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Richtungen, denen man es unmöglich allen recht
machen kann. Im Sinne des vorschwebenden Ziels
kommen dabei wohl in der Hauptsache drei Kate-
gorien von Architekten in Frage: der altmodische,
der moderne und der neumodische Architekt.
Der altmodische Architekt mit seiner Abneigung
gegen alles Neue, mit seiner falschen Auffassung
vom Wesen raumkünstlerischen Gestaltens und seiner
rein äußerlichen Vorliebe für eine bestimmte histo
rische Formensprache war unserm alten Stadtbilde
einmal sehr gefährlich, ist es heute wohl aber kaum
noch.
Modern ist zu allen Zeiten der wirklich verständige
Architekt gewesen. Er begrüßt mit Freuden alle
neuen Aufgaben, Baustoffe und Konstruktionen, die
ihm neue Möglichkeiten zu raumkünstlerischer Be
tätigung eröffnen. Er weiß, daß Baukunst Raumkunst
ist und ihre Gesetze ewige sind, so daß es in diesem
Sinne nichts grundsätzlich Neues geben kann. Er
weiß, daß die Formen nur Ausdrucksmittel gleich
der Sprache, also gegenüber dem auszudrückenden
Gedanken etwas verhältnismäßig Nebensächliches
bedeuten. So ist er allen Experimenten, die ihn
vom Wesentlichen seiner Aufgabe ablenken könnten,
wenig zugeneigt. Mit ihm wird der Konservator
immer zu einer Verständigung kommen, er wird
sogar sein bester Helfer sein.
Ganz anders dagegen der neumodische Architekt.
Er ist der Mann der großen Worte. Die ganze künst
lerische Vergangenheit der Jahrtausende bedeutet für
ihn nur eine Vorbereitung auf seine eigene über
wältigende Tat. Aber diese überwältigende Tat ist
mindestens alle fünf Jahre eine ganz andere, und das
Neue, das noch nie Dagewesene, die Sensation, ist
ihm die Hauptsache. Mit welchen Mitteln er dieses
Neue erreicht, bleibt ihm vollkommen gleichgültig,
und so auch alle ewigen Gesetze der Raumkunst, Heute
gefällt er sich in der Häufung merkwürdigster
Formenphantasien, und morgen lehnt er jede Form
ab und jongliert ausschließlich mit kubischen Massen.
Mit einer solchen Einstellung wird eine konserva-
torische Zielsetzung selbstverständlich niemals Zu
sammengehen können.
Wollen wir nun den
schweren Kampf um Er
haltung unseres alten Stadt
bildes mit einer solchen
mannigfaltigen Gegnerschaft
aufnehmen, so ist das erste
Erfordernis, daß wir wissen,
was wir wollen, das heißt,
daß wir uns über die wirk
lich wesentlichen Grund
lagen der guten Wirkung der
historischen Stadtanlagen
auch vollkommen klar sind.
Dieses Wesentliche wurde
solange unter der forma
listischen Brille des neun
zehnten Jahrhunderts ganz
falsch gesehen. Es war jene
Zeit, wo man für jede
Stadt ihren besonderen Stil
konstruierte, das heißt die
jenige historische Stilperiode,
Abb. 9 / Danzig / Der
Milchkannenturm mit
neuer Brücke nach
Beseitigung des
Nebenturmes
Abb. io / Danzig / Der Milchkannenturin in seinem heutigen Zustand [ Die Be
seitigung der beiden Türme wurde von der städtischen Hocbbauverwaltung, diesmal
aus verkehrstechnischen Gründen, verlangt
Abb. ii / Danzig / Wie es aussehen würde, wenn man den Milchkannenturm beseitigte
Der künstlerisch notwendige Raumabschluß ginge in diesem Falle verloren. Das
Durcheinander der Bebauung käme doppelt stark zum Bewußtsein
Abb. 12 / Danzig / Der Milchkannenturm mit neuer Brücke und einheitlichem
Hintergrund f Architekt: Prof. 0. Kloeppel, Danzig