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Nr. 12. Volksbibliotheken und Lesehallen.
3. Die Volksbibliotheken.
Die Benutzung der Volksbibliotheken ist gegenüber dem Bor
jähre um mehr als 14 v. H. gestiegen, von 693078 Bänden aus
795 362, und gegenüber dem Jahre 1890 sogar um mehr als 130 v. H.
Wir haben diesen Erfolg vorzüglich folgenden Umständen zuzuschreiben:
den von Jahr zu Jahr gestiegenen, zu unsrer Verfügung gestellten
Mitteln für Büchcranschaffungen, dem erweiterten Betriebe der
Bibliolheken, der Eröffnung von Lesehallen, die weile Kreise unsrer
Bevölkerung erst auf das Bestehen von Volksbibliotheken aufmerksam
gemacht haben, und der steten Rücksichtnahme unsrer Verwaltung auf
die beachtenswerth erscheinenden Wünsche des Publikums. Es wird
für uns immer eine Hauptsache sein, in jeder einzelnen Bibliothek
auf das Lesebedürfniß des Publikums, soweit es sich nicht auf Unter
haltungslitteratur bezieht, zu achten und danach die Lücken auszufüllen,
damit jede Bibliothek die besonderen Bedürfniffe der Bewohner ihres
Stadttheils befriedige, soweit dies in der immerhin recht beschränkten
Aufgabe unserer Bezirksbibliotheken liegt.
Wie in den letzten Jahren, so ist auch diesmal die 20. Volks
bibliothek in der Ravensstraße am meisten besucht worden: bei einem
Bücherbestände von wenig mehr als 6 500 Bänden wurden 123 321
Bände nach Hause verliehen, gegen IM 509 Bände im Jahre vorher,
im täglichen Durchschnitt 350 Bände, aber oft an einzelnen
Tagen mehr als 650 Bände. Im Durchschnitt ist jedes einzelne Buch
19 mal im Jahre verliehen worden, was eine ganz ungewöhnlich
intensive Benutzung beweist. Auch in der ersten Volksbibliothek ist
dir Benutzungsziffer von 80 299 Bänden auf 96 275 gestiegen.
Von den im Berichtsjahr nüt neuen Lesehallen in Verbindung
gebrachten Volksbibliotheken hat, was wir bereits in unsrer Festschrift
als bestimmte Erwartung ausgesprochen haben, die 9. Bibliothek in
der Wilmsstraßc den lebhaftesten Zuspruch gehabt. Früher in dem
Gemeindeschulhause in der Wartenburgstraße untergebracht, hat sie
Mühe gehabt, auch nur 6—7 OM Bände im Jahr nach Hause zu ver
leihen, nach der (Übersiedlung aber in die neuen, schmucken Räume und
bei täglichem Betriebe hat sie in 10 l / 2 Monaten 37 485 Bände verliehen
und verleiht jetzt schon so viel Bände in sechs Wochen, wie ftüher in
einem ganzen Jahr. Auch die Bibliotheken in der Duucker und
Glogauer Straße, die nunmehr täglich geöffnet sind, entwickeln sich in
der erfreulichsten Weise und laffen für die Zukunft noch weit bessere
Ergebnisse erwarten.
Unsere jüngste Vvlksbibliothek, in der Rostocker Straße im Stadt-
theil Moabit, an der Peripherie der Stadt gelegen, hatte in den drei
ersten Wochen nur spärlichen Besuch, aber schon in der vierten Woche
verlieh sie tausend Bände, und bei dieser Lebhaftigkeit ist denn auch
dir Benutzung verblieben.
Von den dreimal wöchentlich offenstehenden Bibliotheken, die in keiner
Verbindung mit Lesehallen stehen, sind am stärksten folgende besucht
worden: die 13., 27., 18., 6. und 12., die zwischen 39 546 und 29 451
Bänden verliehen haben. Am wenigsten in Anspruch genommen wird
die 15. Volksbibliothek, die nur 6068 Bände ausgcliehen hat. Die
Steigerung des Besuchs unsrer Volksbibliotheken haben wir auch darauf
zurückzuführen, daß sich die gedruckten Bücherverzeichnisse immer un
entbehrlicher machen und durch ihre Anordnung die Ansprüche der
Leser voll befriedigen. Das crgiebt sich aus dem Verkauf der Kataloge:
im Jahre 19M und 4 770 Kataloge verkauft worden, gegen 3 330 im
Jahr 1899. Dem Drucke eines Kataloges geht immer eine neue Aus
stattung der Bibliothek mit neuen Büchern voraus. Diesmal haben
die 3., 9., 18., 21. und 24. Volksbibliothek neue Bücherverzeichnisse
erhalten. Außerdem haben wir mit einem Kostenaufwand von 16 000^6
die 28. Volksbibliothek mit 4 5M Bänden ausstatten und einen mit
Sach- und Namensregister versehenen Katalog von ihr in einer Stärke
von 187 Seiten veröffentlichen dürfen. Bei der Auswahl haben wir
neben den besten Werken unsrer deutschen und der fremden schönen
Litteratur diejenigen wissenschaftlichen Abtheilungen am meisten berück
sichtigt, die nach unsrer Erfahrung vom Publikum bevorzugt werden:
Geschichte, Geographie, Naturwisienschasten, Technik. Wir können
diesen mit besonderer Sorgfalt zusammengestellten Katalog städtischen
Verwaltungen »ur empfehlen, da er ihnen bei Einrichtung volksthüm-
licher Bibliotheken gute Dienste leisten ivird. Es ist freilich nur eine
kleine Bibliothek, aber eine solche, die auf jedem Gebiete das Beste
aufweist.
Die Bücherentleihungen in den einzelnen Bibliotheken.
Nr.
Volksbibliothek
Zahl der Bände
1900
1899
1890
20
Ravensstraße (Leseh.) . . .
123 321
IM 609
17 354
1
Mohrenstraße 41 (Leseh.) . .
96 275
80 299
12 944
13
Lausitzer Platz
39 546
37 324
26 852
27
Prenzlauer Allee 227/228 . .
39 342
33 430
—*•
18
Kurfürstenstraße 160. . . .
39 033
37 961
15 605
9
Wilmsstraßc 10 (Leseh.) . .
37 485
6 773
5 938
6
Ruppiner Straße 48 . . .
29 952
32 195
20 167
12
Thnrmstraße 86
29 451
29 103
11 638
24
GloganerStraße 12/13 (Leseh.)
29 105
13 171
12 336
3
Gipsstraße 23a
26 434
37 620
23 946
21
Dunckerstraße 65/66 (Leseh.) .
25 486
19 110
6 438
19
Choriner Straße 74 ... .
22 015
22 720
18 170
22
Dieffeubachstraße 60/61 . . .
21 672
21 358
14 858
2
Georgenkirchplatz 18. . . .
21 667
20 149
7 213
25
Fruchtstraße 38
19 925
18 712
8 395
11
Scharnhorststraße 9 . . . .
18 663
18 435
9 590
17
Straußberger Straße 9 . . .
18 201
20 311
8 489
23
Olivaer Straße 19 ... .
17 707
17 552
8 686
8
Derfflingerstraße 18a . . .
17 583
14 181
25 104
14
Schmidstraße 16
17 026
18 134
12 562
5
Wilhelmstraße 117 ... .
16 948
17 304
17 004
10
Pankstraße 26
16 388
15 575
. 10 046
26
Schlesische Straße i ... .
16 075
15 021
1 738
16
Auguststraße 67/68 ....
13 467
13 539
10 980
7
Langestraße 76
12 549
11 616
12 532
28
Rostocker Straße 32/33 (Leseh.)
12 372
—
—
4
Stallschreiberstraße 54a. . .
11 617
13 291
15 055
15
Albrechtstraße 16 . . .
6 068
7 686
5 602
zusammen
795 362
693 078
339 242
Aus den einzelnen Abtheilungen wurden verliehen:
Abtheilung
1900
1899
1890
1.
Deutsche schöne Litteratur . .
355 385
317 132
213 603
2.
Juqendschriften
133 915
115 923
23 114
3.
Zeitschriften, Sammelwerke .
125 464
111 859
9 594
4.
Ausländische schöne Litteratur
57 425
49 557
37 781
5.
Geographie
35 210
27 975
12 248
6
Geschichte
29 990
23 969
18 042
7.
Naturwissenschaften ....
21 506
17 102
8 818
8.
Technik, Gewerbe?c
10 817
8 765
3 302
9.
Kunst
8 388
6 739
2 473
10.
Griechische, römische und
morgenländische Litteratur . .
4 738
4 202
2 608
11.
Staats- und Rechtswissen
schaften
2 653
2 646
1 237
12.
Unterricht und Erziehung . .
2 439
1 946
1 786
13.
Philosophie
2 223
1 679
1 211
14.
Sprachkunde
1 917
1 676
1 435
15.
Mathematik
1 788
1 579
1 196
16.
Theologie
1 504
1 329
794
zusammen
795 362
693 078
339 242
Von den verliehenen Bänden
sielen in
das Gebiet
der Unter
Haltungslitteratur (Abtheilung 1—4) 672 189 und in das Gebiet der
populärwissenschaftlichen Litteratur (Abtheilung 5—10) 123 173 Bände.
Es wurden also 84,6 v. H. Unterhaltungs- und 15,i v. H. wissen
schaftliche Litteratur gelesen (1899 85,8 und 14,2 v. H.). Das Ver
hältniß steigt aber bedeutend zu Gunsten der wissenschaftlichen Litteratur,
wen» man berücksichtigt, daß nach der Anordnung unsrer Bücher
verzeichnisse die Werke der Klassiker, die encyklopädischen Werke, die
Biographien der Dichter, die Werke über Litteraturgeschichte und die
vielen wissenschaftliche» Zeitschriften mit zur Unterhaltnngslitteratnr
gezählt werden. Wir haben schon in unsrer vorigjährigeu Festschrift
bemerkt, wie wir guten Grund haben, anzunehmen, daß wenigstens ein
Drittel aller gelesenen Bücher unter die Bildungs- und nicht unter
die Unterhaltnngslitteratur zu rechnen ist. Im letzten Jahre ist es
damit noch bester geworden, und unsere Bemühungen sind überhaupt
darauf gerichtet, daß das Hauptgewicht immer mehr auf die Lektüre
populärwissenschaftlicher Werke falle.