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Nr. 40. Kanalisationswerke und Rieselfelder.
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1 000 Theilen Wasser der Ackererde. Allerdings ist bei dieser Be
trachtung die Menge des Kochsalzes, welche in Feldfrüchten aus
geführt wird, nicht mit berücksichtigt.
Wie erklärt es sich nun, daß so außerordentlich viel weniger
Salz in Wirklichkeit in der Erde vorhanden ist. Dies kann nur da
durch gekommen sein, daß das ausströmende Grundwasser aus das
Wasser in den oberen Ackerschichten einerseits stark verdünnend gewirkt
hat, andererseits die Tagewässer in den Grundwasserstrom über
gegangen sind. Die Wirkung des Grundwassers in dieser Beziehung
niuß eine außerordentlich energische sein, anders könnte eine so hohe
Verdünnung nicht erzielt worden sein. In der That steht fest, daß
Salze, in unserem Falle also Kochsalz, den sog. osmotischen Druck
in Flüssigkeiten außerordentlich erhöhen. Salzlösung bewirkt, wenn
sie über reines Wasser strömt, nach den, Gesetz vom osmotischen Druck,
daß das reine Wasser mit einer gewissen Kraft in die Salzlösung
strömt, sodaß diese, wenn eine durchlässige Scheidewand vorhanden
ist, bedeutend mehr Wasser aufnimmt, als umgekehrt das Wasser von
der Salzlösung. Es wird also durch den Kochsalzgehalt der Riesel
wässer zweifellos das Ausströmen des Grundwassers in den Riesel
feldern beschleunigt, eine Wirkung, welche vermuthlich unter den
abnornien Wirthschaftsverhältnissen der Rieselgüter nicht als schädlich,
sondern vielniehr als segensreich betrachtet werden muß. Denn ebenso
wie der Kochsalzgehalt wird dadurch auch der Gehalt an den übrigen
Pslanzennährstoffen verringert und damit die wohlthätige Wirkung
erzielt, daß die üblen Folgen des in der Einleitung gekennzeichneten
Nährstoffüberschufles, welcher in den städtischen Spüljauchen zugeführt
wird, gemildert werden.
Tr . Schlußbetrachtung.
Aus den geschilderten Untersuchungen ergiebt sich, daß die in der
Verfügung vom 3. Mai d. Js. von der Deputation für die städtischen
Kanalisationswerke und Rieselfelder mir vorgelegten Fragen wie folgt
beantwortet werden müssen:
1. Ob die in den Abwässern der Aktien-Gesellschaft für Anilin-
Fabrikation au der Treptower Brücke enthaltenen Kochsalzmengen
nachtheilige Einflüsse auf den Boden ausüben?
Es hat sich in keinem einzigen Falle bei den in Osdorf aus
geführten Feldversuchen eine Schädigung des Bodens sowie der darauf
geernteten Feldfrüchte durch das Kochsalz beweisen lasten, und zwar
ist eine solche Schädigung nicht vorhanden sowohl bei Feldern, welche
in früheren Jahren stark mit den Abwässern der Anilinfabrik berieselt
wurden, als bei solchen, welche im lausenden Jahre berieselt wurden.
Die auf den gedachten Flächen geernteten Feldfrüchte zeigen bezüglich
ihres Kochsalzgehaltes normale Beschaffenheit.
2. Welche Höchstmengen von Kochsalz fernerhin in den Effluvien
der Fabrik unbeschadet der Vegetation in die städtische Leitung geführt
werden können?
Aus der Beantwortung der Frage 1 ergiebt sich, daß die zu
lässigen höchsten Kochsalzmengen in der städtischen Leitung zur Zeit
keineswegs erreicht sind. Jnwieweii der Kochsalzgehalt der Spül-
jaucheu weiterhin erhöht werden darf, ohne daß Schädigungen der
Rieselgmer eintreten, läßt sich von vornherein nicht genau feststellen.
Es erscheint aber unbedenklich, eine mäßige Erhöhung dieses Kochsalz
gehaltes, etwa um weitere 20 Theile auf IM 0M Theile Wasser, ein
treten zu lassen. Da augenblicklich eine Zunahme des natürlichen
Kochsalzgehaltes der Spüljauchen um etwa 20 Theile zufolge des
Einflusses der Anilinabwässer statt hat, und die letzteren zur Zeit pro
Stunde 35—40 obm ausmachen, so halte ich künftighin also 70—80 odm
Anilinabwässer von der gleichen Zusammensetzung wie bisher pro
Stunde für zulässig. Im Falle einer derartigen Vermehrung der
Anilinabwäffer wird es aber zweckmäßig sein, »ach einiger Zeit noch
mals Beobachtungen nach der Art der vorbeschriebenen anzustellen,
um sicher zu gehen, daß nicht Schädigungen eintreten. Es läßt sich
annehmen, daß, sofern diese stattfinden, sie zunächst immer nur vor
übergehender und nicht dauernder Natur sein iverden, da nachgewiesen
ist, daß das Kochsalz nicht längere Zeit in der Ackererde verbleibt,
sonder» alsbald zu dem bei Weitem größten Theile in das Grund
wasser übergeht. Die Anregung des Grundwasteraustausches durch
den Kochsalzgehalt der Rieselfelder wirkt vermuthlich eher vortheilhaft
als nachtbeilig auf den Kulturzustand derselben, da dadurch die Ent-
fernung der in großem Ueberschuß zugefühnen Pflanzennäbrstoffe
beschleunigt wird.
Berlin, den 1. Dezember 1890.
gez. Prof. Dr. A. Herzfeld.