Verwaltungsbericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ltatsjahr 1903.
M 23.
'Bericht über öie HZerwattung des Arbeitshauses unö öes ArbeilsHcrus-
bofpitcrl's in Wurnrnetsburg.
Ist gegen einen Ausländer auf Ueberweisung an die Landes-
Polizeibehörde erkannt, so kann an Stelle der Unterbringung in ein
Arbeitshaus Verweisung aus dem Bundesgebiete eintreten.
b) Gesetz vom 8. März 1871, betreffend die Ausführung des
Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz.
(Gesetzsammlung für Preußen von 1871, Seite 130 ff.)
§ 38. Die Landarnienverbände sind verpflichtet, die in ihrem
Bezirk festgenommenen, auf Grund der Bestimmuuge» des § 861
Nr. 3—8 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund vom
31. Mai 18 <0 (jetzt des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reicht
verurteilten und nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde über
wiesenen Personen auf dahingehenden Beschluß dieser Behörde in ein
Arbeitshaus unterzubringen. Die Kosten des Transports der vor-
gedachten Personen aus dem Gerichtsgefängnis in das Arbeitshaus,
sowie der ihnen etwa bebufs dieses Transports zu gewährenden un
entbehrlichen Bekleidung fallen dem Staat zur Last, wogegen die
Landarnienverbände die Kosten der Verpflegung in der Anstalt, der
bei der Entlassung aus dieser, wenn nötig, zu gewährenden Bekleidung
und entstehendenfalls der Beerdigung insoweit zu tragen haben, als
diese Kosten durch den aufkommenden Arbeitsverdienst nicht gedeckt
werden.
o) Gesetz, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des
Strafgesetzbuchs vom 25. Juni 1900. tReichsgesetzblatt
Seite 301 ff.)
§ 181 a. Eine männliche Person, welche von einer Frauensperson,
die gewerbsmäßig Unzucht treibt, unter Ausbeutung ihres unsittlichen
Erwerbes ganz oder teilweise den Lebensunterhalt bezieht, oder welche
einer solchen Frauensperson gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz
in bezug auf die Ausübung des unzüchtigen Gewerbes Schutz
gewährt oder sonst förderlich ist (Zuhälter), wird mit Gefängnis nicht
unter einem Monat bestraft.
Ist der Zuhälter der Ehemann der Frauensperson, oder hat der
Zuhälter die Frauensperson unter Anwendung von Gewalt oder
Drohungen zur Ausübung des unzüchtigen Gewerbes angehalten, so
tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr ein. Neben der Gefängnis-
strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf Zulässigkeit
von Polizeiaufsicht sowie auf Ueberweisung an die Landespolizei
behörde mit den im § 362, Absatz 3 und 4 vorgesehenen Folgen
erkannt werden.
Auf Grund des Gesetzes vom 2. Juli 1900 über die Fürsorge
erziehung Minderjähriger in Verbindung mit obigem Gesetz von,
25. Juni 1900 im Falle des § 361 Nr. 6 des Strafgesetzbuchs werden
minderjährige weibliche Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, in unser Arbeitshaus nicht mehr aufgenommen. Auch
werden derartige weibliche Personen, deren Unterbringung in Fürsorge
beschlossen oder vorläufig angeordnet ist, der seit Juni 1901 auf dem
Grundstück des Arbeitshauses provisorisch eingerichtet gewesenen Fürsorge-
erziehungsabteilung nicht mehr überwiesen. Gemäß den Bestimmungen
des erwähnten Gesetzes ist mit dem Ende des vorigen Berichtsjahres
diese Station vielmehr aufgehoben.
Die letzten Zöglinge sind jedoch wegen Krankheit oder weil wegen
ihrer anderweitigen Unterbringung noch keine Verfügungen ergangen
waren, noch bis zum Juni hier verblieben.
Mit dem Arbeilshause als Zwangsarbeits- und Besserungsanstalt
hat das auf demselben Grundstück eingerichtete Hospital, das auch
räumlich von dem Arbeitshause getrennt ist, nichts gemein. Es ist
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Allgemeines.
Das Arbeitshaus der Stadt Berlin hat die von der Landes
polizeibehörde beschlossene Unterbringung in einem Arbeitshause an
denjenigen Personen zu vollstrecken, die innerhalb des Bezirks des
Landarmenverbandes der Stadt Berlin wegen Uebertretung der § 361
Nr. 3 bis 8 und 362 des Reichsstrafgeseybuches festgenommen und
gerichtlich verurteilt worden sind.
Ferner werden auf Grund des Gesetzes, betreffend Aenderungen
und Ergänzungen des Strafgesetzbuches vom 25. Juni 1900 auch
männliche Personen, die wegen Kuppelei mit Gefängnis bestraft
worden sind, von der Landcspolizeibehörde dem Arbeitshause über
wiesen (§ 181a des Reichsstrafgesetzbuches).
Um die Leser unseres Berichts mit den Bestimmungen bekannt
zu machen, die eine derartige Verurteilung herbeiführen und die Mit
wirkung der gerichtlichen und landespolizeilicheu Behörden und der
durch Gesetz eingerichteten Provinzial- oder städtischen Landarmen-
verbändc regeln, lassen wir dieselben wiederum hier wörtlich folgen;
a) Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871.
(Reichsgesetzblatt von 1871, Seite 127 ff.)
§ 361. Mit Haft wird bestraft:
1. und 2
3. wer als Landstreicher umherzieht;
4. wer bettelt oder Kinder zum Betteln anleitet oder ausschickt,
oder Personen, welche seiner Gewalt und Aufsicht untergeben
sind und zu seinen Hausgenossen gehören, vom Betteln abzu
halten unterläßt;
5. wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt,
daß er in einen Zustand gerät, in welchem zu seinem Unterhalte
oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er ver
pflichtet ist, durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in
Anspruch genommen werden muß;
6. eine Weibsperson, welche, polizeilichen Anordnungen zuwider,
gewerbsmäßig Unzucht treibt;
7. wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung
empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm vo» der Be-
Hörde angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu ver
richten ;
8. wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens binnen der
ihm von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein
anderweitiges Unterkommen verschafft hat, auch nicht nachweisen
kann, daß er solches der von ihm angewandten Bemühungen
ungeachtet nicht vermocht habe.
$ 362. Die nach Vorschrift des § 361 Nr. 3—8 Verurteilten
können zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen an
gemessen sind, innerhalb und. sofern sie von anderen freien Arbeitern
getrennt gehalten werden, auch außerhalb der Strafanstalt angehalten
werden.
Bei der Verurteilung zu Haft kann zugleich erkannt werden, daß
die verurteilte Person nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde
zu überweisen sei. Die Landespolizeibehörde erhält dadurch die Be
fugnis, die verurteilte Person entweder bis zu zwei Jahren in einem
Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu ver
wenden. Im Falle des § 361 Nr. 4 ist dieses jedoch nur dann zu
lässig, wenn der Verurteilte in den letzten drei Jahren wegen dieser
Uebertretung mehrmals rechtskräftig verurteilt worden ist, oder wenn
derselbe unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt hat.