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Verwaltungsbericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ltatsjahr 1908.
M 23.
WericHL über die Verwaltung des Arbeitshauses und des ArVeitshaus-
hospitat's in Wummetsburg.
bedürftige in das Arbeitshaushospital. Wir legen zunächst dar, welche
Baulichkeiten für die einzelnen Kategorien der Insassen eingerichtet
sind und in welchem Verhältnis dieselben die Anstalt bevölkert haben.
Es ist bereits erwähnt worden, daß das Arbeitshaus und das Hospital
innerhalb des Anstaltsgrundstücks räumlich von einander getrennt sind.
Auf die Geschlechter erstreckt sich in jeder dieser Abteilungen die weitere,
streng durchgeführte räumliche Sonderung. Ferner sind auf den im
Süden und Norden von Berlin belegenen städtischen Rieselgütern
ständige Unterkunstsräume in inassiv erbauten und mit den erforder
lichen Koch- und Wirtschaftseinrichtungen ausgestatteten Baracken
hergestellt, in welchen seit 1882 männliche Korrigenden unter Aufsicht
von Arbeitshausaussehern, welche der unterzeichneten Verwaltung
unterstehen, mit landwirtschaftlichen Arbeiten dauernd beschäftigt werden.
Diese männlichen Korrigenden werden, indem nur die für den Arbeits
betrieb in der Hauptanstalt Rummelsburg notwendigen oder zur
Landarbeit gänzlich untauglichen Personen zurückgehalten werden, nach
Bedürfnis entweder kurz nach ihrer Einliefernng oder später in die
Häuslingsbaracken der Rieselgüter überführt, woselbst sie, wenn nicht
disziplinarische Gründe, Erkrankungen, Wahrnehmungen von Terminen,
Vernehmungen k. ihre Rückführung früher nötig machen, bis zu ihrer
Entlassung, welche stets von der Hauptanstalt aus erfolgt, stationiert
bleiben.
Ein Teil der Hospitaliien ist in dem infolge Ueberfüllung der
Hospitalstation in der Hauptanstalt von der Arbeiterkolonie angekauften
und in Reinickendorf, Berliner Straße 128, belegenen Filialhospital
untergebracht.
Die Hauptanstalt Ruinmeisburg ist in eine größere Anzahl
einzelner Gebäude aufgelöst, wodurch es möglich wurde, die verschiedenen
Abteilungen von einander zu isolieren. Die Gebäude ordnen sich
gege« die Mittelachse der Anstalt; ihre Lage gegen die Himmels
gegenden ist derart, daß sämtliche Gebäudefronleu zeitweise von der
Sonne beschienen werden. Sie sind in roten Verblendsteinen mittlerer
Qualität mit schwarzen Streifen ausgeführt, allein das Verwaltungs-
gebände hat feinere Verblendsteine und zum Teil farbige Terrakotten.
Die Gas- und Wasserversorgung geschieht aus den städtischen Anstalten.
Das Schmutzwasser wird durch Pulsometer nach dem höchsten Punkte
eines an der südöstlichen Grenze der Anstalt belegenen Rieselfeldes
gedrückt, woselbst es sich durch einen Hanptgraben und eine Anzahl
kleiner Gräben über die terrassenförmig angelegten Beete verteilt.
Für das engere Verwaltungsinteresse ergeben sich demnach folgende
6 auch räumlich von einander getrennte Unterabteilungen:
A. Arbeitshaus.
1. männliche Korrigenden in der Hauptanstalt Rummelsburg,
2. weibliche - daselbst,
3. männliche - auf den Rieselgüteru;
B. Arbeitshaushospital.
4. männliche Hospitaliien in der Hauptanstalt,
5. weibliche - daselbst.
6. männliche - im Filialhospital Reinickendorf.
1. Bevölkerungsverhältnisie.
Die Anstaltsbevölkerung ist seit dem Berichtsjahre 1907 ein wenig
gestiegen. Der Zugang macht sich aber nur bei den männlichen
Korrigenden bemerkbar. Während die Kopfstärke am 1. April 1907
1 527 Männer betrug, war dieselbe am 1. April 1909 1 628 Männer,
also 101 mehr.
Bei der Deputation für das Arbeitshaus und das städtische Obdach
sind im Laufe des Berichtsjahres keine Veränderungen eingetreten.
Die Deputation bestand demnach am Ende des Berichtsjahres ans
folgenden Mitgliedern: Stadtrat Fisch deck als Vorsitzenden, den
Stadträten Jacoby, Mielenz und Dr. Münsterberg, Magistrats -
assessor Dr. Prerauer, den Stadtverordneten Augustin, Dyhren-
furth, Eckard, Hosfmann, Rettig, Riemer, Dr. Ritter, Schulze,
Witkowski und Zacharias.
Allgemeines.
In der verfassungsmäßigen Bestimmung hat das Arbeitshaus
keine Aenderungen erfahren.
Es hat den Zweck, die von der Landespolizeibehörde beschlossene
Unterbringung in einem Arbeitshaus an denjenigen Personen zu voll
strecken, die innerhalb des Bezirks des Landarmenoerbandes der Stadt
Berlin wegen Uebertretung der §§ 861 Nr. 3—8 und 362 des Reichs
strafgesetzbuches festgenommen und gerichtlich verurteilt worden sind.
Ferner werden auf Grund des Gesetzes, betreffend Aenderungen
und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs vom 25. Juni 1900 auch
männliche Personen, die wegen Kuppelei mit Gefängnis bestraft worden
sind, von der Landespolizeibehörde dem Arbeitshaus überwiesen
(§ 181a des Reichsstrafgesetzbuchs).
Mit dem Arbeitshaus als Zwangsarbeits- und Besserungsanstalt
hat das auf demselben Grundstück eingerichtete Hospital, das auch
räumlich von dein Arbeitshause getrennt ist, nichts gemein, ebenso
nicht das infolge Ueberfüllung des Hospitals eingerichtete in Reinicken
dorf, Berliner Straße 128, belegene Grundstück. Es ist vielmehr eine
Altersversorgungs- und Siechenanstalt und steht in dieser Hinsicht den
andern städtischen Hospitälern und Siechenanstalten gleich. Es werden
demnach hier Personen aufgenommen, die Gegenstand der vorläufigen
oder endgültigen Fürsorge des Orts- und Landarmenverbandes der
Stadt Berlin geworden sind und zwar:
1. Auf Verfügung der Armendirektion
a) unheilbare, besonders an chronischen Krankheiten leidende Personen
oder hinfällige Leute, die nicht mehr imstande sind, sich selbst
zu ernähren, auch bei einer Gelduntcrstützung außerhalb einer
Anstalt nicht bestehen können, die sich aber wegen ihres Vor
lebens (Trunksucht, Sittenlosigkeit, Verbrechen re.) für die
Aufnahme in die städtischen Siechenanstalten und in das Friedrich
Wilhelmshospital nicht eignen,
b) Personen, welche zwar noch eine Geldunterstützung erhalten
könnten, bei welchen es aber mit Rücksicht auf das schlechte
Beispiel, das die Bedürftigen, durch Trunk, Liederlichkeit k.
geben, zweckmäßiger erscheint sie in eine geschlossene Anstalt auf-
zunehmen, oder wenn begründete Wahrscheinlichkeit besieht, daß
sie die ihnen zufließenden Unterstützungen durch Betteln zu er
gänzen bestrebt sein werden (tz 86 der Anweisung, betreffend
die Verwaltung der offenen Armenpflege der Stadt Berlin vom
1. April 1902).
2. Auf Verfügung der Deputation für das Arbeitshaus und das
städtische Obdach
o) arbeitsunfähige, altersschwache, sieche und unheilbare Personen,
deren Aufnahme in das Hospital nach Beendigung oder Auf
hebung ihrer Korrektionshaft von dem Anstaltsarzte empfohlen
wird.
Nach den vorstehend angeführten Bestimmungen gelangen also
die Jnsaffen der beiden Anstaltsabteilnngen zur Aufnahme entweder
durch zwangsweise Unterbringung in das Arbeitshaus oder als Hilfs-