Rohland = Rohstoff, Straßenland und öffentliches Grün
= verlorener Stoff, Freiflächen im Block = Abtall, Bebaubare
Flächen = nutzbarer Stoff. Geschoßzahl, der Multiplikator der
Rentabilität.
Diese Auffassung wäre natürlich falsch. Die Bauwirtschaft
nimmt innerhalb der Güterproduktionstechnik eine Sonder
stellung ein; durch die Übereinanderschichtung der Geschosse
wird bewirkt, daß das gebrauchsfertige Erzeugnis, die Geschoß
fläche, selbst um ein Vielfaches größer werden kann, als die
zur Verfügung stehende Bodenfläche, Man nennt dieses Ver
fahren wirtschaftlich; in Wahrheit ist es Raubbau am Boden
und an der Volksgesundhext; die Überausnutzung der Boden
werte kennzeichnet durchaus ungesunde Verhältnisse.
Die Geschoßfläche ist das vernehmliche Ziel der bauwirtschaft
lichen Gütererzeugung; ihre Menge gilt als Maßstab für die
Wirtschaftlichkeit städtebaulicher Planungen. Die Geschoß
fläche wird als verkäufliche oder vermietbare Wohn- oder
Arbeitsfläche auf den Markt gebracht. Sie enthält — brutto—alle
Mauerquerschnitte, Treppenhäuser und Flure; von der Brutto-
gcschoßfläche zu unterscheiden ist die Nettowohnfläche, welche
die nutzbare Fläche nach Abzug der Mauerquerschnitte usw. um
faßt 1 ). Auf die Geschoßhöhe kommt es dabei nicht an; denn nicht
die Zahl der Kubikmeter umbauten Raumes, sondern die Summe
ihrer Horizontalprojektion ist das Entscheidende im Städtebau.
Die Geschoßflächensumme entsteht aus dem Produkt der be
baubaren Fläche und der Geschoßzahl; die Geschoßzahl ist
der Nutzungsgrad der bebaubaren Fläche, während die Bau
klasse den Nutzungsgrad des Nettobaulandes darstellt; das
Verhältnis zwischen Geachoßfläche und Nettobaulandfläche wird
die Ausnutzungsziffer der Bauklasse genannt. Über das Ver
hältnis zwischen bebaubarer Fläche und Freifläche im Block
ist viel gesprochen und geschrieben worden. Die in deutschen
Landen üblichen Zonenbauordnungen bedienen sich einer Bau-
klassenskala von schwerverständlicher Gliederung; hier gilt
der paradoxe Grundsatz: Je hoher das Haus, desto kleiner
die Freifläche. Für neuanzulegende Stadtteile müßte das um
gekehrte Verhältnis angestrebt werden (vergl. Koeppen, Kongreß
bericht Seite 377). Einen Fingerzeig gibt die preußische Muster
bauordnung vom 25, April 1919, welche für niedrige Geschoß
zahl stärkere Grundstücksausnutzung empfiehlt als für höhere
Geschoßzahlen. Eine neuere deutsche Bauordnung * 2 ) geht sogar
so weit, das Verhältnis zwischen Geschoßfläche und Freifläche
vorzuschreiben; hier ist der Weg vorgezeichnet, der zu einer ver
nünftigen Bauklassenreform führt.
Die Geschoßflächc ist die Summe jener menschenansammelnden
Wohn- und Arbeitsflächen, durch welche der Nutzungsgrad des
städtischen Bodens bestimmt wird. Wenn wir diese menschen-
ansammelnde Kapazität der Geschoßfläche (ihre Belegzahl) zur
Gesamtfläche des Rohlandes in Beziehung setzen, so ergibt
diese den Wert der Wohn- oder Siedlungsdichte. Die Wohn
dichte ist das Produkt der Geschoßfläche mit ihrer Belegzahl. —
Der Nutzungsgrad eines Bebauungsplanes ist stets erheblich
geringer als die Ausnutzungsziffer der Bauklassenordnung;
die Minderung wird durch den notwendigen Aufwand an Verkehrs
und Erholungsflächen bewirkt; je mehr Geschoßflächc, desto
größer der Bedarf an Freiflächen: das Gesetz des „fallenden
Ertrages“ im Städtebau.
Die Menge der Geschoßfläche und ihr Verhältnis zu den ein
zelnen Teilflächen des Bebauungsplanes ist aber auch für alle
übrigen Qualitäten der Planung maßgebend — ausgenommen
natürlich die künstlerische Qualität.
J ) Für das Verhältnis dieser beiden Flächensummen hat E. Graf
(Dresden) aufschlußreiche Untersuchungen angestcllt; vgl. Stegemann;
Vom wirtschaftlichen Bauen, zweite Folge, Seite 43 ff.
2 ) Sächsisches Muater-Ortsgesetz über Klcinhausbauten vom 10.1. 22
So ergibt das Verhältnis zwischen Geschoßfläche und Straßen
fläche offenbar einen Maßstab für den Nutzungsgrad der letz
teren, den wir gewöhnlich als Verkehrsdichte bezeichnen. Sehr
einleuchtend, je mehr Geschoßfläche auf einen Quadratmeter
Straßenland, desto dichter der Verkehr; die Verkehrsdichte
ist eine besondere Erscheinungsform der Siedlungsdichte. Selbst
verständlich wird durch dieses Verhältnis nur der Ortsverkehr
erfaßt; der Durchgangsverkehr ist von der örtlichen Bebauungs
dichte unabhängig. Auch ist es gewiß nicht gleichgültig, ob es
sich um Wohnfläche oder Arbeitsfläche handelt; die Kapazität
der Geschoßfläche als Verkehrsquelle muß ebenso berücksichtigt
werden wie die Leistungsfähigkeit der Verkehrsmittel.
Für die Verkehrsdichte wurde durch genaue Berechnung in
der Stadt Köln ermittelt, daß unter den gegenwärtigen Verhält
nissen auf etwa 5—6 qm Geschoßfläche 1 qm Straßenfläche zu
rechnen ist, um gesunde Verkehrszustände zu schaffen. In den
Altstädten deutscher Großstädte findet man das Verhältnis
von. 1 ; 10 bis 1:12; dieses Verhältnis hat sich als nicht aus
reichend erwiesen; die verkehrsreiche Neustadt in Köln zeigt,
daß das Verhältnis 1 :6 einen lebhaften Verkehr gut bewältigen
kann. Das Verhältnis 1:5 stimmt übrigens mit den Angaben von
Koeppen (Kongreßbericht Seite 382) ziemlich genau überein 3 ).
Das Verhältnis zwischen Geschoßflächc und den öffentlichen
und privaten Freiflächen gibt konkrete Vergleichsmaße für den
Begriff der Weiträumigkeit. Auch hier ist wieder einerseits die
menschenansammelnde Kapazität der Geschoßfläche (die Be
legzahl) von ausschlaggebender Bedeutung, andererseits aber
auch die Aufnahmefähigkeit der Erholungsflächen; letztere ist
verschieden bei Sportplätzen, Pachtgärten, Kinderspielplätzen.
Die Weiträumigkeit setzt sich übrigens, wie das Diagramm zeigt,
aus zwei selbständigen Komponenten zusammen; man hat zu
unterscheiden zwischen der durch die Bauordnung gebundenen,
latenten Weiträumigkeit der privaten Gartenflächen und der
durch den Bebauungsplan gegebenen potentiellen, kollektiven
Weiträumigkeit der öffentlichen Erholungsflächen, Man kommt
auf diesem Wege zu einer neuartigen und einfachen Gleich
gewichtsbedingung; für den Begriff der Weiträumigkeit im
sozial-hygienischen Sinne darf als Mindestforderung gelten, daß
die Summe der privaten und öffentlichen Erholungsflächen
nicht kleiner sei als die Summe der Geschoßflächen. Dabei ist
wirksame Durchdringung Voraussetzung; denn die Entfernung
der Erholungsflächen von den Geschoßflächen darf nicht zu groß
sein. Es muß ausdrücklich betont werden, daß die öffentliche
Grünpolitik immer nur einen minderwertigen Ersatz für die
fehlenden Hausgärten bieten kann. In diesem Sinne ist öffent
liche Freiflächenpolitik keineswegs als ein Kulturfortschritt zu
werten, sondern als eine Buße für alte Sünden. Dazu kommt,
daß öffentliche Grünpolitik die Bodenwerte belastet, während
die Hausgartenpolitik, die Gartenstadtpolitik, die Bodenwerte
in mäßigen Grenzen hält.
Das Verhältnis zwischen dem Aufwand an öffentlichen Frei
flächen und dem Rohland-Vorrat ist von größter Bedeutung
für die Wirtschaftlichkeit der Planung. Das Maß der Verkehrs
flächen einerseits und der öffentlichen Erholungsflächen anderer
seits bestimmt die Herstellungskosten des Baulandes; der
Realwert des baureifen Landes entsteht aus dem Agrarwert
durch Zuschlag der Grunderwerbs-Anlage- und Unterhaltungs
kosten der Verkehrs- und Erholungsflächen. Die Bodenpreis
bildung allerdings folgt keinem klar erkennbaren Gesetz; der
Baulandpreis gleitet je nach Lage der Konjunktur vom Real
wert ansteigend bis zum voraussichtlichen Ertragswert.
3 ) Vergleiche hierzu: E. P. Goodrich (New York), Kongreßbericht,
Seite 387 ff.; Baudiiektor Gustav Leo, Hamburg: Großstadt und
Citybildung; Dr. Hoenig, Bebauungsplan und Verkehrsdichte, Bau
politik 1928