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Nr. 31. Gewerbegericht.
oder vor dem Gewerbegericht zu klagen ist. Dabei handelt es sich
oft um Saisonware, bei der durch längeres Prozessieren unverhältnis
mäßig viel Herte zugrunde gehen. Es wäre ein Segen für die be
treffenden Branchen, wenn entweder alle Zwischcnmeister unter
schiedslos, oder gar kein Zwischenmeister vor dem Gewerbegericht
kämen. Die Sachlage ist dadurch, daß auch das Landgericht in seinen
Entscheidungen geschwankt hat, noch verwirrter geworden.
4. In der Kraftdroschkenbranche wird vielfach seitens der Arbeit
geber die Ansicht vertreten, daß die Kutscher, Chauffeure auch ohne
Vereinbarung des Kündigungsausschlusses jederzeit entlaffen werden
könnten, daß die Bestimmung des 8 122 R. G. O. der 14 tägigen
Kündigung usancemäßig außer Kraft getreten sei. Mehrfache
Anfragen anderer Gewerbegerichte haben dargetan, daß auch dort die
gleichen Einwendungen erhoben werden. Bei der Neuheit des
Instituts der Kraftdroschken dürfte von einer „Usance" kaum gesprochen
werden können. Es ist den Arbeitgebern deshalb wohl zu empfehlen,
falls sie in ihrem Betrieb Kündigungsausschluß haben wollen, dies
ausdrücklich zu vereinbaren.
ö. Trotz des Hiniveises in der Ladung erscheinen Vertreter der
Parteien oft ohne Vollmacht.
6. Aufgefallen ist, daß während des Verlaufes einer Aussperrung
oder eines Streiks Forderungen wegen Restlohnes oder wegen Über
stunden für eine Zeit geltend gemacht werden, die Monate, ja Jahre,
bis zur «Grenze der Verjährungsfrist zurückliegt.
7 Der Ungehorsam der Parteien gegen die gerichtliche Termins
ladung ist durch das hierdurch hervorgerufene Versäumnisverfahren
zu einer wahren Kalamität geworden. Gegen ungefähr 90 v. H. der
Versäumnisurteile wird Einspruch eingelegt und Sachen, die in
höchstens zwei Terniinen erledigt sein könnten, belasten hintereinander
3—4 Terminstage und mehr. Es ist gar keine Seltenheit, daß die
Parteien abwechselnd in den Terminen nicht erscheinen, und zwei Ver-
säumnisurteile gegen Beklagten und zwei gegen Kläger ergehen. Solchem
Verhalten der Parteien gegenüber wäre der Gewerberichter ohne die Be
stimmung des § 42 Gewerbegerichtsgesetzes, welche ihm die Befugnis
zulegt, jederzeit das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen und
für den Fall des Nichterscheinens eine Geldstrafe bis zu einhundert Mark
anzudrohen, machtlos, insonderheit, wenn es sich um Klagen handelt,
die in ckikanöser und frivoler Weise erhoben werden. Es konimt
z. B. nicht selten vor, daß auf Zahlung der Lohnvergütung für
die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist wegen angeblich kündigungs
loser und grundloser Entlassung geklagt wird. Im ersten Termin
stellt sich heraus, daß der Arbeitgeber zur sofortigen Entlassung be
rechtigt war, weil eine Unterschlagung oder weil unbefugtes Verlassen
der Arbeit usw. vorlag. Der Verklagte hat Zeugen zum ersten Termin
mitgebracht. Man hört die Zeugen informatorisch und, nachdem diese
die Behauptungen des Beklagten bestätigt haben, wird dem Kläger
zur Klagerücknahme geraten; er lehnt dies ab und verlangt die Ent
scheidung unter Zuziehung der vier Beisitzer. In dem hierauf ange
setzten Kammertcrmin (mit Beisitzern), in welchem die nunmehr ge
ladenen Zeugen, die doch entschädigt werden müssen, zu vernehmen
sind, erscheint der Kläger nicht. Es ergeht gegen ihn Versäumnisurteil,
gegen das er nun Einspruch einlegt; in dem neuen Termin erscheint
er wiederum nicht. Oder, wie es auch geschehen, er kommt und stellt
Anträge, die nicht abgelehnt werden können. In dem weiteren Termin
bleibt er dann weg, so daß dann noch nicht einmal das Rechtskraft-
ältest erteilt werden kann. In manchen Fällen ist dem Richter von
den Klägern erklärt worden, daß ihnen nur daran gelegen gewesen,
den Gegner zu zwingen, mehrere Male nach dem Gericht zu gehen.
Es ist ferner vorgekommen, daß eine Partei durch ein kurz vor der
Terminsstunde eingegangenes Schreiben mitteilt, daß sie gegen ein
eventuell gegen sie erlassenes Versäumnisurteil hiermit Einspruch einlegt.
Solchen Übelsländen, die Prozeßverschleppung, Mehrkosten,
Mehrarbeit zur Folge haben, kann nur dadurch einigermaßen begegnet
werden, daß auch für jedes Versäumnisurteil von der säumigen
Partei volle Kosten erhoben werden.
Personalnachrichten.
Von den acht ständigen Gewerberichtern schied mit dem 1. April
1906 infolge seiner Wahl zum Direktor der Zentralstelle des Deutschen
Städtetages Magistratsrat Dr. Schalhorn aus unserm Kollegium,
dem er seit dem 1. April 1898 angehört hatte. An seine Stelle trat
Magistratsassessor Dr. Preraucr.
Für den Magistratsassesfor Korn, der ebenfalls mit dem 1. April
>906 aus der Zahl der ständigen Gewerberichter ausschied, um das
Amt eines Vorsitzenden am hiesigen Kaufmannsgericht zu übernehmen,
trat Magistratsassessor Dr. Depöne ein, der vom 29. Januar 1906
ab bei diesem als Vorsitzender der IV. Kammer tätig gewesen war.
Von den Beisitzern schieden vor Ablauf ihrer Wahlzeit teils in
folge Enthebung auf Grund des 8 25 unseres Ortsstatuts (8 21 des
Gewerbegerichtsgesetzes), teils infolge Entlassung wegen eines der im
8 74 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 angegebenen Ent-
schuldigungsgründe, teils infolge Ablebens, 12 Arbeitgeber und 6
Arbeitnehmer aus ihrem Amte.
l» Besonderer Teil.
1. Gewerbliche Streitigkeiten.
In der Zeit vom 1. April 1906 bis 31. März 1907 gingen
Klagen ein 13 702.
Hiervon sind vor Abhaltung des ersten Termins . 450
erledigt, so daß 13 252
Klagen für die Rechtsprechung verblieben.
Hiervon sind erledigt:
A. a) durch Vergleich 5 762,
b) - Verzicht im Sinne des 8 306 der Zivilprozeß
ordnung 36.
c) durch Klagerücknahme oder Ruhenlassen .... 3 230,
4) Abgabe an das Jnnungsschiedsgericht, Kaufmanns
gericht 3 557,
e) durch Anerkennungsurteil 63,
f) - Versäumnisurteil 1689,
g) - kontradiktorisches Urteil:
«) mit Beweisaufnahme 732,
ß) ohne - . • 507,
r) nach Eidesleistung durch eine Partei . . 19 1258
L. Davon durch die Kammern abgemacht 3 869 Klagen.
0. Es schweben noch 657
Klagen, sind. wie sollen sein 13 252
Klagen.
Dieses Ergebnis, auf die einzelnen Kammern verteilt, gibt folgendes Bild:
Davon
Erledigung der
Sachen
durch
Am
Kammer
Zahl der
an die
Kam-
Ver-
Verzicht
im Sinne
des § 306
3- P- O.
Klage-
rücknahme
Abgabe
an da;
Innungs-
IchiedSgcrichi
und andere
Gerichte
Arier-
Ver-
andere Endurteile,
kontradiktorische Verhandlungen
Schlüsse
des
Berichts-
jahres
unerledigt
geblieben
Prozeffe
mer
abge
geben
gleich
bezw.
Ruhen
lassen
kennt-
nis
säumnis-
urteile
«•<##
mit
Beweis-
ausnahme
ohne
Beweis
aufnahme
nach Eides
leistung
durch eine
Partei
1. Schneiderei und Näherei . .'
2 515
641
1 100
482
12<i
21
545
84
78
2
127
2. Textil-, Leder-, Putzindustrie .
741
249
364
—
146
10
1
88
43
54
1
34
3. Baugewerbe
1 840
671
. 665
15
504
72
6
336
132
87
1
72
4. Holz- und Schnitzstoffe . . .
766
291
825
■
134
54
2
102
5l>
34
1
58
5. Metalle
1 768
523
741
i
559
64
11
128
159
70
3
26
6. Nahrung, Beherbergung und
Erquickung
2 580
456
1 040
14
783
160
17
231
75
57
3
200
7. Handel und Verkehrsqewerbe.
1 878
646
931
—
.893
60
5
142
108
103
3
128
8. Allgemein
1 169
392
596
—
279
11
—
117
75
74
6
12
Summe
13 252
3 869
5 762
36
3 230
557
68
1 689
732
507
19
657
Von den im vorigen Jahre verbliebenen Resten mit 748 Prozessen sind nach Abzug der 9 vor Abhaltung des ersten Termins erledigten
für die Rechtsprechung noch 734 verblieben.