Nr. ü. Technische Mittelschule.
15
WerichL des Kuratoriums der SLäötifchen Technischen Mittelschule.
(Höheren Lehranstalt für Maschinenbau und Technologie.)
In der Zusammensetzung des Kuratoriums trat im Berichts
jahre eine Aenderung dadurch ein, daß an Stelle des ausgeschiedenen
Stadtrats, Geheimen Baurats Rumschöttel, Stadtrat Buchow
zum Mitgliede des Kuratoriums ernannt wurde.
Nachdem die Technische Mittelschule eröffnet und der Etat für
1910 aufgestellt worden war, erachtete das Kuratorium seinen Auf
trag, bei der Herstellung der Gebäude und der Einrichtung der An
stalt mitzuwirken, für erledigt und stellte dem Magistrat sein Man
dat zur Verfügung. Der Magistrat beschloß, das Kuratorium mit
Weiterführung seiner Geschäfte zu beauftragen, bis auch die innere
Einrichtung der Schule, Laboratorium usw. beendet sein werde.
Das Kuratorium hielt im laufenden Jahre 4 Sitzungen ab.
Es hatte sich alsbald herausgestellt, daß der Name, „Technische
Mittelschule" den Charakter und die Aufgaben der Schule dem
Fernstehenden doch nicht genügend verständlich mache, da in dem
Namen nicht zum Ausdruck kommt, daß es sich um eine Lehran
stalt handelt, die etwa den „höheren" Maschincnbauschulen gleich
steht. Auf den Vorschlag des Kuratoriums beschloß daher der Ma
gistrat, dem Namen „Technische Mittelschule" die Bezeichnung
^Höhere Lehranstalt für Maschinenbau und Technologie" hinzuzu
fügen.
Nach den/bisherigen Aufnahmebedingungen war es möglich,
daß Schüler mit Volksschulbildung die Vorbedingungen zur Auf
nahmeprüfung in einem Lebensalter von 16 Jahren erfüllt haben
konnten, während dieses Schülern mit Berechtigung zum einjährig-
freiwillige« Militärdienst im allgemeinen nicht vor dem 18. Lebens
jahre möglich ist. Um hierin einen Ausgleich zu schaffen, wurde
beschlossen, von Schülern ohne wissenschaftliche Befähigung zum ein
jährig-freiwilligen Militärdienst statt einer zweijährigen fortan eine
dreijährige technisch-praktische Tätigkeit zu fordern.
Im Interesse der Minderbemittelten wurde ferner beschlossen,
das Schulgeld nicht mehr halbjährlich, sondern vierteljährlich im
voraus zu erheben.
Das nach den Bestimmungen des Stifters der Jagorstiftung
der Stadtgemeinde zustehende Zehntel der Erträgnisse dieser Stif
tung soll nach dem Beschlusse der Stadtverordnetenversammlung
vom 10. Januar 1907 zu Stipendien an der Technischen Mittel
schule verwendet werden.
Aus diesen Mitteln konnten bereits im ersten Jahre des Be
stehens der Schule an vier Schüler Stipendien im Gesamtbeträge
von 930 <JK> bewilligt und damit allen an uns herangetretcnen An
trägen entsprochen werden.
Das Sommerschulhalbjahr 1910 begann am 7. April, das
Winterschulhalbjahr 1910/11 am 12. Oktober. Im Sommerhalb-
jahr bestanden 2 Klassen mit zusammen 43 Schüler», im Winter
halbjahr 3 Klassen mit zusammen 73 Schülern. Zu den Aufnahme
prüfungen im Frühjahr und Herbst hatten sich 51 Bewerber gemeldet,
von denen 37 die Prüfung bestanden. Alter, Vorbildung und Wohn
sitz der am Schlüsse des Winterhalbjahres 1910/11 vorhandenen
Schüler ist aus folgender Zusammenstellung zu ersehen.
Klasse
<3
r*0
O»
3
ID
Vor dem Eintritt in
die Anstalt haben
praktisch gearbeitet
Lebensalter
beim Eintritt
Ihre Schulbildung
haben sich
erworben auf
H c c
5i.g3.Se
: £-
5
asg/s
.2 ’gS
Es haben
ihren
Wohnsitz in
L.2
ä c w
■S'cs’g
§- s
©’S
.5 E
ff
W Ö
«|
ZA
^ o
(M
O >R £
^ 05» UD
vD
-ff
»Q
«M
"ff
S Q g
■^■'ff 's
ff
ff
"ff
85
Ci
i: 3
Ö
K
ff
»
Vorklasse . .
31
26
3
2
11
18
2
12
9
10
15
23
8
IV. Klasse. .
24
19
2
3
11
11
2
10
6
8
14
17
7
III. - . .
18
14
2
2
12
6
—
5
7
6
10
14
4
zusammen
73
59
7
7
34
35
4
27
22
24
39
54
19
Den Unterricht erteilten im Sommerhalbjahr 5 probeweise be
schäftigte Lehrer, int Winterhalbjahr 3 festangestellte und 6 probe
weise beschäftigte Lehrer.
Im Nebenamt waren tätig: 1 Bauingenieur,, 1 Arzt und 1 Turn
lehrer. 3 Lehrern der Anstalt wurden die Beihilfen zu Studien
reisen gewährt und zwar
a) zum Studium des Materialprüfungswcsens bei der Firma
Krupp-Essen und Thyssen-Mühlheim (Ruhr),
b) zuni Besuch von Firmen der Leder-, Gummi- und Kautschuk
industrie,
o) zum Besuch von Firmen für den Bau von Eis- und Kälte
maschinen, Kompressoren usw.
Am 14. November 1910 fand ein mit einer schlichten Ein
weihungsfeier verbundene Besichtigung der Technischen Mittelschule
statt, zu der Oberbürgermeister Dr. Kirschner und Bürgermeister
Dr. Rcicke sowie zahlreiche Stadträte, Stadtverordnete und In
dustrielle erschienen waren. Als Vertreter des Ministers für Handel
und Gewerbe nahm Ministerialdirektor Exzellenz N e u h a u s an
der Feier teil.
Die Technische Mittelschule wurde im Berichtsjahre von vielen
auswärtigen Schulmännern und Fachleuten sowie von hiesigen Ver
einen und Körperschaften besichtigt. Hervorgehoben sei die Besich
tigung durch den „Deutschen Ausschuß für Technisches Schulwesen",
an der die Vertreter nachfolgender Vereine teilnahmen: Verein
deutscher Ingenieure, Verein deutscher Maschinenbauanstalten, Ver
ein deutscher Eisenhüttenleutc, Verein deutscher Maschineningenieure,
Verband deutscher Elektrotechniker, Verband deutscher Architekten- und
Jngenieurvereine, Verband deutscher Diplomingenieure, Schissbau
technische Gesellschaft, Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes,
Deutscher Techniker-Verband, Deutscher Werkmeister-Verband, Bund der
technisch-industriellen Beamten,Deutscher Beton-Verein, Verein akademisch
gebildeter Lehrer, Deutscher Gewerbeschulverband und die Vertreter der
Staatsregierungen und Schulbehörden von Preußen, Bayern, Sachsen,
Mecklenburg, Hamburg und Bremen. An die Besichtigung schloß sich
eine Gesamtsitzung des Ausschusses, die ebenfalls in den Räumen der
Technischen Mittelschule stattfand.
Der Bücherei und der Lehrmittelsammlung der Anstalt wurden
wiederum von zahlreichen Firmen, Vereinen und Einzelpersonen wert
volle Geschenke überwiesen, für deren Zuwendung auch an dieser
Stelle verbindlichst gedankt sei.
Berlin, den 9. August 1911
Kuratorium der Technischen Mittelschule.
Dr. R e i ck e.
Druck von W. & S. Loewenthal, Berlin.