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Verwaltungsbericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ltatsjahr 1904.
M 30.
WerichL der HewerbeöeputaLion des Magistrats und des Wagistrats-
kommistars für öie Hrts- und Wetriebskrankenkasten.
A. Allgemeines.
In der Zusammensetzung der Gewerbedeputation haben im Berichts
jahre einige Aenderungen stattgefunden. Von den Magistratsmitgliedern
schied Stadtrat Dr. Straßmann. der lange Jahre Mitglied der
Deputation war, aus: an seine Stelle trar der neu gewählte Stadtrai,
bisherige Stadtverordnete Maas. Für Herrn Maas, der vorher
schon der Gewerbedeputation als Stadtverordneter angehörte, wurde
der Stadtverordnete Berger in die Deputation gewählt. Durch den
Tod wurde uns ein langjähriges Mitglied, der Stadtverordnete Sutter
entrissen; für ihn trat der Stadtverordnete Foerster ein. Von den
Bürgerdeputierten schied, wie wir bereits im vorigen Bericht erwähnt
haben, durch Tod der Kaufmann L iss er aus, an deffen Stelle der
Uhrmacher Bergner gewählt wurde. Zwei Bürgerdeputierte, der
Tischler Bahlke und der Geheime Sanitätsrat Dr. Becher, deren
Wahlzeit im Berichtsjahr abgelaufen war, wurden wiedergewählt.
Einer der Dezernenten in Krankenversicberungsangelegenheiten,
Magistratsrat Dr. Meyer, ist auf längere Zeit beurlaubt worden,
um auf Ersuchen des Reichsamts des Innern bei der Ausarbeitung
eines Gesetzentwurfes, betreffend die Krankenversicherungspflicht der
Hausgewerbetreibenden, milzuwirken. Das hierdurch erledigle Dezernat
ist dem Magistratsaffesfor Korn übertragen worden.
Der Bericht über die Fachschulen wird für dieses Jahr von der
Gewerbedeputation zum letzten Mal erstattet, da kurz nach Schluß des
Berichtsjahres (mit dem 15. April 1905) die Verwaltung der Fach
schulen auf die neugebildeie Deputation für die städtischen Fach- und
Fortbildungsschulen übergegangen ist. Da hierdurch eine Verminderung
der Bureauarbeiten eingetreten ist, sind die verfügbaren Beamten
(3 Sekretäre, 2 Assistenten und 1 Diener) dem Bureau der neuen
Deputation überwiesen worden.
B. Innungen, Handwerkskammer, Lehrlingsangelegenheiten.
Im Berichtsjahr hat sich die Zahl der Innungen um 2 vermehrt,
so daß am Jahresschluß im ganzen 64 Innungen (gegen 62 im Vor
jahre), und zwar 46 freie Innungen (darunter 39 Handwerkerinnungen)
und 18 Zwangsinnungen bestanden. Den freien Innungen gehörten
am 31. Dezember 1904 insgesamt 11928 Mitglieder (davon den
39 Handwerkerinnungen 10 247 Mitglieder), den 18 Zwangsinnungen
im ganzen 17 379 (17105*) Mitglieder an; von letzteren waren
16 492 (16190*) Zwangsmitglieder und 887 (910*) freiwillige
Mitglieder.
Ueber die weiteren Verhältnisse der einzelnen Innungen und ihrer
Nebenkassen geben die als Anlagen beigefügten Nachweisungen la, Id
und II Aufschluß, die nach den Angaben der Jnnungsvorstände auf
gestellt sind. Hiernach waren die größten Zwangsinnungen (d. h. mit
mehr als 1 OM Zwangsmitglicdern): die Maler (1 2M), die Tapezierer
(1 430), die Schuhmacher (1 978), die Tischler (2 363) und die Schneider
(5 873) und die kleinsten (bis zu IM Zwangsmitgliedern): die Zeug-
schmiede (35), die Kupferschmiede (55), die Steinsetzer (57) und die
Posamentiere und Seidenknopfmacher (IM). Von den freien Innungen
hatten nur bis zu 50 Mitgliedern: die Schwcrtfeger (7), die Kamm
macher (16). die Strumpfwirker (17), die Seiler (18), die Steinmetze
(24), die Feilenhauer (28), die Fischer (30). die Nadler (32), die
Brunnenbauer (40), die Vergolder (41), die Böttcher „Eiche" (42),
die Chirurgie-Jnstruinentenmacher (43), die Konditoren (47) und die
Nagelschmiede (47), während über 5M Mitglieder zählten: die
Klempner (603), die Gastwirte (660), die Schlosser (700), die Damen
*) Zahlen des Vorjahres.
mäntelschneider (749), die Weber und Wirker (818), die Fleischer (948),
die Bäcker „Concordia" (986), die Barbiere, Friseure und Perrücken-
macher (1 240) und die Bäcker (1 342).
Die im Berichtsjahre neu errichteten Innungen sind die Konditoren-
innung (freie Innung) und die Innung der Besorger fremder Rechts-
angelcgenheiten. Erstere ist am 2. Mai 1904 mit 30 Mitgliedern,
letztere am 1. März 1905 mit 11 Mitgliedern unter Leitung eines
Vertreters der Aufsichtsbehörde konstituiert worden.
In einem stalle ist die Errichtung einer Zwangsinnung, und
zwar für das Beton-, Gips- und Deckenbauhandwerk, für Berlin und
17 Vororte beantragt worden. Die Gewerbedeputation hat den Antrag
nicht befürmortel mit der Begründung, daß ein Bedürfnis für die
Zwangsinnung nicht vorliege, da in dem Bezirk, den die Innung
umfassen soll, schon andere Vereinigungen für das Bauhandwerk zur
Wahrung der gemeinsamen Interessen in großer Zahl beständen. Es
sei ferner zu befürchten, daß durch die Errichtung der Zwangsinnung
das bisherige friedliche Nebeneinanderbestehen dieser Vereinigungen
dauernd gestört werde. Denn das durch die neue Innung zu vertretende
Gewerbe sei erst im Entstehen begriffen, es werde nur in einigen
wenigen Fällen als Spezialgewerbe ausgeübt, in den meisten Fällen
gemeinschaftlich mit dem Maurergewerbe. Die Grenze zwischen beiden
Gewerben sei aber nichr so scharf zu ziehen, daß über die Zugehörigkeit
zu dem einen oder andern ohne Schwierigkeit und einwandsfrei
entschieden werden könnte. Die Folgen würden zahlreiche und ständige
Streitigkeiten zwischen der Innung einerseits und den Betriebsinhabern
und jetzigen Vereinigungen anderseits sein, so daß die Innung ihren
gesetzlichen Zweck: die Förderung der gemeinsamen gewerblichen
Interessen kaum erfüllen würde. Der Herr Oberpräsident hatte bis
zum Schluß des Berichtsjahres über den Antrag noch nicht entschieden.
Inzwischen ist jedoch, was hier im voraus bemerkt sei, die Entscheidung
ergangen, und zwar ist der Antrag abgelehnt worden mit dem Hinweis,
daß durch die bestehenden verwandten Fachvereine und Innungen für
die Wahrnehmung der gemeinsamen gewerblichen Interessen des Beton-,
Gips- und Deckenbauhandwerks bereits ausreichende Fürsorge
getroffen sei.
Eine Erweiterung ihres Mitgliederkreises ist von 5 Innungen
angestrebt worden, von den beiden freien Innungen der Klempner
und Seiler und von den drei Zwangsinnungen der Drechsler, Stell
macher und Tischler. Die Klempnerinnung hatte beschlossen, ihren
Namen in „Klempner- und Jnstallaieurinnung" abzuändern. Die
hierzu erforderliche Slatutenänderung ist jedoch von dem Herrn Polizei
präsidenten nicht genehmigt worden, da die beabsichtigte Ausdehnung
des Geltungsbereichs der Innung im Interesse einer gedeihlichen
Fortentwickelung des Jnnungswescns nicht zweckmäßig erscheine, weil
für das Jnstallationsgewerbe in Berlin und verschiedenen Voronen
bereits die hiesige Innung der Gas-, Wafferleitungs- und Heizungs
fachmänner bestände. Letztere sowohl wie auch der hiesige Innung«,
ausschuß hätten sich ebenfalls gegen die Namensänderung ausge-
sprachen. Die Seilerinnung hatte den bereits im Jahre 1899 schon
einmal abgelehnten Antrag auf Ausdehnung ihres Bezirks auf den
Regierungsbezirk Potsdam wiederholt. Er fand jedoch auch dieses
Mal nicht die Genehmigung des Herrn Ministers für Handel und
Gewerbe, und zwar mit der Begründung, daß auch jetzi noch kein
Bedürfnis für eine so erhebliche Erweiterung des Jnnungsbezirks
vorliege. Der Drechslerinnung ist auf Antrag die Einbeziehung der
Hausgewerbetreibenden in ihren Mitgliederkreis genehmigt worden.
Die Stell- und Rademacherinnung und die Tiichlerinnung hatten die
Ausdehnung ihres Bezirks auf mehrere Vororte beantragt. Dem
Antrage der Siellmacherinnung ist — kurz nach Schluß des Berichts-