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Nr. 15. Stiftungsdeputatioii.
gemeinde keinen Anspruch, wohl aber auf die Hälfte des Erlöses für die
Parzelle. Das Vermächlnis ist insoweit rechtsgültig, als Frau
Richter über die vermachten Gegenstände zu verfügen befugt war.
Dies war unzweifelhaft bei der ihr gehörig gewesenen Parzelle der
Fall. Wird — vorbehaltlich genauerer Abschätzung — der vertrags
mäßige Verkaufspreis der Parzelle von 10000 Jt zugrunde gelegt,
so besteht das Vermächtnis in Höhe der Hälfte diese Summe, das
sind 5 000 Jt.
Nach unserer Auffassung steht aber der Stadtgemeinde — was
allerdings nicht unzweifelhaft ist — auch ein Anspruch auf die Hälfte
des Kaufpreises von 4 000 Jt für die Mobilien zu, soweit sie in dem
Villengrundstück vorhanden waren und nicht etwa von Fräulein
Werner dorthin eingebracht sind. Der Wert der Zuwendung würde
sich dann um 2 000 Jt auf 7 000 Jt erhöhen. Bei dieser Sachlage
haben wir das Verlangen der Erbin Helene Werner, auf den
Anspruch zu verzichten, abgelehnt. Erwähnt mag dabei werden, daß
eine Hilfsbedürftigkeit des Fräulein Werner nicht vorliegt, da ihr
in dem wechselseitigen Testameme der Richter'schen Eheleute eine
Jahresrente von 3 000 Jt ausgesetzt ist, während sie nach der letzt
willigen Verfügung ihrer Schwester außer dem Mobiliarnachlaffe
ein Kapital von 10000 Jt und den Zinsgenuß von mindestens
100000 M erhält. Demgemäß haben wir beschlossen, das Ver
mächtnis zu dem von der Erblasserin bestimmten Zwecke: Verwendung
der Zinsen zur Hälfte für die Zwecke der Ferienkolonien, zur anderen
Hälfte zu Unterstützungen für weibliche Dienstboten, die im Dienste
oder durch den Dienst krank und damit ganz oder teilweise erwerbs
unfähig geworden sind, anzunehmen.
Die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung ist am
28. Juni 1906 erfolgt.
Die landesherrliche Genehmigung ist nachgesucht aber noch nicht
erteilt.
8. Im Anschluß an Nr. 2a 10 des Berichts für 1904 berichten
wir noch, daß die landesherrliche Genehmigung zur Annahme der
der Stadt Berlin für wohltätige Zwecke von Frau Witwe Johanna
Simon. geb. Solinger veruiachten 30000 Jt am 21. September
1905 erfolgt ist.
9. Der am 7. Februar 1906 hier verstorbene Kommerzienrat
Joseph Pinkuß Harbin seinem am 18. Oktober errichteten, am
15. Februar 1906 eröffneten Testament bestimmt:
8 9.
a) An die Stadtgemeinde Berlin zur Verteilung der Zinsen an
Arme ohne Unterschied der Konfession 50 000 Jt (Fünfzig
tausend Mark),
n) an das Kaiser und Kaiserin Friedrich Kinderkrankenhaus zu
Berlin 20 000 Jt (Zwanzigtausend Mark).
Wir haben die Annahme der Vermächtnisie beschlossen und auch
die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung zur Annahme der
20 000 Jt nachgesucht. Die Zustimmung ist am 3. Mai 1906 erteift.
Die landesherrliche Genehmigung ist erteilt.
10. Der Hauptmann a. D. Julius von Schkopp und seine
Ehefrau Maria geb. Liman haben zu Wiesbaden am 3. Februar 1874
ein wechselseitiges Testament errichtet und darin bestimmt.
8 3.
Auf dasjenige Vermögen, welches der Letztlebende dereinst hinter
lassen wird, werden hierdurch als Erben eingesetzt:
1. Die Stadt Berlin auf 10000 Tlr., wörtlich Zehntausend Taler
pr. ort. mit der Maßgabe, daß aus den Zinsen dieses Kapitals,
welchem der Name „Henriette Liman-Casper Stiftung" bei
gelegt und welches umer solchem von dem Magistrate der Stadt
Berlin verwaltet werden soll, zwei würdige hilfsbedürftige
elternlose Töchter aus deni Beamten-, Offizier-, Gelehrten- oder
Kaufmannsstande alljährlich zu unterstützen sind.
Die verzinsliche Ausleihung dieser unverkürzt zu erhaltenden
10 000 Tlr. hat unter pupillarischer Sicherheit stattzufinden.
2. Die Stadt Berlin auf 3 500 Tlr., wörtlich Dreitausendfüns-
hundert Taler, zu dem Zwecke einer weiteren in gleicher Weife
zu verwaltenden Stiftung aus deren Zinsen zwanzig Taler an
jedem der nachfolgenden Gedenktage 8 hilfsbedürftigten Töchtern
gebildeter Eltern, die unverschuldet in folche Lage geraten sind,
gezahlt werden sollen:
am 18. März zum Andenken an Maria von Schkopp
geb. Liman,
am 8. Juni zum Andenken an Minna Liman,
am 19. Juli zum Andenken an Henriette Liman,
am 22. Juli zum Andenken an Leopold Liman.
am 3. August zum Andenken an Adelheid Lieman,
am 24. August zum Andenken an Theodor Casper,
am 26. August zum Andenken an Paul Liman und
am 8. Oktober zum Andenken an Julius von Schkopp.
Die Auswahl der Benefiziaten, welche bei beiden Stiftungen
(1 und 2) die Unterstützung, sofern sie stch derselben nicht unwürdig
machen, bei Fortdauer der Hilfsbedürftigkeit bis zu ihrer Verheiratung
alljährlich beziehen sollen, gebührt dem Magistrat der Stadt Berlin.
Doch sollen die bei unsern Lebzeiten, resp. bei Lebzeiten des
Ueberlebenden bereits von uns, resp. einem von uns in ähnlicher
Weise unterstützten Personen in dem Genusse der Unterstützung belassen,
und auf die Vorschläge unserer Testamentsexekutoren möglichst Rück-
ficht genommen werden.
Ausnahmsweise, namentlich bei besonderer Bedürftigkeit und
Würdigkeit kann eine und dieselbe Benefiziatin der Kategorie die
Unterstützung von 20 Tlr. auch an 2, allenfalls auch an 3 der er-
wähnten Gedenktage erhalten.
Auch das Kapital sub Ziffer 2 pupillarisch anzulegen.
Falls die Zinsen desselben mehr als die zu gewährenden oben
bestimmten Unterstützungen betragen, fo kann der überschießende Betrag
zu einer Remuneration des mit der Auszahlung betrauten, oder in
sonstiger Weise in dieser Angelegenheit tätigen Beamten, oder zur
Unterstützung einer weiteren Hilfsbedürftigen aus den zur Kategorie 2
gehörigen Personen nach Ermessen des Magistrats von Berlin ver
wendet werden, dem es auch überlassen bleibt Art und Zahlung der
aus der Stiftung sud. Ziffer 1 zu gewährenden Unterstützungen, die
Modalitäten in Beireff der Verwaltung und alle zur Ausführung
dieses unseres Willens etwa noch erforderlichen Bestimmungen in
Betreff beider Stiftungen festzusetzen.
Die landesherrliche Genehmigung zur Annahme der Zuwendung
ist der Stadtgemeinde Berlin erteilt.
11. Die am 15. November 1904 Hierselbst verstorbene Frau Johanna
Simon, geb. Salinger, Witwe des Bankiers Moritz Simon, hat
in ihrem am 30. November 1904 eröffneten Testamente vom 5. Juli 1898
ein Kapital von 1000 000 Jt zur Gründung eines in Berlin oder
den Vororten zu errichtenden Waisenhauses für Mädchen vom 12. bis
18. Lebensjahre ohne Unterschied der Religion ausgesetzt. Die näheren
Bestimmungen über Errichtung und Verwaltung der Stiftung, die
den Namen „Moritz Johanna Simon'sche Stiftung" führen soll,
sollen von der Tochter der Erblasserin, Frau von Freeden, in
Gemeinschaft mit dem zum Testamentsvollstrecker bestimmten Herrn
Alfred Zielenziger, die auch später die Stiftung zu verwalten
haben, getroffen werden. In Ausführung einer weiteren letztwilligen
Anordnung, wonach die Genannten hierzu unserer Mitwirkung in
Anspruch zu nehmen befugt sein sollen, haben die beiden Bevollmächtigten
sich bereit erklärt, die Stiftung in Berlin zu errichten: sie haben dabei
gleichzeitig den Antrag gestellt, für die Stiftung ein geeignetes, der
Stadtgemeinde Berlin gehöriges Terrain kostenfrei zu überlassen. Es
ist beabsichtigt, von dem Stiftungskapitale rund 140000 Jt auf den
Bau, 40 000 Jt aus die innere Einrichtung des Hauses und die
Zinsen von 820 000 Jt zum Unterhalt der Mädchen und zur Be-
streitung der Verwaltungskosien zu verwenden.
Aufnahme finden sollen 30—40 elternlose unvermögende junge
Mädchen der gebildeten Slände. Hierzu sind nach dem von uns
gebilligten Statutenentwurfe zu rechnen u. a. Töchter von Beamten,
Gelehrten, jetzigen und ehemaligen Kaufleuten, Industriellen, Guts
besitzern und Lehrern.
Die eine Hälfte der aufzunehmenden Mädchen soll in der Regel
der christlichen, die andere der jüdischen Religion angehören. Ferner
sollen regelmäßig nur solche Mädchen Aufnahme finden, deren Eltern
mindestens die letzten zwei Jahre hindurch in Berlin oder einem der
Vororte gewohnt haben.~ Jedoch soll die Zahl der aus den Vororten
oder anderen deutschen Städten Aufnahme findenden 1 / s der Gesamt
zahl nicht übersteigen.
Die Verwaltung der Stiftung wird durch ein Kuratorium geführt.
Zu Mitgliedern sind berufen:
1. Frau von Freeden als Vorsitzende,
2. der Kaufmann Alfred Zielenziger als stellvertretender Vor
sitzender,
3. und 4. zwei von dem Oberbürgermeister zu ernennende Mit
glieder des Magistrats, von denen das eine nach dem Aus
scheiden der zu 1. und 2. Genannten den Vorsitz erhält,
5. und 6. zwei weitere Mitglieder, welche entweder dem Magistrat,
der Stadtverordnetenversammlung oder der Stiftungsdeputation
angehören müssen, und von letzterer gewählt werden,
7. ein Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde, von diesem
zu wählen.
Das Kuratorium ist berechtigt, sich noch 1—2 Personen hinzu
zuwählen.
Die der Stiftung gehörigen Wertpapiere und Dokumente sind
beim Magistratsdepositorium niederzulegen, während die Verwaltung
der Kasfenangelegenheiten ein vom Kuratorium eigens zu wählender
Rendant zu führen hat.
Als Stistungsgrundstück haben wir beschlossen das in Treptow.
Hoffmannstraße 11, belegene, etwa 1 750 gm große Grundstück, im
Wert von rund 56000 Jt in Aussicht zu nehmen.
Die Stadtverordnetenversammlung hat demnächst unserem Antrage
zugestimmt, daß der zu begründenden „Moritz und Johanna Simon-
Stiftung" zur Errichtung eines Waisenhauses für Mädchen das im
Gemeindebezirk Treptow, in der Hoffmannstraße 11 belegene, im
Grundbuche von den Umgebungen des Kreises Teltow, Band IX,
Nr. 357 verzeichnete, etwa 1 750 gm große Grundstück, das auf dem