Nr. 16. Waisenpflege.
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III. AerMcher Gericht des Professors
vr. Firrkelstetn.
(die eingeklammerten Zahlen dieses Berichtes geben die entsprechenden
Ziffern des Vorjahres an.)
In das städtische Kinderasyl worden im Etatsjahre 1909
918 (2 387) Säuglinge aufgenommen, einschließlich derjenigen, welche
aus Kosten der Stadt, also nicht aus der Schmidt-Gallischstiftung
selbst, verpflegt wurden. Der Bestand am 1. April 1909 betrug 131
Säuglinge. Insgesamt fanden demnach im Jahre 1909/10 1049
(2 529) Säuglinge im Asyl Unterkunft. Nicht eingerechnet sind beim
Zu- und Abgang diejenigen Kinder, die beinr Uebergang in die Heimat
oder zu den Angehörigen nur wenige Stunden im Hause verweilten.
Bon diesen 1 049 Kindern schieden im Lause des Berichtsjahres
963 aus. 625 wurden in Außenpflege gegeben, 162 der Rummels
burger Säuglingsabtcilung überwiesen, 60 der Heimatsbehörde oder
den Eltern übergeben, 7 in ein Krankenhaus verlegt, 109 (181)
Kinder sind im Hause verstorben. 86 blieben somit am 1. April 1910
in AnstaltsPflege.
Bei der Aufnahme und während des Aufenthalts im Hause
wurden folgende wichtigere Erkrankungen festgestellt:
Akute Ernährungsstörungen 124
Decubitus
4
Infektiöse Darmerkrankungen
3
Plaques erosives ....
8
Chronische Ernährungs-
Krätze
8
störungen
146
Strofulus
4
Angeborener Verschluß des
Blutschwamm
5
Pförtners
—
Dermatitis exfoliativa , .
2
Gelbsucht
30
Impetigo
3
Bauchfellentzündung . . .
2
Kopfgeschwulst
4
Hasenscharte
i
Brustdrüsenentzündung . .
2
Wolfsrachen
i
Phimose
2
Mundentzündung ....
22
Eitrige Gelenkentzündung
3
Mundgeschwüre
6
Knochenbruch
2
Mandelentzündung....
3
Klumpfuß
i
Retropharyngealabszeß. . .
1
Osteomyelitis
2
Adenoide Wucherungen . .
2
Verbiegung der Wirbelsäule
i
Entzündung der Ohrspeichel-
Nabeleiterung
18
drüsen
i
Fleischnabel
5
Rachenkatarrh
10
Nabelsepsis
2
Starker Schnupfen....
22
Wundstarrkrampf der Neu-
Bronchialkatarrh ....
64
geborenen
i
Lungenentzündung....
24
Nabelbruch
13
Chronische Lungenentzündung
1
Wasserbruch
1
Asthma
6
Leistenbruch
10
Asphyxie
,2
Mittelohrentzündung . . .
12
Eitrige Brustfellentzündung
3
Einfacher Bindehautkatarrh .
20
Allgemeine Tuberkulose . .
4
Gonorrhoischer Bindehaut-
Hauttuberkulose
1
katarrh
4
Tuberkulöse Hirnhautentzün-
Hirnhauterkrankung . . .
6
düng
3
Schielen
2
Wasserkopf
4
Englische Krankheit . . .
60
Armlähmung
1
Neigung zu Krämpfen . .
58
Gesichtslähmung ....
1
Exsudative Diathese . . .
20
Halbseitenlähmung....
—
Barlow'sche Erkrankung . .
3
Krämpfe
28
Allgemeine Schwäche . . .
174
Spina bifida
—
Schwere Blutarmut . . .
4
Nierenentzündung ....
10
Frühgeburten
25
Blasenentzündung ....
26
Syphilis (angeborene) . .
19
Scheidenfluß
3
Keuchhusten
12
Ekzem
17
Windpocken
4
Wundsein
47
Sepsis
2
Pemphygus
9
Diphtherie
6
Zellgewebsentzündung. . .
6
Rose
1
Furunkulose
22
Stridor inspiratorius . . .
1
Drüsenabszesse
2
Wärmestanung
5
Panaritium
2
XI¥ Bericht über die Säuglingsfürsorgestellei
Größere Epidemien sind auch in diesem Jahre nicht zu ver
zeichnen. Es sind einige Erkrankungen an Diphtherie und Keuchhusten
vorgekommen. Einer weiteren Verbreitung der Erkrankungen konnte
aber vorgebeugt werden.
Ausnahmeziffer, Entlassungsziffer, Sterbeziffer und durchschnittliche
Belegzahl geht aus folgender Tabelle hervor:
Monat
Aus
genommen
Entlassen
inkl. der
Gestorbenen
Gestorben
Durchschnitt
liche tägliche
Belegzahl
April 1909 .
121 (
224)
134
(
205)
10
c
14)2
(122
1146)
Mai . . .
101 (
245)
98
(
255)
10
(
18)
120
(154)
Juni . . .
102 (
234)
99
c
234)
6
(
13)
112
(156)
Juli . . .
102 (
250)
108
(
256)
14
(
24)
113
(147,
August . .
108 (
226)
109
(
226)
7
(
29)
113
(154)
September .
98 (
202)
103
(
194,
8
(
25)
112
(145,
Oktober . .
68 (
197)
80
(
205)
13
(
9)
106
(150)
November .
58 (
186.
56
(
184)
5
(
15)
105
(14.»
Dezember
31 (
148)
46
(
157)
10
t
5)
103
(127)
Januar 1910
41 (
148)
35
(
147,
5
(
9)
99
(130,
Februar . .
58 (
165)
66
(
169,
14
(
7)
104
(129,
März). . .
30 (
162)
29
(
164>
7
(
13)
87
(132)
Summe
Durchschnitt
918 (2 387)
76 ( 206)
963 (2 396)
80 ( 199)
109 (181)
9 ( 15)
108 (144)
In die Ziffer der Entlassenen sind 162 einbezogen, die der Siug-
lingsabteilung in Rummelsburg überwiesen wurden.
Nach Abzug dieser Kinder und derjenigen 7, welche in ein
Krankenhaus verlegt wurden, die also für die Berechnung der Sterb
lichkeit im Kinderasyle nicht in Betracht kamen, beträgt die Zahl der
Verstorbenen 13,7 v. H. der Entlassenen (9,5 v. H.). Zieht man
von der Zahl der Verstorbenen diejenigen als unrettbar verloren ab,
welche innerhalb der ersten drei Tage nach der Aufnahme starben,
so beträgt die Zahl der Verstorbenen 11,5 v. H. der Entlassenen
(7,4 v. H.), Der Unterschied zum Waisenhaus erklärt sich dadurch,
daß auf Kosten der Staat'schen Stiftung meist schwerkranke Kinder
zum letzten Rettungsversuch ausgenommen werden, daß die Findel
kinder, die dem Asyl überwiesen werden, meist sehr elend sind und
endlich und hauptsächlich dadurch, daß die Zahl der Aufnahmen im
Waisenhaus im Verhältnis zu der Beltenzahl wegen des schnelleren
Wechsels viel größer ist, wie im Asyl.
Die Aufnahmeziffer ist im Jahre 1909 10 um mehr als das
Doppelte (2,sfache) gefallen, die Zahl der ausgegebenen Kinder ist
aber nickt entsprechend der verminderten Aufnahmezahl zurückgegangen.
Der Rückgang der Belegzahl und die wesentliche Verringerung der
Turchschnittsfrequenz, besonders seit Oktober 1909, ist darauf zurück
zuführen, daß durch die Belegung der neuen Säuglingsabteilung im
Waisenhause die Zahl der dem Kinderasyl überwiesenen Waisenkinder
eingeschränkt wurde. Die durchschnittliche tägliche Frequenz der An
stalt im Jahre 1909 10 ist gesunken: 108 Kinder gegenüber 144
des Vorjahres.
In sogenannte Rekonvaleszcntenpflcge wurden 414 Kinder ge
geben (gegen 564 im Vorjahre. Die Pflegcerfolge waren nach wie
vor recht gute. Zu gleicher Zeit befinden sich ca. 140—160 (270)
Kinder in Rekonvaleszentcnpflege, doch wird sich die Zahl entsprechend
der verringerten Ausnahme der Kinder noch weiter verringern.
Mit ihren Kindern wurden 36 Mütter als Ammen aufgenom
men. Am Beginn des Jahres waren 12 im Dienst der Anstalt, 38
schieden im Laufe des Jahres aus. Es verbleibt ani 1. April 1910 ein
Bestand von 10 Ammen.
Im Auftrage der leitenden Aerzte erstattet von Dr G. Tugendreich, Leiter der Säuglingsfürsorgestelle V.
Wiederholt ist in diesen Berichten darauf hingewiesen worden,
daß die Frequenz der Säuglingsfürsorgestellen abhängig sei von Höhe
und Dauer der dem Publikum gewährten Unterstützung. Der ärztliche
Rat ail sich wird nicht genügend hoch bewertet, um den Müttern ein
Aequivalent für den Zeitverlust und für die mancherlei Unbequem
lichkeiten zu bieten, die nun einmal mit dem Besuch der Fürsorgestelle
verbunden sind.
Die Wertschätzung der Benutzung der angebotenen Unterstützung
muß schwanken je nach dem Bedürftigkeitsgrad unserer Klientel. Die
selbe Stillprämie z. B. wird in Zeiten der Arbeitslosigkeit erheblich
höher von der Mutter bewertet werden, als in Zeiten, wo der
Vater mit seinem Lohn der Familie ein erträgliches Dasein schaffen
kann. Somit ist die Frequenz der Fürsorgestellen auch abhängig
von der Lage des Arbeitsmarktes und, wenn in dem Berichtsjahre die
Zahl der Neuaufnahmen gegen das Vorjahr zurückgegangen ist, so
wird sich dies zwanglos mit dem günstigen Umschwung erklären
lassen, der gerade zu Beginn des Berichtsjahres auf dem Arbeitsmarkt
einsetzte. Im Geschäftsberichte des Zentralvereins für Arbeitsnachweis
zu Berlin für das Jahr 1909 heißt es:
„Die Depression des Arbeitsmarktes aus dem vergangenen Jahr
hielt noch Weiler im ersten Vierteljahr voir 1909 (das ja noch zuin
Etatsjahr 1908 gehört) an und erreichte ihren Tiefstand im Februar,
in welchem Monat des strenge Frostwetter die Bautätigkcil vollständig
brach, legte bei gleichzeitigem Darniederliegen der Metall- und
Maschincnindustrie. Erst mit dem Einsetzen einer regeren Bautätigkeit
im Laufe des Monats April (also zu Beginn des Etatsjahres 1909)