Verwaltungsbericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ctatsjahr 1908.
" M 44.
Wericht 6cr Deputation 6er städtischen Kaswevke.
A. Allgemeiner Teil.
I. Gesamtbild der Verwaltung.
Die Zahl der Konsumenten, welche Gas durch gewöhnlichen
Gasmesser beziehen, ist im vorliegenden Berichtsjahr um 14 356, die
der Konsumenten, welche Münzgasmesser <Automaten) benutzt haben,
um 4 223 gestiegen, dagegen hat die gegen Bezahlung abgegebene
Gasmenge infolge der ungünstigen allgemeinen Wirtschaftslage nicht
die in den letzten 3 Jahren erzielte Zunahme von je 16 000 MO vdm
erreicht, sie betrug vielmehr nur 9 466 251 vdw, während der gesamte
Gasverbrauch um 15 010 000 vdm gestiegen ist gegen 18 597 000 vdm
im Vorjahre. Der Gesamtgasverbrauch hat 267 990 000 (im Vor
jahre 252 980000 vdw, die durch Mün;gasmefser abgegebene Gas
menge allein 17 574 323 (16169 598) obw betragen.
Neben der geringeren Zunahme des Gasverbrauchs haben sich
die erhöhten Preise für inländische Kohlen in Bezug auf die finanziellen
Ergebniffe bemerklich gemacht. Wir haben diesen Preisaufschlag zwar
durch den Bezug eines größeren Quantums der billigeren englischen
Kohlen auszugleichen versucht, trotzdem hatten die hohen Kohlcnpreise
und die geringere Zunahme des Gasverbrauchs die Wirkung, daß der
Reingewinn gegen das Vorjahr von 7641 109,8? JC auf 6 314 818,85 M,
also um 1 326 291,»2 M gefallen ist.
Produziert wurden aus 747998 t Kohlen 241642200 cbm
Steinkohlengas und aus 21 996,25 t Koks und 4 409,88 t Oel
26 393 800 vdm Wassergas. überhaupt also 268 036 000 cbm gegen
252 946 000 vdm im Vorjahre. Die Zunahme der Produktion beträgt
5,s v. H. (7,9 v. H.). Von dem produzierten Gase entfallen 127 (120)
und unter Hinzurechnung des von der Imperial Continental Gas
assoziation im Weichbilde der Stadt abgegebenen Gases 152 (144) vdm
auf den Kopf der Berliner Bevölkerung. Der größte Gasverbrauch
an einem Tage, und zwar 1 231 700 (im Vorjahre 1 175 700) vdm
hat am 23 Dezeinber stattgefunden.
Die öffentliche Beleuchtung hat pro Kopf der'Bevölkerung
8.« (7,2) vdm Gas erfordert.
Infolge der im Vorjahre herrschenden starken Nachfrage nach
Koks konnte der größte Teil der Produktion noch vor Eintritt des
allgemeinen Geschäftsniedergangs zu bedeutend höheren Preisen ver-
kauft werden, so daß trotz des gegen das Vorjahr geringeren Koks
absatzes eine höhere Einnahme erzielt worden ist.
Die ungünstige Konjunktur für Teer hat auch im Berichtsjahre
eine Besserung nicht erfahren, die Teerpreise sind vielmehr noch
weiter gefallen.
Durch den Verkauf der ganzen Jahresproduktion an schwefel
saurem Ammoniak haben wir einen von der schwankenden Markt
lage unabhängigen festen Preis erzielt, welcher günstiger war als der
im Vorjahre. Rohes und konzentriertes Ammoniakwasser
sowie Graphit haben dagegen etwas geringere Preise ergeben.
Hinsichtlich der Betriebs- und finanziellen Verhältnisse im einzelnen
wird auf den besonderen Teil B I und II und auf die Tabellen am
Schlüsse des Berichts verwiesen.
II. Wichtige Ereignisse.
Das Versorgungsgebiet der städtischen Gaswerke hat im Berichts
jahre wiederum eine Erweiterung erfahren; die Gemeinden Blankenfelde
und Buch werden auf die Dauer von 30 Jahren, die Gemeinden
Wartenberg, Falkenberg, Ahrensfelde, Zepernick. Schildow, Mühlenbeck,
Schönerlinde und Schönwalde auf die Dauer von 50 Jahren von
uns mit Gas versorgt werden.
III. Personalnachrichten.
In der Zusammensetzung der Deputation und Direktion sind
Aenderungen nicht eingetreten.
B. Besonderer Teil.
I. Betriebsverhältnisse.
Der Betrieb in unseren 5 Gaswerken ist ordnungsmäßig und
ohne Störung verlaufen.
Die Waffergasanlagen in den Anstalten II, IV, V und VI waren,
abgesehen von kurzen Unterbrechungen behufs Anfertigung von
Anschlußleitungen an neue Apparate, das ganze Jahr hindurch fort
dauernd im Betriebe.
Die im Mai 1907 für die Betriebsarbeiter der Steinkohlengas-
und Wassergasanstalten eingeführte achtstündige Arbeitszeit im Schicht
wechsel und die neunstündige Arbeitszeit für die übrigen Anstalts-
arbeiter hat sich bewährt. Letztere wurde Anfang Dezember 1908
auch auf die Arbeiter des Röhrensystems und der Privatbeleuchtung
ausgedehnt.
Die Beteiligung der Anstalten an der Herstellung des Gases war
der Leistungsfähigkeit jeder Anstalt entsprechend.
1. Vergasungsmaterial und Gasproduktion.
(Vergl. Tabelle 1.)
Zur Vergasung gelangten 747 998 (750506) t Kohlen, und zwar
39 (47) v. H. deutschen und 61 (53) v H. englischen Ursprungs.
Zirka 48 (39) v. H. aller gelieferten Kohlen wurden auf dem Wasser
wege bezogen. Englische Kohlen fanden mehr als sonst Verwendung,
weil sie sich ini Preise niedriger als die deutschen Kohlen stellten.
Der Minderbedarf an Gaskohien gegen das Vorjahr ist durch die
stärkere Heranziehung der Wasiergasanlagen veranlaßt worden, und
hat somit die wünschenswerte Einschränkung in der steigenden Ver
wendung von Gaskohlen begonnen.
Für die im Jahre 1908 erforderlichen, Ende 1907 gekauften
Kohlen mußten, der damaligen Marktlage entsprechend, wesentlich
höhere Preise angelegt werden, als wir sie für 1907 vereinbaren
konnten. Da auch Koks für den eigenen Bedarf an Unterfeuerung
und zur Wassergaserzcugung zu erheblich höherem Buchpreise zur
Berechnung gelangte, treten die Kosten des Vergasungsmaterials,
bezogen auf 1000 vdm Produktion, in Tabelle 15 höher als im
Vorjahre in die Erscheinung.
Die Kohlenzufuhr vollzog sich im Gegensatz zum Vorjahre unter
starker Neigung zur Ueberlieferung sowohl bei deutschen als auch bei
englischen Kohlen.
Am 31. März 1909 verblieb ein Kohlenvorrat von 192 817,28 r,
welcher sich auf die fünf Gaswerke entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit
verteilte. Die für 1909 etatsmäßig vorgesehene Verstärkung des
eisernen Bestandes auf das doppelte der bisherigen Höhe ist somit
eingetreten. Die städtischen Gaswerke sind jetzt durch diese Maßregel
gegen das Zusammentreffen widriger Umstände beiderKohlenversorgung,
wie sie im Vorjahre in bedenklicher Weise eingetreten waren, nach
Möglichkeit gesichert.
Die Qualität der Kohlen war im allgemeinen eine bessere als
im Jahre der Kohlennot 1907. Aus einer Tonne vergaster Kohle
wurden 323,i vdw gegen 316,8 vdw Gas im Vorjahr gewonnen.
Hergestellt wurden 241642 200 vdw Steinkohlengas und
26 393 800 edrn ölkarburiertes Waffergas, welches dem Steinkohlen
gase beigemischt wurde. Das in daS Stadtrohrnetz geleitete Gas