Verwaltungsbericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ltatsjahr 1909.
M 32.
Wericht über ö as Kaufmanns geeicht.
A. Allgemeiner Teil.
In der bisherigen Verteilung der eingehenden Klagen auf die
einzelnen Kammern waren bei der verhältnismäßigen Zeitkürze im
Bestehen des Kaufmannsgerichts und den damit verbundenen schwan
kenden statistischen Ergebnissen einige Ungleichheiten nicht zu vermeiden.
Infolgedessen war die eine oder die andere Kammer gegenüber den
übrigen stärker belastet, was schließlich in einer etwas späteren Er
ledigung der betreffenden Rechtsstreitigkeiten seinen Ausdruck fand.
Auf Grund der bisherigen mehrjährigen Registereintragungen hat
nunmehr eine Neueinteilung der Klagen (nach dem Anfangsbuchstaben
des Namens des Beklagten) stattgefunden, und vom 1. Januar 1910
ab sind hiernach der
Kammer I die Buchstaben A bis E,
- II - - E - J,
- III - - X - Al ohne Llu,
- IV » - lKu, X bis V ohne 8,
. V > - 8, "W bi§ Z
zugewiesen worden.
Die in den vorjährigen Berichten mitgeteilten Veröffentlichungen
von Erfahrungen, welche unsere Kaufmannsrichter in ihrer Tätigkeit
als solche gemacht haben, bedurften diesmal mit Rücksicht auf die ab
gedruckten Aufsätze und Entscheidungen im Jahrbuch des Kaufmanns
gerichts Berlin, von dem inzwischen der zweite Band im Verlage von
Franz Wahlen, Berlin W. 9, Linkstraße 16, erschienen ist. keiner
Fortsetzung.
Von allgemeinem Interesse, namentlich für die Bureautätigkeit,
dürfte die immer noch nicht hinreichend bekannte Tatsache sein, daß
eine Erstattung von Auslagen der mit Rechtshilfe befaßten ordentlichen
Gerichte durch die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte nicht stattzufinden
hat. Dies folgt aus der Allgemeinen Verfügung des preußischen
Justizministers vom 7. März 1907 (I. M. Bl. Seite 55), deren Be
stimmungen nach § 12 Ziffer 11 der preußischen Kassenordnung auf
das Verhältnis der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte zu den Amts
gerichten Anwendung findet. Diese Vorschriften erstrecken sich aber
nicht nur auf Preußen, da nach einer Vereinbarung sämtlicher Bundes
regierungen vom 24. Oktober 1904 Kosten der Rechtshilfe grundsätzlich
nicht erstattet werden, auch wenn Behörden verschiedener Bundesstaaten
in Betracht kommen. Allerdings bezieht sich diese Vereinbarung an
sich nur auf staatliche Gerichte; daß aber die Gewerbe- und Kauf
mannsgerichte hier zuzurechnen sind, ist anerkannten Rechts.
Personalnachrichten.
Änderungen in der Person der Kammervorsitzenden sowie in
der des Ersten Vorsitzenden und dessen Stellvertreters sind nicht
zu verzeichnen.
Von den Beisitzern schieden vor Ablauf ihrer Wahlzeit, teils
infolge Enthebung auf Grund des § 25 unseres Ortsstatuts, teils
infolge Entlassung wegen eines der im § 74 der Städieordnung vom
30. Mai 1853 angegebenen Entschuldigungsgründe, teils wegen Ab
lebens 6 Kaufleute und 9 Handlungsgehilfen aus ihrem Amte.
L. Besonderer Teil.
Nach dem Gesetz vom 6. Juli 1904 ist das Käufmannsgericht
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig zur
Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Dienst- oder Lehrverhältniffe
zwischen Kaufleuten einerseits und ihren Handlungsgehilfen oder
Handlungslehrlingen andrerseits, wenn die Streitigkeiten betreffen:
1. den Antritt, die Fortsetzung oder die Austösung des Dienst- oder
Lehrverhältniffes, sowie die Aushändigung oder den Inhalt des
Zeugnisses,
2 die Leistungen aus dem Dienst- oder Lehrverhältniffe,
3. die Rückgabe von Sicherheiten, Zeugniffen, Legitimationspapieren
oder anderen Gegenständen, welche aus Anlaß des Dienst- oder
Lehrverhältnisses übergeben worden sind,
4. die Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Zahlung einer Vertrags
strafe wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung der
Verpflichtungen, welche die unter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Gegen-
stände betreffen, sowie wegen gesetzwidriger oder unrichtiger Ein
tragungen in Zeugnisse, Krankenkaffenbücher oder Quittungskarten
der Invalidenversicherung.
5. die Berechnung und Anrechnung der von den Handlungsgehilfen
oder Handlungslehrlingen zu leistenden Krankenversicherungs-
beiträge und Eintrittsgelder (§§ 53a, 65 des Krankenversicherungs -
gesetzes),
6. die Ansprüche aus einer Vereinbarung, durch welche der Hand
lungsgehilfe oder Handlungslehrling für die Zeit nach Beendigung
des Dienst- oder Lehrverhältniffes in seiner gewerblichen Tätigkeit
beschränkt wird.
Das Kaufmannsgerichl ist in den vorbezeichneten Streitigkeiten
dann zuständig, wenn die streitige Verpflichtung in Berlin zu erfüllen
ist, oder wenn sich die Handelsniederlassung des Arbeitgebers oder
der Wohnsitz beider Parteien in Berlin befindet.
1. Kaufmännische Streitigkeiten.
Über derartige Streitigkeiten gingen in der Zeit vom 1. April 1909
bis 31. März 1910 an Klagen ein 5 425.
Hiervon sind vor Abhaltung des ersten Termins . . 342
erledigt, so daß 5 083
Klagen für die Rechtsprechung verblieben.
Hiervon sind erledigt:
A. a) durch Vergleich 1881
b) durch Verzicht im Sinne des § 306 der Zivilprozeß
ordnung 235
c) durch Klagerücknahme oder Ruhenlaffen 964
d) durch Abgabe an andere Gerichte 137
e) durch Anerkenntnisurteil 49
f) durch Versäumnisurteil 471
g) durck kontradiktorisches Urteil:
a) mit Beweisaufnahme 402
ß) ohne - 407
B. Davon durch die Kammern abgemacht 1 522 Klagen.
O. Es schweben noch 537
Sind, wie sollen fein 5 083
Klagen.