-riedermurr?
Unparteiische Zeitung siir kommunale und bürgerliche
Angelegenheiten.
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Rheinstr. 15, 1,95 Ai. vierteljährlich; durch
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Organ für Ken Kriedenauer Ortsteil non Zchöneberg und
Zerirksnerein Ziid-West.
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Ar 44.
Alcrlin-Iriedeimu, Mittwoch, den 21. Ileöruar 1917.
24, Iayrg.
Amerika und der A-Aoot-Krieg
New Nork. Der Kong res; 'ist sehr gcreiltcr Meinung
über die Frage der Ausfertigung von Kriegs- und Schutz-
vollmachten für den Präsidenten. Wilson furchtet ausge
dehnte Debatten, solange “die Verletzung amerikanischer
Rechte nicht klar zu Tage tritt.
Bern. „Journal du Peuple" teilt mit, Gcrard habe
an die Presse ein förmliches Dementi gelangen lassen:
Er hübe niemals Pariser Journalisten Unterredungen
gewahrt. Der Rest der Meldung “ist von der Zensur ge
strichen.
Rotterdam. Daily News meldet aus New ?)ork:
Gestern brachen in zwei Polksviertcln ernstliche Kra
walle wegen der Preissteigerung von Lebensmitteln, na
mentlich von Kartoffeln, aus. Die Knappheit der Lebcns-
mittel sei verursacht — so fügt der englische Korrespon
dent hinzll — durch die deutsche Blockade, welche die j
Schiffe in den Häfen festhalte und den Eisenbahnverkehr
störe, so das; keine genügende Anfuhr von Lebensmitteln
nach New 2)ork stattfinden könne, Auch die Srädie an
der atlantischen Küste seien von Hungersnot bedroht. Die
Polizei von New 4)ork mußte zahlreiche Verhaftungen
vornehmen.
Bern. Laut „Journal des Döbats" hat in den
Kriegswerkstätten von Verpclliere (Departement Pserei
eine Explosion stattgefunden: fünf Arbeiter sind schwer
verletzt worden. In einer Pulverfabrik in Tevcran Livr»
hat gleichfalls eine Explosion stattgefunden; ein Arbeiter
ist getötet, fünf sind schwer verletzt worden.
Kohlenmangel und Z-Ntra!horrima
Die Kohlennot hat in den Städten vielfach dazu ge
führt, daß die Zentralheizungen tagelang gar nicht oder
nur in ganz ungenügender Weise in Betrieb gehalten
werden. Was kann der Mieter einer “Wohnung, die ver
traglich durch Zentralheizung erwärmt werden soll, dem
gegenüber unternehmen? Diese Rechtsfrage dürfte augen
blicklich nicht nur für die Mieter, sondern auch für die
Hauswirte von Bedeutung sein.
Wie bei den meisten Mietsstreitigkeiten, so wird man
sich auch hier zunächst den Mietsvertrag anzusehen haben-
In ihm ist oft genau bestimmt, welche Lnstwärme die ver
mieteten Räume haben sollen. Fohlt eine solche Angabe,
dann entscheidet die Perkchrssitte über den Wärmegrad,
der erreicht werden muß. Nach einem kammergerichtlichen
Urteil vom '28. Januar '1910 gilt eine durchschnittliche
Wärme von 15 Grad Rcaumur als vertragsmäßig. Es
genügt aber nicht, wenn sie erst im Laufe des Nachmittags
eintritt, sic muß, wenigstens für die Wohn- und Arbeits
zimmer, von früh 7G Uhr bis etwa Mitternacht vor
handen sein.
—iiim-ni uw rin ,»«»>-»«>»,->ll
Wird also die erforderliche Wärme jetzt nicht beschafft,
dann muß der Mieter wieder in erster Linie seinem Miecs-
vertrage entnehmen, ob er überhaupt Rechte geltend
machen kann. Das Bersagen der Heizung, mag es be
ruhen worauf cs wolle, ist sicherlich ein Mangel der Woh
nung. Zuweilen einhalten nun die Beiträge den Vorbe
halt, daß der Mieter wegen Mängel weder kündigen noch
Ersatz verlangen, noch den Mieiszins kürzen darf. Eine
solche Abrede erstreckt sich aber nach Treu und Glauben
im Bcrtchr nicht auf Mängel, die den Gebrauch der Miet
sache völlig aufheben.
'Bleiben die Temperaturen dauernd so niedrig, daß
die Kälie in den Räumen unerträglich wird, dann wird
man eine Unmöglichkeit des Verbrauchs anzunehmen haben.
In solchem Falle kann sich der Vermieter aus die Bestim
mungen des Mietsvertrages nicht mehr berufen, und der
Mieter hat alle Rechte, die er ohne Vertrag gcltendmachen
tonnte.
Fehlen vertraglich? Vorschriften, dann kann der
Mieter folgendes verlangen:
1. Er kann beanspruchen und dgrauf klagen, daß ord
nungsmäßig geheizt wird. Der Hauswirt kaun aber
demgegenüber einwenden, daß ihm die Heizung unmög
lich ist. Eine solche Unmöglichkeit ist nach den Grund
sätzen des Reichsgerichts schon dann gegeben, wenn die
Bejchassnng von Kohlen 'so schwierig ist, daß sie dem
, Vermieter nicht zugemutet werden kann. Diese Sach
lage wird aber inner de» gegenwärtigen Verhältnissen
oft gegeben sein. Der Kohlenlieferaut läßt den Ver
mieter im Stich, weil ihm selbst nicht ausreichend ge-
lieseri würd, bei anderen Händlern ist nichts zu erlangen.
Der Mieter wird daher mit der Klage auf Heizung
selten Erfolg haben.
2. Der Mieter hak das Recht, dieM irr.; mtf.V'Y&ftYi’' .W
c'i Mi iiiutl lUllJ ,V* * 1 11 i ,) v ls* .>J ll l Ijt ll uUlll Uli
Vermieter nicht die Unmöglichkeit der Kohlenbefchasfung
ins Felo führen. Wie welr die Minderung des Miets-
.'.inscs gehen kann, wird sich ganz nach dem Umständen
des einzelnen Falles richten. Wo die Räume überhaupt
nicht mehr znm Wohnen benutzt werden können, da
wird die Miele für die Zeit, in der nicht geheizt wird,
überhaupt wegfallen.
Z. Der Mieter kann kündigen, ohne eine Kündignngs-
frist einzuhalten. Vorher muß er'dein Hauswirt eine
angemessene Frist zur Abhilfe setzen. 'Die Aufsordernng.
„unverzüglich" zu heizen oder „sofort" die nötige Er-
' wärmung herzustellen, genügt nicht. Es muß eine be
stimmte Frist angegeben weiden, z. B. eine Woche. Nur
dann ist die Frist entbehrlich, wenn vorauszusehen ist,
daß der Vermieter den Mangel nicht beseitigen kann
oder will. Da es cß er immerhin in der Regel möglich
ist, daß der Hauswirt noch Kohlen erhält, so dürfte es
sich nicht empfehlen, oune Frist zu kündigen. Auch
hiergegen kann der H;,:. van nicht einwenden, daß
ihm höhere Gewalt den Betrieb oer Heizung verwehre.
nur unerheblich beeinträchtigt wird. In einem Falle,
in dem die Heizung eine ganze Woche hindurch die
Zimmer so ungenügend erwärmte, daß die Bewohner
froren und in ihrem Wohlbefinden sehr gestört waren,
“'hat das Reichsgericht eine eichebliche Beeinträchtigung
angenommen. — 'Dlnsiiahnisweise gestattet eine uner
hebliche Beeinträchtigung die Kündigung, wenn der
Mieter rin besonderes Interesse an der alsbaldigen
Beendigung der Miete hat. Er ist z. B. infolge einer
Krankheit besonders kälteempfindlich. Dann kann er
schon kündigen, wenn die vertragsmäßige Wärme auch
nur um ein Geringes nicht erzielt loird. (Reichsgerichtl.
Enisch. Bd. 7-st S. 87>0.1
4. Der Mieter kann außer diesen Ansprüchen auch
schaden ersah geltend machen, dies aber nur,
treiin er dem Vermieter ein Verschulden nachzu-
wencn vermag. Wie schon oben zu 1. ausgeführt,
bürste das in der Regel nicht angehen, denn hier kann
sich der Hauswirt aus die llninöglichkeit der Kohlen-
b e sch äffn n g stützen. Immerhin würden die Gerichte
nncerinchen, ob der Vermieter als ordentlicher Haus
wirt für die tal:e Jahreszeit Vorsorge getroffen hat,
ob er Vorräte ansammeln mußte und konnte u. dgl.
Trifft den Hauswirt aber ein solches Verschulden, dann
muß er allen Schaden tragen, der dem Mieter etwa
durch den Umzug, durch eine angemessene andere Woh
nung, die lenrer iß, durch zeitweiliges Unterkommen im
Gasthaus usw. erwächst.
Dies ist die iw. jüngsten Heft der für jeden Staats
bürger wichtigen Halbmonatsschrift „Gesetz und Recht"
(Berlin-Lichierfelde- mitneteilte Rechtslage, wie “sie die
Kohlenknappheit für H % irt und Mieter schafft. In
der..äeg.enßWr)igejj, iclivißiÄi, Kell.,wird, nup.r
punki" zu stellen. Wie zwischen allen Ständen, so muß
auch zwischen Vermieter und Mieter der Geist beiderseitiger
Rücksichiuahme walten. ES dient znm Wohle des Ganzen,
! wenn beide Teile sich entgegenkommen und es vermeiden,
daß die Zentralheizung Kraft und Zeit der Gerichte in
Anspruch nimmt.
OnsriaArickten.
(Nachdruck unsrer o-Ociginalartikel nur mitQuellenangabe gestattet)
v Eharaktcrvcrleihung. Den hier wohnenden Aerzten
Dr. Albert Fleck und Siegfried Laserstein ist der
Eharakcer als Sanitätsrat verliehen worden.
0 Die Paketbcstellung durch die Post ist bekanntlich
bis auf weiteres eingestellt. Unsern Einwohnern gehen
nur noch die Pnketadressen zn, die Pakete müssen sie sich
dann selbst vom Schöneberger Paketpostamt abholen. Nun
kommt es vor, daß die Paketadrefse» viel früher ein-
tressen als die Pakete. Unsere Einwohner müssen wieder-
holl vergeblich den. Weg znm Schöneberger Postam't an-
Gundula.
Roman von A. von T r y st e d t.
6j lNachdruck verboten.) 1
Erwin hatte von' seinen Eltern ein reizendes Jiegen-
gespann bekommen und einen zweisitzigen Wagen, der
zehnjährige Sohn des slutfchers versah die Dienste eines
Groom.
> An einem Nachmittag im September kam der Bankier
früher als sonst nach Hause.
Die Lust ging weich und lind, und ein Duft von ver
gehenden Blumen wehte durch den Park.
Eicke betrat die Veranda. Der Tisch war gedeckt, und
verschiedene Erfrischungen standen bereit. Bon Klara und
den Kindern war nichts zu sehen, aber im Nähkorb lag
noch die angefangene Stickerei, an der die junge Frau
arbeitete; sie fertigte für die kleine Vera selbst ein
Kleidchen an.
Ein tiefes, wundersames Gtücksgcsühl durchströmte den
Mann. Diese Ruhe, dieser Frieden — wie oft hatte er
sich früher in bitterer Qual danach gesehnt, wo Aufruhr
und Zwietracht hier an der Tagesordnung gewesen waren.
Es war ja auch an einem Septembertage der Bruch
zwischen ihm und Eugenie erfolgt. Oh, wie hatte er
damals gelitten, alles aufgeboten, um die pflichtvergessene
Frau, die Mutter der ahnungslosen Kinder an sein Haus
zu fesseln. Aber er hätte ihr ja wer weiß was versprechen
können, sie wäre doch gegangen. Das Interesse für Mann
und Kinder war erloschen und ihr Herz ja leider nie be
teiligt gewesen.
Eicke schüttelte sich, gewaltsam die Qual von sich ab
wehrend, welche durch die peinvollen Erinnerungen herauf
beschworen wurde.
Wozu sich mit Vergangenem, Unabänderlichem plagen,
die Gegenwart war ja so schön.
Rasch ging er in den Garten hinunter, und bei der
nächsten Wegbiegung sah er das weiß? Kleid seiner jungen
Frau herüberjchimmern. Er folgte ihr geräuschlos, um sie
zu überraschen..
Sie hatte Vera an der Hand und am Arm trug sie
ein Körbchen mit Obst. Aus eicliger Entfernung Hörle
man Erwins Stimme, der mit seinem Ziegengespanii
durch den Park fuhr.
Jedesmal, wenn die Peitsche knallte, riß Vera sich los
und klatschte jubelnd in die Hände. Sie lieble den alteren
Bruder abgöttisch, und alles, was er tat, cißstiäw sie,
ahmte sie nach.
Diese blinde Geschwisterliebe erfüllte Klara oft mit Be
sorgnis, denn Erwin war ein eigenwilliger, trotziger Junge,
der im Jähzorn zuschlug, und dem cs gleich war, wohin
er traf.
Wenn die kleine Dera mit dieser Zuneigung für Erwin
heranwuchs, halte sie später sicher viel durch ihn zu leide».
Da war es vielleicht am besten, den verzogene», zu Gc-
waltsamkeilen neigenden Jungen in eine Pension zu
schicken, wo er sireng nach pädagogischen Grundsätzen er
zogen wurde.
Denn Vera ließ sich geduldig von dem Bruder schlagen
und kratzen, und e st, wenn er von ihr abließ, pflegte sie
leise und Uägtich in sich hineinznweinen.
Einstweilen beschränkte die junge Frau sich daran-, dir
Geschwister zu beobachten und durch freundliche Beispiele
auf sie einzuwirten.
Sie hatte der kleinen Vera über jedes Ohr ein doppeltes
Kirschenpärchen gehängt, und die Kleine bewegte mutwillig
das Köpfcheß, und wen» sie dann die kühlen Früchte an
ihrer Wange sühne, so lachte sie jedes!)ell auf.
Eicke sah, daß Erwin mit seinem Ziegengespann heran
getrabt kam. Klara rief ihm zu, er möge halten, trat dann
an den Wagen heran und schmückte auch des Jungen
! Ohren mit den dunklen, prallen Kirschen, deren vier Stiele
zusammengewachsen waren.
Einen Moment war Erwin verdutzt, dann aber riß er
f mit einer ungebärdigen Bewegung die Früchte ab und
- warf sie zu Boden. Seine dunklen, prachtvollen Angen
sahen zornfunkelnd in -'üsem Trotz zu der Mama auf, die
unwillkürlich erschreckt ein >mir Schritte zurückgewichen war.
In demselben Manien: ak.r h..b?n zwei starke Arme
den ungezogenen Jungen vom Wagen. Und nun bekam
Erwin de» leichien, schwaiiten Spazierstock seines Vaters
ganz gehörig zu fühlen.
„Warle, du Schlingel, ich werde dich lehren, artig
gegen deine Mama zu sein!" rief Eicke in heftigem Zorn,
„sofort bittest du ab und küßt der Mama die Hand, und
, dann marsch mit dir ins Klaus! Du gehst ohne Abendbrot
1 zu Bett, und sobald du dich wieder flegelhaft beträgst, ..."
er hob mit einer bezeichnenden Bewegung den Stock, und
■ unter diesem Zwange tat Erwin, wie ihm geboten, er
stammelte eine Abbitte, trotzdem sich alles in ihm dagegen
' aufbäumte.
Auf das Geschrei der Kinder, — denn Vera schrie mit,
; als stecke sie am Spieß —, mar der Gärtner herbeigeeilt,
: in dem Glauben, daß den Kindern ein Unfall passiert sei.
Als er aber sah, was da vorging, pfiff er leise zwischen
den Zähnen und zog sich geräuschlos zurück.
„Die Tracht hat dir längst gefehlt, mein Bürschchen,"
nnirmelte er, „nur öfter so, dann taun doch noch etwas
anderes aus dir werden, als ein Tunichtgut."
Klara stand bleich und erregt da. Sie hätte den
Jungen um liebsten au ihr Herz gezogen, aber die Klug
heit verbot es.
I „Du hättest ihn nicht schlagen sollen," sagte sie später
j vorwurfsvoll zu ihren) Manne, „das arme Kind war ganz
ausgelöst in Schmerz und Jammer."
i „Oho!" entgegnete Eicke gelassen, „willst du .das arme
Kind-, welches -dir deine Kirschen am liebsten ins Gesicht
j geworfen hätte, auch noch verteidigen? Ich sage dir, ein
. Schlag zur rechten Zeit ist mehr wert, als all deine guten
j Beispiele cs sind. Erwin wird sich die Strafe besser merken.
! als wenn ;*.) ihm einen eindringlichen Vortrag darüber
; gehalten hätt?, daß cs seine Pflicht ist, der Mama gegen-
1 über bescheiden zu sein."
„Du magst ja recht haben," gab Klara nachdenklich zu,
„aber erreichen iriifc du hier auch durch Schläge nichts.
- Es ist das von der Matter ererbte, ung-ezügeite Tempera-
mcnt. was dem In »gen za schaffen macht und ibn be
herrscht. Mag ec auch den besten Willen haben, cs wird
ihm nicht möglich sKn, gegen eine solch: Veranlagung
anzukämv en."