DER ERSTE DEUTSCHE SEEFLUGHAFEN
VON JÜRGEN BRANDT, HAMBURG
Die bisherigen Versuche der verschiedenen deutschen Hafen
plätze (Stettin, Bremen, Danzig usw.), Wasserflughäfen zu schaffen,
haben bisher keine sichtbaren Erfolge gehabt. Zum Teil lag das
daran, daß bei der Schaffung der Anlagen infolge mangelnder
Erfahrungen Fehler gemacht sind, die die Benutzung erschwerten.
Noch in den vom Reichsverkehrsminister 1925 zusammengestellten
Grundsätzen für die Anforderung an Flughäfen sind die Wasser
flughäfen kaum behandelt. Es heißt in diesen Vorschriften nur,
daß die Rollangen in jeder Richtung 1500 m messen sollen, die
Wassertiefe möglichst 4 m, mindestens aber 1,5 m betragen muß,
und daß Einrichtungen zum Zuwasser- und Aufbringen von Luft
fahrzeugen vorhanden sein müssen. Die Erfahrungen haben ge
zeigt, daß diese Abmessungen nicht ausreichen. Ein Wasserflug
zeug kommt umso eher von der Wasserfläche frei, je tiefer das
Wasser der Startfläche ist oder umgekehrt, die Startlänge wächst
mit der Verringerung der zur Verfügung stehenden Wassertiefe.
Dieser Grundsatz hat allerdings nur eine entscheidende Bedeutung
bei Großflugzeugtypen, da aber die Entwicklung auf das Groß
flugzeug hindrängt, muß er heute bereits in Rechnung gestellt
werden. Für Großflugzeuge ist eine Wassertiefe bis zu 10 m er
forderlich, wenn man nicht mit kilometerlangen Anfluglängen
rechnen will, die außerdem nur einen unsicheren Start erlauben.
Eine solche Wassertiefe ist bei den wenigsten Seehäfen in nötigem
Umfange vorhanden.
Neben der Tiefe der Startfläche spielt die Forderung eine Rolle,
daß die Startfläche möglichst unabhängig von Ebbe und Flut und
von starker Dünung ist. Auch diese Forderung vermögen die
wenigsten Seehäfen zu erfüllen. Die Flußmündungen sind Ebbe
und Flut besonders ausgesetzt, so daß bei Niedrigwasser nur eine
geringe Wassertiefe zur Verfügung steht.
Aus diesen Gründen hat Hamburg bisher von der Schaffung
eines Wasserflughafens auf der Elbe abgesehen, da erhebliche
Unkosten mit der Anlage verbunden wären. Jetzt ist durch eine
Vereinbarung zwischen dem Reich, Hamburg und Lübeck ein lei
stungsfähiger Seeflughafen an der Mündung der Trave im Pöte-
nitzerWik auf dem Priwall beiTravemünde im Bau begriffen(Abb.l).
Hier sind alle notigen Voraussetzungen gegeben: genügende
Ausdehnung der Wasserfläche, verhältnismäßig stilles Wasser, das
von Ebbe und Flut wenig betroffen wird und die erforderliche
Tiefe besitzt, sowie die Möglichkeit, unmittelbar neben dem Wasser
flughafen einen Landflugplatz anzulegen, der einen bequemen
Pendelverkehr mit dem Hamburger Landflughafen herzustellen
erlaubt. Dazu kommt, daß Travemünde sich seiner Lage nach gut
in den nordeuropäischen Flugslreckenplan (Abb. 2) einfügt und
über Hamburg oder Berlin leicht einen Anschluß an die großen
Überlandlinien und Überseelinien bekommen kann. In Travemünde
erhält der vom Westen kommende Überseeflugverkehr seinen
natürlichen Anschluß nach dem Norden und Osten über die Ostsee.
Die Verbindungen von England, Belgien und Holland nach Schweden,
Finnland und den übrigen Ostseestaaten haben hier ihren natürlichen
Stützpunkt. Zum Beispiel kann man von London über Travemünde
nach Stockholm an einem Tage fliegen, beide Strecken betragen
etwa 800 km.
Der Flughafen bei Travemünde wird allerdings nur eine Etappe
sein, um die europäischen Hafenstädte einander näher zu bringen.
Für den transatlantischen Verkehr wird er nicht ausreichen. In
absehbarer Zeit wird daher die Frage eines deutschen Zentral
flughafens für den transatlantischen Verkehr wichtig werden.
Dann wird Hamburg versuchen müssen, unter Aufwendung er
heblicher Kosten, die Schaffung eines transatlantischen Flughafens
an der Elbe bei Cuxhaven durchzuführen. Hierzu werden ganz
erhebliche Baggerungen nötig werden. Aber vorläufig liegt die
Möglichkeit des transatlantischen Flugverkehrs noch in weiter
Ferne. Heute ist es wohl möglich, einen Sportflug von Europa
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Städtebau 1927. Heft 4