Verwaltungs-Bericht
des
Magistrats zu Berlin
für
das Ltatsjahr 1900.
JE 13.
Wericht 6er Aeputation für Statistik.
Die regelmäßigen Arbeilen des statistischen Amts, dessen Thätig-
feit am besten aus den alljährlich erscheinenden statistischen Jahrbüchern
der Stadt hervorgeht, blieben im Ganzen unverändert.
Abgesehen vom Jahrbuche, das die grundlegenden Zahlen nicht
nur publizirt, sondern zugleich, soweit es erforderlich ist, erläutert,
wurden die wöchentlichen, monatlichen und Jahresveröffentlichungen
über die Bewegung der Bevölkerung, über Infektionskrankheiten und
meteorologische Verhältnisse, ferner die Monats- und Jahresübersichlen
über die Preise wichtiger Nahrungsmittel fortlaufend veröffentlicht.
Hinzu kamen die Veröffentlichungen über die im Laufe des Jahres
erfolgten Vcrurtheilungen wegen Bettelei und Obdachlosigkeit, über die
Lohnvcrhältnisse einzelner Jndustriegruppen (diesmal des Baugewerbes)
und über die Wohnungen, die zu Anfang Januar leer gestanden haben.
Die letztere mit Hilfe der Grundsteuerverwaltung veranstaltete
Aufnahme begreift die zu einem bestimmten Zeitpunkt leer stehenden
Räumlichkeiten. Da es ebenso wichtig ist, zu verfolgen, wieviel
Wohnungen alljährlich durch Neubauten zur Verfügung gestellt werden,
welche Größe sie haben, welche Räumlichkeiten sonst auf diese Weise
geschaffen werden, so wurden die früher bereits wiederholt gestellten,
aber erfolglos gebliebenen Anträge ans Erhebung einer solchen Statistik
bei dem Magistrat aufs Neue in Anregung gebracht.
Ferner wurde vom statistischen Amt der Versuch gemacht,
Material über Arbeiterbudgets zu erlangen. Es ist auch gelungen,
eine größere Anzahl von Fragebogen ausgefüllt zurück zu erhalten.
Ihre Bearbeitung hat am Ende des Berichtsjahres begonnen.
Eine außerordentliche Aufgabe erwuchs dem statistischen Amt durch
die Volkszählung vom 1. Dezember 1900, deren Durchführung mit
dem Anwachsen der Stadt immer schwieriger wird, umsomehr als es
diesmal — wie schon in dem Vorberichte erwähnt — gelungen war, auch
eine Anzahl von Vororten für ein gemeinsanies Vorgehen zu gewinnen.
In letzterer Hinsicht hatte zunächst die Stadt Charlottenburg,
deren statistisches Amt nebenamtlich von dem Direktorialassistenten des
Berliner städtischen statistischen Amts verwaltet wird, mit Wilmers
dorf, Friedenau, Schmargendorf, Grunewald verabredet, dieselben
Zusatzfragcn auf den staatlichen Zählkarten und die Beigabe einer be-
sonderen Wohnungskarte bei dem Ministerium zu beantragen, sowie
bereits vor der Zählung gelegentlich der alljährlich stattfindenden
Personenstandsaufnahme durch gleichlautende Formulare eine Grund
stückserhebung zu veranstalten.
Eine gleiche Vereinbarung führte Berlin mit sämmtlichen an
grenzenden Gemeinden durch, nämlich mit Schöneberg, Tempelhof,
Rirdors. Treptow, Stralau, Rummelsburg, Lichtenberg, Friedrichs-
felde, Hohen-Schönhausen, Weißensec mit Neu-Weißensee, Heinersdorf,
Pankow, Nieder - Schönhausen (mit Schönholz), Reinickendorf und
Plötzensee, sodaß nunmehr eine Grundstücks- und Wohnstatistik für
Großberlin geschaffen werden wird, in Verbindung mit der auch die
Auszählung der wichtigsten Tabellen der Bevölkerungsstatistik für
diesen Komplex gewährleistet ist.
Dabei verblieb mit Genehmigung des Ministeriums der Stadt
Berlin wiederum die selbstständige Auszählung ihres eigenen Materials,
einschließlich auch der staatlichen Tabellen, die aus der Staatskasse
entschädigt werden.
Die Grundstücks- uird Wohnungskarten der Vororte bearbeiten
die beiden statistischen Aemter der Städte Berlin und Charlottenburg
ledes zugleich für die angrenzenden Gemeinden, während die Ans-
zahlung der Jndividualkarten der Vororte das Königlich Preußische
Statistische Büreau gegen Entschädigung übernommen hat und zwar
entsprechend dem diesseits beantragten Plane.
^n der Organisation der Zähluiig ging jede Gemeinde ihren
eigenen Weg. Für Berlin wurde die Organisation der früheren
Zahlungen wesentlich umgestaltet.
Da in Berlin die Durchführung der Zählung dem Magistrat
und dem Polizeipräsidium genieinsam obliegt, so wurde wie früher
die eigentliche Aufnahme der ehrenamtlichen Thätigkeit der Bürger,
die nachfolgende erste Revision dagegen den Polizeirevierbüreaus über
tragen. Das hat zur Folge, daß das Material nach der Zählung
den letztgenannten Stellen pünktlich zugeht, um von ihnen dem
statistischen Amte der Stadt übermittelt zu werden, wo die eigentliche
Prüfung und auch die weitere Bearbeitung erfolgt. Früher ivar das
Polizeirevier als Grundlage der Zählung genommen worden, in der
Weise, daß für jedes Revier ein städtischer Revierdeputirter ehren
amtlich, aber unter Gewährung einer Schreibhilfc oder von Geld
mitteln für solche Zwecke, die Eintheilung des Reviers in Distrikte,
die Gewinnung der Distriktskomntiffare, die ihrerseits die Zähler an
zunehmen hätten, die Vertheilung des Materials und nach der
Zählung selbst oder durch seine Schreibhilfe die Revision deffelben
auf dem Polizeirevier in Gemeinschaft mit dem Reviervorstand zu
besorgen hatte: hierbei hatte sich immermehr die dem Revierdepulirlen
zufallende Arbeit als so umfangreich herausgestellt, daß hierzu ehren
amtliche Kräfte nur schwer zu finden waren. Außerdem war es auch
nicht leicht, namentlich nicht für im Revier unbekannte Persönlichkeiten,
die geeigneten Distriktskommissare zu finden und bis zum Schluffe
der Arbeiten zusammen zu halten.
Es wurde daher diesmal die städtische Organisation au die
Sladtbezirkseintheitung geknüpft, und die Einsetzung von Revier-
deputirten fällt fort. Die Eintheilung in Distrikte besorgte das
statistische Amt, wobei sowohl die Stadtbezirks- wie die Polizeirevier-
grenzen zu berücksichügen waren.
Die Distriktskommissare bestellte der Bezirksvorsteher, und das
Zählmaterial ging vom Amte aus direkt den Distriktskomnüffaren zu.
Von diesen ging es an die Zähler und nach der Zählung durch die
letzteren an die Distriklskommissare zurück, von denen es direkt an
das Polizeibüreau abgeliefert wurde Hier fand eine Prüfung durch
remunerirte Assistenten statt (nicist Lehrer, Beamte), die das statistische
Amt für jeden Stadtbezirk angenommen hatte, und die auch den
Bezirksvorstehern Hilfe zu leisten halten.
Atlf diese Weise wurde die Zahl der Distrikte, die 1895 über
3 200 betragen hatte, aus gegen 1800 reduzirt, eingeschlossen die
jenigen kleinen Distrikte, die aus wenigen Häusern, mitunter auch
nur aus einem Hause bestehend, nur deshalb eingerichtet werden
mußten, weil die Stadtbezirks- und Polizeireviergrenzen sich nicht
deckten. Die Thätigkeit des statistischen Amts wie der Polizeibüreans war
durch die veränderte Organisation allerdings noch umfassender geworden.
Die vorläufige Zusammenstellung der Resultate der Zählung
ist so beschleunigt worden, daß bereits 8 Tage nach der Zählung die
vorläufigen Einwohnerzahlen nach Stadtbezirken puplizirt werden
konnten. Die Abweichung von der im statistischen Amte durch Fort-
schreibung des Volkszähiungsresultats vom 2. Dezember 1895 ge
wonnenen Bevölkerungszahl war diesmal unbedeutend.
Eine weitere große Arbeit erwuchs aus der ebeitfalls auf den
1. Dezember 1900 fallenden allgemeinen Vieh- und Obstbaumzählung.
Die ehrenamtliche Ausführung dieser Zählung konnte dem Publikuni
nicht zugemuthet werden, wurde daher, wie bereits bei früheren derartigen
Zählungen, den Steuererhebern gegen Entschädigung übertragen.
Daß das statistische Amt durch graphische Darstellungen auf der
Pariser Ausstellung vertreten war, ist schon im Bericht für 1899 er
wähnt worden. Ihm wurde der Oranck Prix zuerkannt.
Die Bibliothek des Amtes umfaßte zu Ende des Berichtsjahres
etwa 16 300 Bände, der Katalog befindet sich im Druck.
Berlin, den 25. Mai 1901.
Deputation für Statistik.
Weigert.
Druck von W 4 6. Loewentbal Berltu.