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Haushaltungen und Familien
ohne selbständige Vfohnung in den deutschen Großstädten
nacn der ReichsHOhnungszählung vom 15. Mai 1927
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Abb. 3 l Vgl. Text S. ;6
Nach: Wirtschaft und Statistik 1928, Heft 3, Jlerausgegeben vom
Statistischen Reichsamt, Berlin
Während also vor dem Kriege in Großstädten etwa 2% der
Wohnungen mit zwei oder mehr Haushaltungen belegt waren,
finden sich heute in 10% der Wohnungen der Großstädte Haus
haltungen oder Familien ohne eigene Wohnung. Dabei ist noch
zu berücksichtigen, daß der Leerwohnungsbestand vor dem
Kriege durchschnittlich 2 bis 3% betrug, heute aber im Reich
auf 0,4 %, in den Großstädten auf 0,3 % aller Wohnungen
herabgesunken ist.
Sehr aufschlußreich sind die Ergebnisse über die Belegung der
einzelnen Wohnungsgrößen mit Untermietern: In den 51% Klein*
Wohnungen leben 45% der Bevölkerung; in den 42% Mittel
wohnungen 45% und in den 7% Groß Wohnungen 10% der
Bevölkerung. Schon in dieser verhältnismäßig geringen Ver
schiebung kommt zum Ausdruck, daß der größeren Raumzahl
einer Wohnung nur eine verhältnismäßig geringe Zunahme der
Bewohnerzahl entspricht. . .
In den kleinen, ohnehin schon stark besetzten Wohnungen ist
kaum noch Platz für Untermieter vorhanden, immerhin ist selbst
in den Wohnungen mit nur einem Raum jede zwanzigste mit
Untermietern belegt, bei den Wohnungen mit 2 Räumen jede
elfte, mit 3 Räumen bereits jede sechste; von den Wohnungen
mit 4—6 Räumen beherbergt knapp jede vierte noch einen oder
mehrere Untermieter, von den Wohnungen mit 7 und mehr
Räumen jede dritte (Abb.s S.75). An der Aufnahme von
wohnungslosen Haushaltungen oder Familien ist von den Woh
nungen mit 1 Raum jede vierundachtzigste Wohnung beteiligt,
mit 2 Räumen jede achtundzvvanzigste, mit 3 Räumen jede
dreizehnte, mit 4—6 Räumen jede siebente, mit 7—9 Räumen
jede fünfte, mit 10 und mehr Räumen jede vierte. . .
Die verschiedenartige Belegung der Wohnungen kann zunächst
in etwas roher Weise dadurch veranschaulicht werden, daß man
berechnet, wieviel Personen auf eine Wohnung entfallen. Im
Durchschnitt aller Großstädte ergeben sich dabei 3,7 Bewohner
je Wohnung. Die Bewohnerzahl ist naturgemäß in den kleineren
Wohnungen niedriger als in den größeren. Der Unterschied in
der Belegungsdichte läßt sich dabei nur daran ermessen, daß die
Bewohnerzahl nicht im Verhältnis zur Raumzahl steigt. So
leben z. B. in einer Wohnung mit 4—6 Räumen durchschnitt
lich nur etwa doppelt soviel Personen (4,02) wie in einer Wohnung
mit I Raum (1,95), obwohl die Raumzahl der Wohnungen mehr
als das Vierfache beträgt,. .
Am dichtesten ist die Bevölkerung in Wohnungen mit einem
Wohnraum zusammengedrängt, wo durchschnittlich nahezu zwei
Personen mit einem gemeinsamen Raum vorlieb nehmen müssen.
In Wohnungen mit 2 Räumen entfallen auf einen Wohnraum
1 Vi Personen, in Wohnungen mit 3 Räumen 1,2 Personen. Erst
von der Größenklasse der Wohnungen mit 4—6 Räumen ab
trifft im Durchschnitt auf einen Raum nicht mehr als eine Person.
ln den einzelnen Großstädten ergehen sich naturgemäß mehr
oder weniger erhebliche Abweichungen von dem Gesamtbild.
In 22 Großstädten überwiegen die Kleinwohnungen, in den
übrigen 24 Großstädten die Mittel* und Großwohnungen,
Auf hundert bewohnte Wohnungen kommen in den Groß
städten durchschnittlich 10,6 Haushaltungen und Familien ohne
selbständige Wohnung (Abb. 3 auf S.76).
CHRONIK
DAS PROBLEM DER GROSS-GEMEINDE
Wie wir den „Kommunalpolitischen Blättern“ (Heft 3 vom
10. Februar 1928) entnehmen, sind Fragen, wie die von Ver
bandsdirektor Dr. Schmidt in seinem Aufsatz auf Seite 63 f. dieses
Heftes behandelten, jüngst in Mannheim auf einer Tagung des
Vereins für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik Gegenstand
eines Vortrages gewesen } den Ministerialdirektor Dr. von Leyden, der
Leiter der Kommunalabteilung des Preußischen Innenministeriums,
hielt. Aus den Grundgedanken dieses Vortrages sei hervorgehoben:
„Die Großgemcinde als Gebilde eigener Art bedürfe auch
einer Verfassung eigener Art, für die die jetzigen Gemeinde
verfassungsgesetze keine ausreichende Möglichkeit bilden. Worauf
es ankomme, sei;
I. in den städtischen Großgemeinden eine Dekonzentrierung
der Verwaltung, die unbeschadet der notwendigen Einheitlich
keit der Zentralverwaltung für die unbedingt zentral zu ver
waltenden Angelegenheiten (insbesondere Etat und Finanzen)
den örtlichen Bezirken möglichst weitgehende Bewegungsfreiheit
ließe für die Verwaltungsgebiete, die einer individuell örtlichen
Exekutive fähig oder bedürftig seien;
2. in solchen Landkreisen, in denen gleiche Verhältnisse vor
lägen, eine Konzentrierung der Kreisverwaltung, die dieser die
Möglichkeit zu einer einheitlichen Verwaltung in gleicher Weise
gäbe, wie sie die Zentralverwaltung einer Großstadt habe,
während die einzelnen Kreisteile in ähnlicher Weise wie die
Bezirke einer Großstadt auf die individuell örtliche Verwaltungs
exekutive beschränkt würden.. . .
Die Frage müsse also lauten; entweder Großstadt oder Groß
kreisbildung. Man müsse zu einer kommunalen Einigung
kommen. Der Redner sieht das Primäre in der Großgemeinde.
Die richtige Abgrenzung zu finden, sei eine technische Schwierig
keit, die überwunden werden müsse und auch überwunden werden
könne. Dr. von Leyden betonte übrigens, daß die sämtlichen
Gedankengänge seiner Ausführungen rein persönlicher Art
gewesen seien.“