tete“. 1 ) Oder ein späteres Beispiel: Die grundlegende Forderung
der Preisträger im Wettbewerb für den Bebauungsplan von Groß-
Berlin 1910, nämlich die notwendige Schienenverbindung zwischen
Kopfbahnhöfen im Norden und Süden Berlins, blieb unausgeführt,
weil Stadtbaurat Krause und seine ebenso hartnäckigen Kollegen
in der Eisenbahnverwaltung diese täglich dringender werdende
Forderung der Fachleute „als literarischen Staub werteten“. Noch
ein Beispiel, von heute: Obgleich alle Sachverständigen das
Friedrichs-Forum und die Oper Knobelsdorffs zu retten versuchten,
ist die heilloseste Verschandelung dieser historischen Denkmäler
mit sündhaftem Geldaufwande rücksichtslos durch geführt worden.
Warum P Weil ein Oberbaurat die Forderungen der Sachverstän
digen „als literarischen Staub werteteund weil das Sprichwort
meist wahr bleibt: „Wem Gott ein Amt gibt, dem nimmt er auch
den Verstand.“ So muß wohl auch zu Ehren der städtebaulichen
Berliner Tradition die unvermeidliche Forderung, daß die Bau-
Ausstellung 1930 nicht auf einen Fetzen Landes gedrängt werden
soll, der vom Reißbrett Stadtbaurat Wagner’s fiel, selbstverständlich
unerfüllt bleiben, weil der regierende Stadtbaurat sie „nur als
literarischen Staub werten kann“.
Da Wagner so als Stadtbaurat und Preisrichter vielleicht das
ihm überlieferte Heft treu und fest in der Hand zu halten vermag,
muß ich mich der Mühe unterziehen, auf die Gründe näher einzu
gehen, die er für sein „Sträuben“ vorbringt.
1. Stadtbaurat Wagner behauptet, unser Aufruf „entbehre alle
für die Abgabe eines sachverständigen Urteils erforderlichen
Unterlagen und Erläuterungen“. Er weiß nicht, daß diese Un
terlagen zum Teil bereits durch den Wettbewerb von 1923 geliefert
und in „ Wasmuths Monatsheften“ (1926, S. 44—58, 192'], S. 103)
und „Städtebau“ (1926, S. I, 21, 46) von Professor Heiligenthal
ausführlich besprochen wurden, und daß diese Unterlagen sich
zum Teil auch aus einem Studium seines veröffentlichten Preis
richter-Projektes gewonnen werden können. Daß man sich „von
kompetenter Stelle die Informationen einholen“ könne, wie Preis
richter Wagner die Ausgestaltung dem Wettbewerb freigegebenen
Geländes wünscht, wagten wir allerdings nicht vorauszusehen.
2. Ob der Pachtvertrag für die Avus-Schleife im Jahre 1930
oder 1950 abläuft, darf nichts daran ändern, daß bei großzügiger
Planung das Schleifengelände einbezogen werden muß. Da es
sich bei der als Dauerausstellung gedachten Bau-Ausstellung 1930
um eine sehr kostspielige Angelegenheit handelt, mit der Berlin auf
viele Jahre hinaus Ehre ei nie gen soll, kann man sich ja sogar
vorstellen, daß ein geschäftstüchtiger Stadtbaurat die Verlegung
der Avus-Schleife schon etwas vor Ablauf des Pachtvertrages durch
setzt. Das alles ist so selbstverständlich, daß Wagner selbst in
seinem eigenen Preisrichter-Entwürfe (Abb, 3) das Gelände der
Avus-Schleife in die Planung einbezog. Diese selbstverständliche
Freiheit will er seinen nichtbeamteten Kollegen, die sich im Wett
bewerb wie üblich vergebens abmühen sollen, verbieten?
3. Stadtbaurat Wagner erklärt, es sei „von niemand in Erwägung
gezogen worden, neben dem künstlichen Berg (im Südwesten des
Ausstellungsgeländes) ein Vergnügungsviertel zu planen“. Er
scheint selber daran zu zweifeln, daß der Park, den sein Preis
richter-Entwurf neben diesem künstlichen Berge vor schlägt, irgend
jemandem Vergnügen bereiten wird.
4. Dem Stadtbaurat Wagner „ist es völlig unverständlich, wie
eine Verbindung der alten Automobilhallen mit dem eigentlichen
Messegelände zu denken ist“. Wenn Stadtbaurat Wagner die
internationale Ausstellung 1926 in Paris studiert oder nicht ver
gessen hätte, würde er sich erinnern, daß dort in engem Zusammen-
*) Die Einzelheiten und furchtbaren Folgen dieses baurätlichen
Kampfes gegen den gesunden Menschenverstand habe ich Im Auf
träge des Arbeits-Ausschusses der Allgemeinen Stödtebau-Ausstellung
eingehend geschildert. (Vgl. den ersten Band meines Buches „Städte
bau“ 5 Verlag Ernst Wasmuth A.-G., Berlin 1911.)
Abb. 4 / Der Entwurf für das Berliner Messegelände, den der Preis
richter Stadtbaurat Wagner während des (für einen Teil dieses Geländes)
laufenden Wettbewerbs in der ,, Vossichen Zeitung“ veröffentlichen ließ.
Abb. 4 / Der Entwurf, den Wagners Vorgänger, R, Heiligenthal, in
„Städtebau“ (ig2y, S. ny) veröffentlichte, und der die Höhenkurven
(vgl. Abb. 5) un d Profile (vgl. Abb. 6) sehr viel sorgfältiger berück
sichtigt als der Entwurf Wagners. Heiligenthal vermied die breiten
Achsialentwicklungen, die parallel zu den Höhenkurven laufen und
sehr kostspielige Geländebewegungen erfordern oder schiefschultrig wirken.
hange mit den umfangreichen Bauten, die für den Ausstellungs
sommer errichtet wurden, auch sehr umfangreiche Darbietungen
in den alten Hallen des Grand Palais zur Ausstellung kamen.
Selbst wenn in Berlin die vorhandenen „alten Automobil-Hallen“
etwa deswegen „für Ausstellungszwecke in Zukunft kaum noch
in Frage kommen“ (wie Wagner sich ausdrückt), weil gelegentlich
oder laufend Messen darin abgehalten werden sollen, die nicht immer
mit dem Gedanken der Bau-Aus Stellung eng verwandt sind, selbst
dann ist nicht abzusehen, warum sie nicht „mit dem eigent
lichen Messegelände“ verbunden werden müssen, von dem Baurat
Wagner spricht. Oder will er die „alten Automobilhallen“ abreißen?
5. Auf Wagners liebenswürdige Zweifel an meiner Vertrautheit mit
Weltausstellungen kann ich nur antworten durch einen Hinweis
auf meine Veröffentlichung über Amerikanische Weltausstellungen*),
l ) In dem Bande „Amerikanische Architektur und Stadtbaukunst“.
760 Abbildungen, ausgewählt und erläutert von Werner Hegemann.
Verlag Ernst Wasmuth A.-G., 2. Aufl., 1927, S- 71 ff.