Nr. 9. 1910.
Anzeiger für Architektur, Kunsthandwerk und Bau-Industrie.
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Kunstgeschichte geschrieben und geredet und
dabei so wenig wirkliche Kunst geschaffen
worden, als in dem erwähnten Zeitalter. Es
war eben durchaus kritisch und gar nicht
schöpferisch veranlagt. Es war das Zeitalter
der Museen und der Stilwiederholungen, der
mathematischen Genauigkeit und der Sym
metrie. Was besonders im Hinblick auf die
Genauigkeit und Symmetrie damals geleistet
worden ist, davon geben ja heute fast alle
Großstädte ein treffendes, aber wenig er
freuliches Zeugnis, denn die zu jener Zeit
angestrebte Einheitlichkeit im Gesamtbilde
der Straßenzeilen war doch im Grunde ge
nommen nichts als eine Gleichmacherei, die
mit dem Wesen der Kunst gar nichts zu tun
hatte. Erst jetzt ist es uns wieder zur Erkennt
nis gekommen, welche Bedeutung das Künst
lerische auch im Städtebau einzunehmen be
rechtigt ist. Der letzthin in Berlin stattgehabte
Wettbewerb für den Ausbau von Groß-Berlin
und die daran anschliessende Städtebau Aus
stellung legten beredtes Zeugnis ab von dem
Interesse, das nicht nur in Fachkreisen, son
dern auch in weiteren Kreisen für die Ziele des
Städtebaues herrscht.
Dass man dieser Forderung der Zeit auch
in Leipzig Rechnung zu tragen bemüht ist,
geht daraus hervor, dass im städtischen Bau
amt neuerdings eine Stellung vorgesehen ist,
deren Vertreter nur darüber zu wachen hat,
dass bei Um- oder Neubauten im alten Stadt
teil, die eigentümliche Erscheinung des Stadt
bildes gewahrt bleibt. Ferner sollen von dieser
Stelle aus Vorschläge gemacht werden für die
bauliche Ausgestaltung neuerstehender Stadt
teile. Mag eine derartige Einrichtung auch mit
nicht zu verkennenden Schwierigkeiten ver
bunden sein, so ist doch zweifellos mit ihr die
Möglichkeit geboten, in den Bebauungsplänen
nicht nur nach Kützlichkeitsgrundsätzen zu
verfahren, sondern auch künstlerischen For
derungen Rechnung tragen zu können.
Die Wandlung, die Leipzig in den letzten
Jahrzehnten erfahren hat, ist von großer
Bedeutung für das gesamte Stadtbild geworden,- namentlich die Ent
wicklung des Süd- und Westviertels hat der Stadt wesentliche
Verschönerungen gebracht. Dabei muss noch der Verschönerungen ge
dacht werden, die durch die einzigartige Ausgestaltung der städtischen
gärtnerischen Anlagen, wie sie sich besonders auf dem Promenaden- Ring
entfalten, erreicht worden sind. Bewundernswert ist, wie die Anlagen
mit den Bauwerken, Denkmälern, Brunnen und Bildwerken in Einklang
gebracht sind, und welche künstlerische Wirkung in der Rhythmik der
Linien und im Zusammenklang der Farbengegensätze bei den blühenden
Gewächsen erreicht worden ist.
Mit der Vollendung des Völkerschlacht-National-Denkmals und des
Zentralbahnhofs im Jahre 1913 ist auf dem Gelände, das sich in der Nähe
jenes Denkmals befindet, eine Industrie- und Kunstausstellung geplant.
Die Veranstaltung der Kunstausstellung liegt in Händen des Deutschen
Künstlerhundes. Für die Verwirklichung dieses Ausstellungsunter
nehmens ist die Errichtung einer ständigen Ausstellungshalle in Aussicht
genommen. Ernst Kiesling.
Neues auf dem Gebiete der Bautechnik.
„Turul“-T emperaturregler. Ein großer Nachteil vieler
Sapimelheizungsanlagen ist der, dass sie nicht vermögen, die Wärme eines
Raumes stetig auf einer gewünschten Höhe zu erhalten. Nichts jedoch ist
für das Wohlbefinden des menschlichen Körpers von ungünstigerem Ein
fluss als fortwährende Wärmeschwankungen der ihn umgebenden Luft,
und gerade dieser Umstand veranlasst viele Baumeister, auf den alten
Kachelofen zurückzugreifen. Um jenen Übelstand zu beseitigen, sind
sog. Temperaturregler gebaut worden, die zur selbsttätigen Regelung des
Heizkörperventils dienen. Sie halten es so lange offen, bis die gewünschte
Wärmehöhe erreicht wird. Mit dem Eintritt schliessen sie das Ventil so
weit ab, dass die vorgesehene Raumwärme vollkommen gleichmäßig
erhalten bleibt, aber nicht überschritten werden kann. Einen sehr
empfindlichen derartigen Apparat hat die Firma Metallwerke
Bruno Schramm Ilversgehofen- Erfurt konstruiert.
Er ist in beistehenden Abbildungen dargestellt. Abb. i zeigt den Ther
mostat, und Fig. 2 das Ventil im Schnitt. Das Rohr b verbindet die
Einstellkapsel cd mit den Rohrspiralen a, und das Rohr e führt von diesen
zur Ventilkapsel fg. Letztere wird durch die feste Platte f und die
dünne kupferne Membranplatte g gebildet. Die Einstellkapsel, das Rohr b,
die Rohrspirale und das Rohr e bis nahe der Ventilkapsel sind mit Äther
gefüllt. Die Ventilkapsel und das in diese eingelötete Ende des Rohres e
wird durch den Dampf, der das Ventil durchströmt, erhitzt. Die Einstell
kapsel wird durch den festen Boden c und die Membranplatte d gebildet.
Letztere wird durch die Feder r und den Drücker q ausgebogen. Durch
Drehen des Griffes i kann mittels des Drückers 1 die Membranplatte
Das neue Sparkassengebäude in Elberfeld.
2. Blick in das Sitzungszimmer des Vorstandes.
Architekt; Lothar Schoenfelder.
(s. Tafel S8—90.)
wieder zurückgedrängt werden. Durch mehr oder weniger starkes Ein
drücken der Membranplatte d kann der Äther im Rohre e der Ventilkapsel
genähert oder entfernt werden. Gelangt der Äther in das heisse Ende des
Rohres, so verdampft er sofort, und der so entstandene Ätherdampf biegt
die Membranplatte aus. Da diese aber hierbei den ihr vorgelagerten^Ven
tilteller auf seinen Sitz drückt, schliesst sich das Ventil. Wird der Äther
zurückgezogen, so folgt ihm der Ätherdampf, gelangt so in einen kühleren
Teil des Rohres, wo er wieder kondensiert. Infolgedessen kann die Feder n
die Membranplatte und den Ventilteller zurückdrücken, wodurch das
Ventil wieder geöffnet wird. Die Kondensierscheibe h dient zur Auf
nahme und Ableitung der Wärme, die beim Kondensieren des Äther
dampfes frei wird, und schafft eine scharfe Grenze zwischen dem er
hitzten und dem kalten Teile des Rohres e. Auf der Einstellscheibe o
sind Wärmepunkte 10—25° vorhanden. Wird der Zeiger auf die gewünschte
Zahl gestellt, so bleibt das Ventil bei dieser Wärme gerade noch offen.