalte Porträt der einstigen Primadonna unserer König-
lichen Oper, Frau Anna Milder-Hauptmann, mit ihrc-n
Labn an. Sein Schöpfer ist unbekannt, doch lassen Auffassung und
Technik unschwer die Berliner Schule erkennen, Ilnzwei;-lhast in
unserer Stadt entstand und zwar im Jahre 1844 ein vom Museum
im Berichtsjahr erworbenes Porträt des bekannten Politikers und
Staatsrechtslehrers Friedrich Stahl, ein Werk seines Bruders
Albert, der sich später der Geschichtsmalerei widmete. Drei Oel-
bilder Eduard Gärtners behandeln Motive aus Potsdam und
Lehnin. Aus dem Nachlaß desselben Künstlers erwarb das Museum
eine sehr beträchtliche Anzahl von Handzeichnungen: Skizzen und
Studien zu seinen bekannten Architekturbildern wie den Höfen des
Königlichen Schlosses in Berlin, dem Plast vor dem Zeughaus,
der Paroleausgabe vor der Hauptwache, der Parochialstraße, der
Klofterstraße u. a.; Aufnahmen bemerkenswerter Gebäude und
Straßenfluchten Berlins und anderer Städte: im ganzen ein un
schätzbarer Besitz, durch den es jetzt möglich wird, Art und Wesen
der lange verkannten straft Gärtners im einzelnen kennen zu
lernen
Von .bemerkenswerten Drucken, die hinzukamen, feien drei
Berliner Hochzeitsgedichte zur Vermählung des kurfürstlichen Leib
arztes Hildesheim im Jahre 1587 hervorgehoben. Das eine
von ihnen, ein richtiges Karmen, wie eS heute noch üblich ist,
besingt das Brautpaar in französischen Versen. Ferner das Pracht
werk der v. Deckerschen Druckerei in Berlin, in dein die Krönung
König Wilhelms I in Königsberg im Jahre 1861 beschrieben wird
und das- mit Illustrationen Ludwig Bürge r's geschmückt ist.
Von U r kund e n, die erworben wurden, sei eine im Jahre
1407 in Perleberg in niederdeutscher Sprache ausgestellte erwähnt.
In ihr geloben Stephan Kerselin und acht Brüder von Lüderitz der
Stadl für die Loslassung zweier dieser Brüder ewigen Frieden.
Beträchtlich vermehrt wurde die Saminlung von A n ta
ge a p h e n hervorragender Persönlichkeiten. Wir nennen als neu
hinzugekommen, Briese der Staatsmänner: Eberhard v. Dankel-
manii, Friedrich v. Gentz, Wilhelm v. .Humboldt; der Militärs:
Feldmarschall v. Grumbkoiv, Kleist v. Nollendorf; der Schrist-
st ekler: Albert Brachvogel, Adolf Glaßbrenner, Ernst Raupach,
Ludwig Rellstab, Julius v. Boß; der bildenden Künstler und
Musiker: Theodor Hosemann, Albert Lortzing und G. Mcyerbecr;
der Vertreter der Wissenschaft: des Chemikers F. W. Achard,
des Begründers der Rübenzuckerfabrikation, Theodor Mommsen,
Leopold v. Ranke, Friedrich Schleiermacher.
Bon sonstigen Erwerbungen seien als bemerkenswert angeführt:
eine stattliche Truhe von Mahagoniholz mit schmiedeeisernen Be
schlägen im Rokokostil aus Potsdam vom Jahre 1778 und eine
reichverzierte Tabaksdose aus Kupfer mit Emailmalerei von c. 1765.
Die Anfertigung derartiger Tosen >var von der Mitte des acht
zehnten Jahrhunderts au eine Spezialität des Berliner Kunstge
werbes. Daniel Chodowiecki begann mit Arbeiten aus diesem
Gebiet seine Tätigkeit in unserer Stadt, indem er die Bemalung
dieser Stücke besorgte, und Friedrich der Große pflegte solche Dosen
mit Geld gefüllt an verdiente Männer zu verschenken.
Ortsgeschichtlich bemerkenswerte Stücke fielen den, Museum durch
den Abriß des Jnfelspeichers an der Fischerbrücke zu. Im Grund
stein dieses 1825 errichteten Gebäudes, übrigens des ersten Aktien
unternehmens Berlins, wurden interessante Dokumente gefunden,
die »ns von der Tiefbauverwalturtg überwiesen wurden. Außer
Börsenreglements, Statuten für die Kaufmannschaft und andern das
Handelswesen betreffenden Bestimmungen, Preiskurants, den bei der
Grundsteinlegung gehaltenen Reden u. a. gehörte dazu ein Kurs
zettel der Berliner Börse vom 0. Juni 1725. Da die Börse
in unsrer Stadt erst 1693 errichtet wurde, ist er aus verhältnis-
mäßig früher Zeit und jedenfalls der älteste bisher bekannt gewordene.
Es sind denn auch aus ihm nicht mehr als zivölf Notierungen
verzeichnet.
Alle diese Erwerbungen werden an Bedeutung übertroffen von
dem wichtigsten Zuwachs, der für die Abteilung alter Drucke glückte:
dem Gewinn eines Excinplars des Marienpsalters von
Zinna. Dieses 1493—94 im genannten Kloster gedruckte Werk, ein
von dem Kaiserlichen Kapellan und Protonotar der Stadt Frank
furt a. d. O. Hermann Nitzschewitz in lateinischer Sprache
verfaßtes Erbauungsbuch, in dem die Lebensgeschichte Mariae und
und Christi erzählt wird, ist ein überaus wertvolles Zeugnis für die
Kulturgeschichte Norddeutschlands am Ende des fünfzehnten Jahr
hunderts. ES ist das am reichsten illustrierte Buch der Zeit und
enthält fünfhundert Holzschnitte, von denen 164 biblische Szenen
darstellen. Besonders wohlgeraten, von einem beinahe feierlichen
Eindruck ist das Titelblatt. Das Buch, das das einzige Werk der
Klosteroffizin blieb, ist eine typographische Seltenheit und auch kunst-
geschichtlich von großer Bedeutung. Der Preis dafür war sehr
hoch, so daß die bescheidenen Mittel des Museums die Erwerbung
dieses lang ersehnten Stückes nicht ermöglichten. Daß es dennoch
in seinen Besitz gelangte, verdanken wir dem Verein für d a S
M u s e u m, der die Hauplkosten übernahm und Herrn Stadtver
ordneten Kommerzienrat Georg L i e b e r m a n n, der einen erheb
lichen Beitrag dazu spendete.
Auch sonst erhielt das Museum wertvolle G e s ch e n k e. So
überwies Frau verwitwete Geheimer Oberrcgicrungsrat D c egen
eine Büste Blüchers aus Eisen. Sie ist nach einem Modell gefertigt,
das Christian Rauch im Jahre 1815 herstellte. Frau Professor
l)r. R o d e n b e r g überwies zwei Handzeichnungen von Franz
S k a r b i n a und Frau Luise Bcgas-Parmenticr. Herr
Professor Dr. RicharZ> M. Meyer lind Dr. Fra n z Ullstein
eine größere Anzahl Stiche und Lithographien, der Vorstand der
Chemischen Gesellschaft künstlerisch und lokalgeschichtlich bemerkens
werte Plaketten in Silber und Bronze.
Tie Erinnerung an die große Zeit vor hundert Jahren benutzte
das Museum, um durch eine Ausstellung zeitgeschichtlicher Do
kumente wie Plakate, Extrablätter, Schlachtenbilder, Porträts, Bücher,
Broschüren, Briese und Denkmünzen von dem Aufschwung jener
Tage eine Anschauung zu geben. In den Sälen 23 und 24, in
denen sonst die Drucke und graphischen Blätter ausgelegt sind,
tvnrden die Gegenstände im tvesentlichcn chronologisch geordnet zur
Schau gebracht. Die Ausstellung wurde am 20. Februar d. Js. d. h.
genau an dem Tage eröffnet, an deni hundert Jahre vorher die aus der
Verfolgung der fliehenden Franzosen begriffenen Kosaken in Berlin
erschienen, und dauerte noch einige Wochen über den Schluß des
Berichtsjahres hinaus. Ein kleiner Führer, der unentgeltlich ver
teilt wurde, erläuterte die Gegenstände im einzelnen. Die Aus
stellung fand beim Publikuni und in der Presse erfreulichen Anklang.
Viele Zeitungen brachten eingehende Berichte, in einigen erschienen
Abbildungen hervorragender Stücke. Ihr Besuch war sehr gut.
Sehr lebhaft war die Ausgrabungstätigkeit des Mu
seums. Sie erstreckte sich in erster Linie auf die schon im vorigen
Berichtsjahre in Angriff genommene Untersuchung der germanischen
Wohnstätte aus der früheren römischen Kaiserzeit bei Klein-
beere n. Bei dem großen Interesse, das die Beobachtungen und
Funde aus dieser Stätte in Anspruch nehmen, mußte dafür Sorge
getragen lverden, daß der Plast vor Zerstörung durch landwirt
schaftliche Ausnutzung gesichert wurde. Durch freundliches Entgegen
kommen der städtischen Deputation für Kanalisation und Rieselgüter
ist ein Abkommen getroffen worden, nach dem das Märkische Museum
alljährlich einen halben Morgen zur Untersuchung in Pacht nimmt.
Ein kurzer Bericht über „die altgerinanische Siedlung bei Klein-
beereu" ist vom Leiter der Ausgrabungen im „Großberliner Kalender
1913 (Seite 149 bis 155" veröffentlicht worden.
Eine recht erfreuliche Ergänzung erfuhren die Arbeiten bei
Klcinbeeren durch die Entdeckung einer zweiten altgermanischcn Wohn
stätte auf dem Richardplatze von Neukölln. Die Mittel
zu dieser Ausgrabung wurden von den städtischen Behörden Neu
köllns zur Verfügung gestellt, weshalb auch die Funde ini Bcsitze
dieser Gemeinde verbleiben. Die Stadt Berlin dagegen gewährte
im Interesse der Wissenschaft dem Prähistoriker des Märkischen
Museums den zur Leitung der Untersuchung nötigen Urlaub. Der
erste kürzere Bericht über die Arbeiten auf dem Richardplatze er
scheint im „Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthro
pologie" 1913.
Eine dritte germanische Siedlung konnte im Frühjahr 1913
bei Stüdnitz, Kreis Ostprignitz, untersucht werden. Die Wohn
stätte liegt aus einem „Horst" inmitten des weiten Wicsengeländes
zlvischcn Stüdnitz und Sophiendorf. Die Kulturreste dieses Fund
ortes stimmen mit denen von Kleinbeeren und voni Richardplaste in
Neukölln völlig überein, besonders in der Anwendung der soge
nannten „Rädchentechnik" zur Verzierung der Tongefäße. Die Er-
sorschnng der germanischen Wohnplätze aus den ersten Jahrhunderten
unserer Zeitrechnung wird uns nach und nach einen Blick tun
lassen in die Wohnweise der alten Germanen der taciteischen Zeit.
Als tvertvolles Ergebnis hat sich schon bis jetzt herausgestellt, daß
sich die Bauweise dieser westgermanischen Häuser aus der Kaiser
zeit von der Bauweise der 'bronzezeitlichen Häuser von Buch in
vieler Beziehung unterscheiden.
In unmittelbarstem Zusammenhange mit den Arbeiten bei Stüd
nitz stehen die Untersuchungen auf einem der wichtigsten und inter
essantesten Plätze, die das' Märkische Museum bis jetzt in Angriff
genommen hat. Am Abhange der Wiesenberge bei Brcd din,
Kreis Ostprignitz, liegen Gräberfelder und Ansiedlungen, die von
der mittleren' Bronzezeit (etwa 1400 v. Chr.) bis fast zum Beginn
unserer Zeitrechnung benutzt wurden. Die ununterbrochen durch
anderthalb Jahrtausende hindurchreichende Besiedlung gibt uns in
seltenem Maße die Möglichkeit, die Aufeinanderfolge der einzelnen
Typen zu beobachten und die chronologische Stellung bestimmter
Formen festzulegen. Bisher ist es möglich gewesen, ungefähr 160
Gräber aus der Bronze-, Hallstatt- und La-Tönezeit aufzudecken
und dem Museum aus dem Inhalt dieser Fundstellen ein reiches
und namentlich für die Wissenschaft recht bedeutendes Material zu