Nr. 19. Städtische Jrrenpslege.
Im Pflegepersonal ließ sich noch immer ein lebhafter
Wechsel bemerken, er entsprach dem des Vorjahres; erreichte aber
nicht die Zahl srüherer Jahre. Es verließen den Anstaltsdienst
84 Pfleger und 54 Pflegerinnen, von denen 49 bezw. 24 erst im
Berichtsjahre eingetreten waren. Die frei gewordenen Stellen
konnten immer wieder besetzt werden, zu einem nicht geringen Teil
init bereits vorgebildeten Leuten,
Von demMflegeperfonal befanden sich im städtischen Dienst:
Bis
zu
1 Jahr
125
Personen
Bis
zu
15
Jahren
2
Personen
-
■>
-
30
-
: -
16
-
2
-
-
3
15
-
-
-
17
-
I
-
-
4
19
-
-
-
18
-
3
-
-
!5
-
9
-
-
-
19
-
■>
-
-
6
7
-
-
-
20
-
1
-
1
7
1
-
-
-
21
-
1
-
8
-
3
*
-
22
-
2
-
9
-
1
-
23
--
1
-
--
10
-
4
-
-
-
25
-
2
-
-
-
11
-
2
-
-
--
27
-
1
-
--
-
12
-
5
-
-
-
28
-
1
-
-
-
13
-
1
-
-
-
30
-
3
-
-
-
14
3
-
-
34
-
1
-
Bei dem Dienstpersonal ivechselten 18 männliche und 20 weib
liche Personen ihre Stellung. Unter den Ausgeschiedenen befanden
sich 7 männliche und 15 weibliche, die erst im Lause des Jahres
eingetreten waren. Dem Pflegepersonal liegt außer dem eigentlichen
An'mltsdienste die sehr häufige (oft täglich mehrmalige! Abholung
der Kranken aus der Stadt und die Begleitung in ftemde, oft recht
entfernte Anstalten ob. Die Zahl der letzteren Transporte betrug 29.
. 'Bei der nachfolgenden statistischen Übersicht ist zu berück
sichtigen, daß sie, soweit dabei nichts anderes bemerkt ist, die Ge-
samtbewegung der Irren- und Jdiotenanstalt mit den Filialen
und einschließlich der Familienpflege der Irren- und Jdiotenanstalt
umfaßt. Es ist ferner vorauszuschicken, daß bei Zugang und Ab
gang Ueberweisungen von den und in die andern städtischen Irren-
anstalten in nicht unerheblicher Zahl in Anrechnung kommen. In
dieser Beziehung ist besonders zu erwähnen, daß die bisher zur
Anstalt Dalldorf gehörige Kommunalabteilung der Saison äs saute
(Schöneberg! an, Ende des Berichtsjahres der Anstalt Buch zu
gewiesen wurde und mit ihr 155 männliche und 125 weibliche
Kranke. Wie nun die Uebersicht, zeigt, ist der Zugang im Berichtsjahre
um 184 Personen (132 Männer, 52 Frauen) kleiner gewesen als
im Vorjahre, das selbst schon gegen das vorhergegangene zurückstand.
Dagegen ist der Abgang ein stärkerer als im Vorjahre gewesen,
nämlich um 640 Personen (446 Männer, 194 Frauen). Dem
entsprechend ist auch der Endbestand vom 31. März 1910 kleiner
als der des Vorjahres, und zwar um 553 Personen (398 männliche,
155 weibliche!, eine Zahl, die sich bei Berücksichtigung des oben
erwähnten Ueberganges einer Filiale zur Anstalt Buch aus 273 Personen
reduziert. Es ist feit vielen Jahren das erste Mal, daß eine Ab
nahme nicht nur des Zuganges, sondern auch des Endbestandes
festgestellt werden konnte. Eine genauere Analyse läßt erkennen,
daß im Endbestande die Senilen und Paralytischen stärker, die
Alkoholisten etwas abgenommen, die Geistesschwachen in geringem
Maße, die einfachen chronisch Geisteskranken wesentlich zugenommen
haben. Bei den erstgenannten Formen hat der Zugang sehr ab
genommen, während bei den Alkoholisten der Abgang eine starke
Steigerung zeigt (um 162 männliche, 12 weibliche).
Durch die Deputation für die städtische Jrrenpslege
ausgenommen wurden 36 männliche (im Vorjahre? 53) und 24
weibliche (30), im ganzen also 60 (88) Personen. In dieser Weise
aufgenommene Geisteskranke allein (ohne Idioten) wurden behandelt
155 mit 23 508 Verpflegungstagen in der Hauptanstalt und 14 197 Ver
vslegungstagen in Zweiganstalten: sie verbrauchten in der Haupt-
anstalt 5,« v. H.. in den Zweiganstalten 2,8 v. H., im Ganzen
3,6b v. H. aller Verpslegungslage. Im Durchschnitt befanden sich
von diesen Kranken täglich in der Hauptanstalt 64 — 5,6 v. H.,
in den Filialen 39 — 2,3 v. h., zusammen also 103 — 3,6 v. H.
der durchschnittlichen täglichen Krankenzahst ' j r '" y
Zur Beobachtung ihres Geisteszustandes wurden, zum größten
Teil von Gerichten und in Strafsachen 28 Männer und 1 Frau
überwiesen. Irgend welche Nachteile für die Anstalt oder finanzielle
Verluste.'sind dadurch nicht entstanden.
Die Ausnahme aus Untersuchungs- und Strafhaft entsprach
dem Vorjahre. Aus der Jrrenstation der Strafanstalt Moabit
kamen 23 Männer (14 im Vorjahre); darunter befanden sich
mehrere, die bereits frührer hier gewesen und der zuständigen
Provinzialansralt zugeführt, von dieser entweder entlassen oder als straf
vollzugsfähig nach Moabit zurückgesandt waren, aber nach kurzem
Aufenthalte dort wieder hierher überwiesen wurden. Noch immer
vergeht längere Zeit, als eigentlich notwendig wäre, bevor diese
störenden Elemente von den zuständigen Verbänden übernommen
werden. — Ebenso störend sind die jugendlichen Personen, die uns
aus der „Fürsorge" in verhältnismäßig nicht geringer Zahl zu
gingen: durch Geistesschwäche und verderbten Charälter, der weibliche
Teil auch durch hysterische Eigenart, geben sie zu vielen Unzukömmlich
keilen Anlaß.
Was die sanitären Verhältnisse der Anstalt Dalldorf an
belangt, so können sie auch in diesem Jahre nur als günstig be
zeichnet werden. Allerdings ereignete sich, daß in einem bestimmten
Saale der Frauensiechenabteilung gegen Ende des Berichtsjahres
bei einer Kranken ein Fall von Typhus vorkam, der nur durch
Infektion im Hause selbst zu erklären war. Da auch in längeren
Zwischenräumen von den in diesem Saale beschäftigten Pflegerinnen
drei an Typhus erkrankt waren und ebenso bei einigen Patienten
zweifelhafte fieberhafte Erkrankungen beobachtet worden waren, so
mußte die Vermutung entstehen, daß im Hause selbst eine Infektions
quelle vorbanden fei. Die daraufhin angestellten eingehenden Unter
suchungen und getroffenen Maßnahmen, deren genauere Schilderung
dem nächsten Berichte vorbehalten bleiben muß, hatten den Erfolg, daß
neue Erkrankungen nicht eingetreten sind. — Ebenso gelang es, im
Kinderhause und in der Jdiotenanstalt die Diphtheritis durch
prophylaktische Serumeinspritzungen, und andere geeignete Maßnahmen
zu bekämpfen. Daß diese und andere Infektionskrankheiten in der
Anstalt vereinzelt vorkominen, ist bei der starken Aufnahme aus der
Großstadt und bei dem sehr freien Verkehr leicht zu erklären. Daß
sie so wenig Verbreitung in der Anstalt finden, spricht dafür, daß
ihre hygienischen Einrichtungen nicht unzureichend sind. Auch tuber
kulöse Erkrankungen kamen in der Hauptanstalt;'in verhältnismäßig
geringer Zahl vor.
In der Anstalt Dalldorf starben bei einem täglichen Durchschnitts
bestände non 1153 Personen, von denen 15,6 v. H. wegen körper
licher Leiden oder Schwäche in zweiter Diätform beköstigt wurden,
172 Personen. In der Jdiotenanstalt kam bei täglich durchschnittlich
171 Kindern kein Todesfall vor. — In den Zweiganstalten schieden
bei einer täglichen Durchschnittszahl von 1 676 durch den Tod aus:
165 d. h. 7,» v. H. der Verpflegten (gegen 8,6 v. H. im Vorjahre). —
In der Familienpflege kamen 7 Todesfälle vor bei 513 Verpflegten
— 1,4 v. H. der Berpflegten. Die Todesursachen aller Verstorbenen
sind aus der statistischen Uebersicht zu ersehen,
Von Selbstmorden blieben sämtliche Anstalten in dem Berichts
jahre frei, obgleich Versuche dazu nicht gerade selten waren. Auch
von sonstigen größeren Unfällen ist nicht zu berichten. Verletzungen,
die sich einzelne Patienten zugezogen, waren von geringer Bedeutung.
Für Bcschästtigung und Unterhaltung der Kranken wurde
wie auch sonst möglichst ausgiebig gesorgt. Es konnten von den
bettlägerigen Patienten abgesehen, etwa drei Viertel' der Männer
und die Hälfte der Frauen in geeigneter und nützlicher Weise be
schäftigt werden.
Aus der am Ende des Berichtsjahres 8 507 Bände umfassenden
Bücherei waren täglich im Durchschnitt gegen 1 000 Bände ausgeliehen,
von den 733 Bänden Musikalien etwa 80, '
Besuche von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen hatten
in den dafür bestimmten Stunden die Kranken 46 837 mal, außerdem
noch in großer Zahl außer der Zeit. Irgend welche Störungen von Be-,
deutung wurden dadurch nicht veranlaßt. Die dadurch gegebene
Möglichkeit, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten, ist aller
dings nicht gerade selten gemißbraucht worden.
Einen Anhalt für die Beurteilung des geschäftlichen Verkehrs der
Anstalt mit Behörden und Privatpersonen gibt die folgende jUebersicht:
Es gingen ein:
27 832 gewöhnliche Schriftstücke,
282 eingeschriebene Schriftstücke,
1 344 Postkarten und
1 045 Pakete,
Abgesandt wurden:
41 536 gewöhnliche Schriftstücke,
242 Briefe mit Zustellungsurkunde,
18 Eil- und Einschreibebriefe,
134 Postanweisungen,
4 183 Postkarten,
299 Pakete,
58 Drucksachen und
20 Telegramme nach außerhalb,
Auf dem Telegraphenapparat der Anstalt ivurden (hauptsächlich
im Verkehr mit dem Polizeipräsidium in Berlin) 869 Depeschen an
genommen und 868 abgegeben. Daneben bestand ein recht reger
telephonischer Verkehr. —
Die finanzielle Uebersicht läßt in dieseni Jahre ein geringes
Fallen der Kosten in der Anstalt Dalldorf erkennen. Neben einer
kleinen Steigerung der Einnahmen sind die Ausgaben, trotzdem sie
bei den Verwaltungskosten durch Erhöhung der Gehälter und Löhne
nicht unwesentlich gestiegen sind, kleiner geworden und zwar haupt
sächlich bei Beköstigung und Heizung.