Verwaltungsbericht
des
Magistrats 3U Berlin
für
das Ltatsjahr 1906.
MW
WerichL 6er Deputation fürZStatistik.
Am 22. Juni 1906 starb nach langem schweren Leiden der Direktor
des Amtes. Professor Dr. Ernst Hirschberg. Seit 1884 im Berliner
Amte tätig, zuerst als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, von 1890 an
als Direktorialassistent, seit 1903 als Direktor, hatte er fast an allen
wichtigen Arbeiten der Sozial-, Wirtschafts- und Verwaltungsstatistik
hervorragenden Anteil. Wichtige Zweige dieses Gebietes sind un
mittelbar durch ihn selbst oder auf seine Anregung teils erst in die
Berliner Statistik eingeführt, teils weiter ausgebildet worden. Auch
die von seinem verdienstvollen Vorgänger begründete wissenschaftliche
Bevölkerungsstatistik führte er in dem Bevölkerungsabschnitte des
Jahrbuchs nach dessen Methode fort. Sein Verdienst ist auch die
Schaffung neuer Unterlagen für eine Bevölkerungs- und Wohnstatistik
Groß-Berlins, indem es seinen Bemühungen gelang, die Berliner Vor
orte für ein gemeinsames Vorgehen mit Berlin bei der Volkszählung
zu gewinnen.
Auch das Personal des Amtes hat durch seinen Tod einen schweren
Verlust erlitten. Insbesondere haben die wissenschaftlichen Beamten,
die Kalkulatoren und Hilfsarbeiterinnen seiner Fürsorge eine wesentliche
Verbesserung ihrer Stellung zu verdanken.
Nnen weiteren Verlust hat das Amt durch das Hinscheiden des
wissenschaftlichen Assistenten, Dr. med. Georg Heimann, zu be
klagen, der sich besonders um die Berliner Medizinalstatistik verdient
gemacht hat.
Zum Nachfolger von Profeffor Hirschberg wurde Professor
Dr. Heinrich Silbergleit, Direktor des Statistischen Amtes der
Stadt Schöneberg, gewählt. Von 1887 bis 1890 hatte er als wissen
schaftlicher Mitarbeiter dem Berliner Amte angehört, von 1890 bis 1903
leitete er das Statistische Amt von Magdeburg, von 1903 bis 1906
dasjenige von Schöneberg. Am 1. Oktober 1906 trat er seine neue
Stellung an.
Die Vertretung des Direktors während der Krankheit des Profesiors
Hirschberg und bis zur Wiederbesetzung lag Dr. Meinerich ob.
der sich dieser Aufgabe in anzuerkennender Weise erledigte
Die Veröffentlichungen des Amtes haben seitdem mannigfache
Veränderungen erfahren. Die wöchentlichen Veröffentlichungen (seit
dem 1. Januar 1907 „Wochenberichte") sind übersichtlicher gestaltet
worden; die monatlichen Veröffentlichungen (seit Januar 1907 „Monats
berichte") sind vom Septemberheft 1906 an zur größeren Veranschau
lichung der mitgeteilten Zahlen mit einem Stadtplan ausgestattet, auf
dem die Standesamtsbezirkc unterschieden sind; außerdem wird regel
mäßig monatlich ein erläuternder Text hinzugefügt. Die Jahres-
Veröffentlichung, deren Hauptinhalt die Bevölkerungsbewegung bildet,
enthielt auch eine Uebersicht über die Zahl der leerstehenden Wohnungen,
Neubauten und Abbrüche. Die jährliche Veröffentlichung über die
Arbeiter-Krankenversicherung und monatlichen Berichte über die Lebens-
mittelpreise sind zunächst unverändert geblieben.
An Umfang zugenommen (von 98 auf 149 Seilen) haben die
Erläuterungen zum Statistischen Jahrbuche der Stadt Berlin; von
den einzelnen Abschnitten sind namentlich diejenigen über die Be
völkerung, das Gewerbewesen, Preise, Verkehr, die Armen- und
Waisenpflege und Wohltätigkeit erweitert worden. In seinem Tabellen-
teile ist das Jahrbuch um die nach der korrekten Böckh'schen Methode
berechneten Reduktionstabellen der Sterblichkeit der Berliner Bevölke
rung nach Alter, Geschlecht und Todesursachen bereichert worden.
Zum ersten Male ist in dem Berichtsjahre eine individuelle
Waisenstatistik ausgeführt worden. Das nach den verschiedensten Ge
sichtspunkten gegliederte Material ist in den Jahrbuchtabellen Seite 250ff.
zusammengestellt und in den Erläuterungen Seite 92 ff. ausführlicher
besprochen worden.
Ein neues Organ wurde nach dem Eintritt des Direktors Silber
gleit in den „Mitteilungen des Statistischen Amtes der Stadt Berlin"
geschaffen, deren erstes Heft eine wissenschaftliche Bearbeitung der
Uebertretungen enthält. Die im Jahre 1903 gegründete Berliner
Statistik, von der bis jetzt vier Hefte erschienen sind, soll daneben be
stehen bleiben.
Die im Januar 1906 begonnenen Prüfungsarbeiten der Volks
zählungsmaterialien, bei der im Durchschnitt 216 Personen beschäftigt
waren, konnten wegen des großen Umfanges des Zählungsstoffes und
der zahlreichen Nachfragen erst im Juli 1906 beendet werden. Die
Zahl der Nachfragen betrug im ganzen 375 545, darunter 336033
auf Postkarten und 39 512, die durch persönliche Erkundigung erledigt
wurden.
An die Prüfung der Zählpapiere schlossen sich sodann die Aus
zählungen, deren Anordnung, wie schon früher deswegen große
Schwierigkeiten bot, weil nicht nur dem statistischen Bedürfniffe der
Stadt Berlin, sondern auch den Anforderungen des Staates genügt
werden mußte, und zwar in für die Ablieferung der staatlichen
Tabellen verhältnismäßig nur kurz bemessenen Fristen.
An Bevölkcrungstabellen wurden im Berichtsjahre beendet: die
Bevölkerung nach Konfession und Muttersprache, die Reichsausländer
nach Religion, Staatsangehörigkeit, sozialer Stellung, die Fremd
sprachigen nach Muttersprache, Beruf und Stellung, die Bevölkerung
nach Alter und Zivilsland, die Kinder im 1. Lebensjahre nach der
Ernährung. Nach den 200 Arbeitsbezirken ausgezählt, aber noch nicht
für die ganze Stadt zusammengestellt, waren die Tabellen über die
Zuzugszeit.
Von der Grundstücksstatistik wurden hergestellt die Tabellen über
die Grundstücke nach der Zahl der Gebäude und ihrer Stockwerkzahl,
nach dem Berufe, dem Wohnsitz und der Besitzzeit des Eigentümers,
der Zahl der bewohnten und leerstehenden Wohnungen, der Geschäfts
räume und Amtslokale, der Zahl der Einwohner und endlich die
Tabellen über die Grundstücke nach ihren besonderen Einrichtungen.
Von der Wohn- und Haushaltungsstatistik wurden vollendet die
Tabellen über die Haushaltungen nach Wohnraum und Haushaltungs
klaffen und die Tabelle über die Anstalten. Die Tabelle über die
Haushaltungen nach den 32 Klaffen und der Bewohnerzahl kombiniert
mit der Zahl der Zimmer und der Küchen war für die einzelnen
Arbeitsbezirke fertig, aber noch nicht für die ganze Stadt zusammen
gestellt.
Für die am 1. Dezember 1906 durch den Bundesrat angeordnete
Viehzählung (kleineren Umfangs) hatte das Amt wiederum die Er
hebung selbst und die Prüfung des Materials zu übernehmen; mit
der Zählung wurden, wie bisher, die städtischen Steuererheber gegen
eine kleine Vergütung beauftragt.
An der vom Kaiserlichen Statistischen Amte unternommenm Er
hebung über Haushaltungsrechnungen hat sich auch unser Amt be-
teiligt, indem es an eine Anzahl von Vereinen und an Privatpersonen
Bücher zur Ausfüllung sandte und die eingegangenen einer genauen
Prüfung unterzog.
Für das Statistische Jahrbuch deuffcher Städte lieferte das Amt,
wie im Vorjahre, den Abschnitt über den Stand der Bevölkerung,
außerdem den über das Unterrichtswesen, wovon ein erheblicher Teil
vom Direktor noch in seiner früheren Amtsstellung bearbeitet war.
Die Bibliothek des Amtes bestand am 31. März 1906 aus
25 357 Bänden.
Berlin, den 5. September 1907.
Deputation für Statistik.
Weigert.
Druck von W. & S. Loewcnthal, Berti».