GARTENSTADT WELWYN BEI LONDON
Über die Gartenstadt Welwyn wie über Garten- und Satellit
städte überhaupt unterrichtet eingehend der starke Band von
C. B. Purdom „The Building of Satellite Towns", London 1925.
Das Werk bringt manches Neue und kann in vieler Beziehung
als grundlegend für die Satellitstadlbewegung gellen.
Trotz der an Schwierigkeiten und Enttäuschungen reichen Ent
wicklung Letchworths, der im Jahre 1903 gegründeten ersten
englischen Gartenstadt, die namentlich in den ersten Jahren ihres
Bestehens mit bedeutenden finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen
hatte, wurde 1920, also kurz nach dem Kriege, die zweite
Gartenstadt Welwyn (vgl. W. M. B. 1924 S. 190-192, 245-261
und 1925 S. 285 ff) etwa 34 km nördlich von London gegründet.
Die erforderlichen Mittel wurden großenteils durch Regierungs
anleihen aufgebracht, so daß sich der Gesamtbetrag dieser An
leihen bis Anfang 1927 auf & 288454 belief, wozu noch ein Be
trag von £ 132927 kommt, den die Baugenossenschaften in
Welwyn für Neubaufinanzierung ebenfalls leihweise von der Re
gierung erhielten. Zurzeit liegen der Regierung Anträge auf
Gewährung weiterer Darlehen vor; das Schicksal dieser Anträge
ist, wie wir der Märznummer von „The Architects Journal" ent
nehmen, ungewiß.
Wegen seiner verhältnismäßigen Nähe zu London und der
vorgesehenen Beschränkung der Einwohnerzahl mit 40—50000
Köpfen auf rund 720 Hektar (1770 acres), einer Besiedlungs
dichte also von rund 70 Köpfen je Hektar (des gesamten Weich
bildes), bildet Welwyn ein Schulbeispiel einer Satellitenstadt.
Die Stadt wurde auf freiem und nahezu ebenem Gelände
nach Plänen des englischen Architekten und Städtebauers Louis
de Soissons angelegt. Dem bereits
1924 in den „Monatsheften“ ver
öffentlichten Gesamtplan (S. 190)
folgen heute zwei weitere Pläne
(Abb. 4 und 5). In Abb. 4 heben
sich die Eisenbahnlinien als das
Rückgrat des Ganzen und die
Hauptverkehrsstraßen klar ab. Die
Abbildung 4 veranschaulicht ferner
die planmäßige Verteilung der
Grünflächen, unter denen Park-,
Sport- und Erholungsflächen sowie
Kinderspielplätze zu unterscheiden
sind. Der Hauptteil der Park
flächen ist an die nordwestliche
Stadtgrenze gerückt, wo ausge
dehnter Baumbestand vorhanden
war, Es ist darauf verzichtet, größe
re Parkflächen an die Stadtmitte
heranzuziehen, weil bei dem begrenzten Weichbild Parkanlagen
im Stadtinnern das städtische Siedlungsgebiet allzu sehr auf
lockern und die Bildung einer städtischen Bebauung im Stadt
kern verhindern würden. Dagegen sind die Hauptverkehrsstraßen
der Stadtmitte als breite Parkwege ausgebildet (vgl. Abb 5). Ab
bildung 3 gibt den Querschnitt der ost-westlichen Zugangs
straße zum Bahnhof wieder, die in einer Gesamtbreite von rund
61 m ( = 200 engl. Fuß) angelegt ist. Der nordsüdliche Park
weg selbst (in Abb. 5 links der Bahnlinie und parallel zu ihr
erkennbar) hat bei gleicher Gesamtbreite seitliche Baumreihen.
Im übrigen schwankt die Straßenbreite von etwa 12—18 m
(40—60 Fuß), je nachdem die Straßen in Wohn- oder Geschäfts
vierteln liegen. (Vgl, Abb. 1 und 2).
Ähnliche Erwägungen, wie sie zur Verlegung der Parkflächen
an die Stadtgrenzen führten, ließen auch Sport- und Erholungs
flächen an der Stadtgrenze zweckdienlich erscheinen. Als Be
gründung wird u. a. Zusammenballung des Verkehrs vor Sport
plätzen bei besonderen Veranstaltungen und dgl. angegeben.
Abb. 5 zeigt die Stadtmitte nach dem Generalbebauungs
plan mit den erwähnten Parkstraßen als Hauptverkehrsadern und
in dem westlichen Teil ein für Welwyn besonders bezeichnen
des Wohnviertel mit den zahlreichen Wohnstraßen (culs de sacs).
Der Vorteil dieser sackgassenartigen Wohnstraßen wird in dem
Ausschluß jeden Durgangsverkehrs erblickt, so daß eine nur
leichte Befestigung der Straßendecke genügt. Sie sollen ferner
den Wohnhäusern eine möglichst abgeschlossene, ruhige und
Staubfreie Lage gewähren. Der Plan zeigt die verschiedenartige
Ausbildung dieser kurzen Wohnstraßen, deren gemeinsames Kenn
zeichen ihre Verbreiterung am Ende
ist,umdenFuhrwerken dasWenden
zu ermöglichen. (Vgl. auch W. M. B.
1925, S. 292).
Über die Entwicklung Welwyns
in den ersten Jahren unterrichtet
die folgende Übersicht. Voraus
geschickt sei, daß die ursprüng
liche Bevölkerung des Gebietes
400 Köpfe betrug.
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1920
1921
1922
1923
1924
Neubauten
136
262
438
658
919
Bevölkerungs
zahl
430
851
1417
1893
2584
L. A.
Abb. 1 bis 3
Gartenstadt Welwyn
bei London
Straßen-Querprofile
Architekt;
Louis de Soissons
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Oben: Straße im
Geschäftsviertel
Mitte: Straße im
Wohnviertel
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Verkehrsstraße
(Howardsgate)
Alle Querschnitte
im gleichen Maßslab
33
ii
Städtebau 1926, Heft 9/19