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8. Stiftung des Rentiers Bergemann.
Diese Stiftung, deren Kapital 1010 Thlr. 5 Sgr. 10 Pf. beträgt,
hat den Zweck, von den jährlichen Zinsen einem im Waisenhause erzogenen
und sich vorzüglich gut geführten Kinde ein Stipendium zu verleihen, welches
bei dessen Etablirung oder Verheirathung; wenn bis oahin über dasselbe
nichts Nachtheiliges bekannt geworden ist, ausgezahlt werden soll..
Zinsenbestand ult. December 1867 25 Thlr. — Sgr. 10 Pf.
Einnahme im Jahre 1868 . . . 45 - 10 - — -
Summa 70 Thlr. 10 Sgr. 10 Pf.
Diese Summe ist ult. December 1868 als Bestand verblieben, da das
im Jahre 1868 fällig gewesene Stipendium erst in diesem Jahre vergeben
ist und eine weitere Ausgabe pro 1868 nicht stattgefunden hat.
9. Die Carls-Stiftung.
(Stiftung des Kaufmann Carl Gottlieb Sauer.)
Die Zinsen des gegenwärtig 1003 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. betragenden
Capitals sollen bestimmungsmäßig zum besseren Fortkommen eingesegneter,
hülfsbedürftiger Waisenkinder verwendet werden.
Zinsenbestand ult. December 1867 . . 14 Thlr. 5 Sgr. 3 Pf.
Einnahme im Jahre 1868 45 - 3 - — -
Summa 59 Thlr 8 Sgr. 3 Pf.
Ausgabe im Jahre 1868 . . . . . 51 - 27 - 6 -
Bestand ult. December 1868 . ^ ' ! 7 Thlr. 10 Sgr. 9 Pf.
10. Der Weihnachts-Fonds.
Derselbe ist zur Beschaffung von Weihnachtsgeschenken für die Kinder
des Waisenhauses bestimmt und hat eine Gesauimt-Einnahme aus verschie
denen Vermächtnissen und Zuwendungen von ca. 410 Thlrn. jährlich.
Bestand ultimo December 1867 . . 22 Thlr. 4 Sgr. 11 Pf.
Einnahme im Jahre 1868, incl. einer
von den Communalbehörden extraordinair
bewilligten Summe von 250 Thlrn. . . 456 - 25 - 6 -
Summa 479 Thlr. — Sgr. 5 Pf.
Ausgabe im Jahre 1868 .... 479 - — - 5
Die Ausgabe balancirt demnach mit der Einnahme.
Neu hinzugekommen ist im Jahre 1868:
11. Die M. R. Fränckel'sche Stiftung.
Die Zinsen dieser, von dem im November 1866 zu Nizza in Frank
reich verstorbenen Kaufmann M. R. Fränckel mit 500 Thlrn. gegründe
ten Stiftung, deren Capital zur Zeit 521 Thlr. 16 Sgr. 6 Pf. beträgt,
sind zur besseren Ausbildung, resp. zum besseren Fortkommen der in der
Pflege des Waisenhauses befindlichen Kinder bestimmt.
Zinsen-Einnahme im Jahre 1868: 11 Thlr. 21 Sgr. 6 Pf.
Eine Ausgabe hat nicht stattgefunden, so daß ult. December pr. diese
Summe als Bestand verblieb.
Außerdem sind der Verwaltung folgende Legate vermacht worden:
a) von dem verstorbenen Rechnungsrath Reißert 500 Thlr.;
b) von dem am 11. October 1868 verstorbenen Banquier Ja
cob Saling 1000 Thlr.;
c) von dem verstorbenen Banquier Simon 20,000 Thlr.;
6) von der verstorbenen Frau Commerzieu - Räthin Seffing
200 Thlr.;
e) von der verstorbenen Frau Wittwe Casper, geb. v. Halle,
500 Thlr.
Ueber die Zweckbestimmung dieser Legate wird der folgende Jahresbe
richt das Nähere mittheilen.
Das Vermögen des Waisenhauses
betrug ult. December 1868: 54,104 Thlr. 16 Sgr. 11 Pf. Im Laufe
des Vorjahres hat weder ein Zu- noch Abgang stattgefunden.
Die Einnahme betrug im Jahre 1868, incl. des Königlichen Zu-
schusses von 25,203 Thlrn. 6 Sgr. 8 Pf., 159,656 Thlr. 9 Sgr. 9 Pf.
Die Ausgabe betrug 159,656 - 9 - 9 -
Die Ausgabe balancirt demnach mit der Einnahme.
Von der Ansgabesumme mit . . 159,656 Thlr. 9 Sgr. 9 Pf.
gehenanLeibrenten an Bräutigam rc. ab 926 - 25 - 3 »
Es bleiben demnach . . . ' ! 158,729 Thlr. 14 Sgr. 6 Pf.
Hierzu treten die von der Stadt-
Hauptkasse gezahlten Gehälter rc. mit . 13,998 - 26 - 3 -
Summa 172,728 Thlr. 10 Sgr. 9 Pf.
Hiervon sind verausgabt, incl. der allgemeinen Verwaltungskosten:
für die Rummelsburger Waiscnanstalt
63,106 Thlr. 20 Sgr. 10 Pf.
für das Depot 7,032 - 21 - 1 -
für die Kostkinder .... 102,588 - 28 - 10 -
Summa 172,728 Thlr. 10 Sgr. 9 Pf.
Berlin, den 15. Mai 1869.
Verwaltungs-Direction des Großen Friedrichs-Waisenhauses,
gez. Fischer.
0. Das Waisenhaus in Rummelsburg.
I. Frequenz.
Die höchste Zahl der zu ein und derselben Zeit in der Anstalt befind
lich gewesenen Kinder betrug 512
die niedrigste 457
der tägliche Durchschnitt ergiebt eine Frequenz von rund .... 488
Neu ausgenommen in die Anstalt sind 90 Knaben
und 51 Mädchen
zusammen 141 Kinder.
Außerdem wurden wieder aus der Lehre, Kranken-
Anstalten, von Urlaub und früher entlaufen aufgenommen 18
- sind 159 Kinder.
Das durchschnittliche Lebensalter betrug bei den Knaben 10, bei den
Mädchen 11 Jahre.
Abgegangen sind aus der Anstalt:
Knaben .... 89
Mädchen . . . . 49
zusammen 138 Kinder,
davon sind:
als confirmirt entlassen, ... 77 Knaben,
durch die Verwaltung zurückgekommen, 8 -
es verstürben 4
41 Mädchen,
4
4
89 Knaben, 49 Mädchen,
Außer diesen 138 Kindern
schieden noch nach Kranken-Anstalten, auf Urlaub, durch
Entlaufen rc. aus 22 -
von denen indeß ein Theil später wieder Aufnahme fand.
Sind 160 Kinder.
II. Erziehung und Unterricht.
Die früheren Erfahrungen haben sich auch in dem letzten Jahre be
stätigt. Die Art der Waisenkinder, welche der Anstalt überwiesen worden,
ist im Allgemeine» die, daß sie leichter nach der negativen als nach der
positiven Seite hin erziehlich zu behandeln sind. Die pädagogische Aufgabe
besteht hier weniger darin, in der Jugend die wuchernde Kraft zu zügeln
und in die rechten Bahnen zu lenken, den trotzigen Willen zu beherrschen
und zu beugen, das Bösartige zu bekämpfen, als vielmehr darin, in den
jungen Seelen das Verkommene zu beleben, das Ermattete zu stärken, das
Verwirrte zu ordnen, das Zerfahrene zur Sammlung, überhaupt die Kräfte
zur Spannung zu bringen.
Die Verhältnisse, aus denen die Zöglinge kommen, scheinen in erster
Linie derartig zu sein, daß sie eine entnervende, abspannende, auflösende
Wirkung auf das jugendliche Gemüth ausüben, was sich auch oft schon in
der ganzen physischen Erscheinung der neu eintretenden Kinder ausdrückt.
Eine allmälige Verschlechterung der Generation in diesem Betracht ist
unverkennbar und in den letzten Jahren besonders auffallend geworden, sei
es nun, daß die Berliner Bevölkerung der niederen Schichten überhaupt im
raschen Sinken begriffen ist, sei es, daß blos das der Anstalt zugehende
Material eine immer stärkere Sichtung erfährt; vielleicht trifft beides zusam
men.
Jedenfalls ist die Aufgabe der Anstalt, die ihr übergebenen Waisen
kinder bis zu ihrem vollendeten 14., resp. 15. Lebensjahre soweit zu erzie
hen und heranzubilden, daß sie als Handwerslehrlingc, resp. als Dienst
mädchen ganz selbstständig und ohne weitere Beihülfe ihr Fortkommen finden,
immer schwieriger geworden.
Zahlreich sind diejenigen Exemplare, welche nur mit Mühe die noth
wendige physische Grundlage gewinnen zu der persönlichen Tüchtigkeit und
Leistungsfähigkeit, die den Anforderungen des Lebens entspricht; zahlreich
diejenigen, deren intcllectuelle Kräfte kaum so weit reichen, daß sie als
vollsinnig zu bezeichnen sind; zahlreich diejenigen, welche thatsächlich nicht
einmal eine menschliche Gewöhnung mitbringen, geschweige denn ein Be
wußtsein davon, daß der Mensch auch eine sittliche Verpflichtung hat; zahl
reich diejenigen, deren moralische Entwickelung schon einen Bruch erfahren
hat, welche notorisch entartet sind; zahlreich endlich solche, welche durch or
ganische Fehler an der erwünschten Entfaltung der Individualität verhin
dert sind.
Dennoch kann über Mangel an Erfolgen in der Anstalt nicht geklagt
werden. Die an den entlassenen Zöglingen gemachten Erfahrungen sind
keineswegs abschreckend. Die Anstalt kann sich sogar ohne Selbstüberhebung
anheischig machen, jedes Individuum, bei welchem nicht die unentbehrlichen
Voraussetzungen überhaupt fehlen, so ausgerüstet hinzustellen, daß es jeder
billigen, dem Lebensalter entsprechenden Anforderung genügt. Bei günsti
geren Vorbedingungen würde solches mit Evidenz sich herausstellen.
Die häufig gehörte Behauptung, daß die Anstaltszöglinge, namentlich
die Mädchen, zwar gut geschult, aber für das Leben nicht vorbereitet würden,
so daß sie nach ihrer Entlassung den Verhältnissen, in welche sie eintreten,
rathlos und unbeholfen gegenüber ständen, kein Verständniß für dieselben
mitbrächten, daher von vorn herein an ihrer Aufgabe und deren Lösung
verzweifelten, in eine Abneigung gegen alle nützliche Thätigkeit verfielen
und ein Spielball aller verderblichen Mächte würden; diese Behauptung