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Aber über die Durchführung- sind die Ansichten noch ungeklärt.
Bezüglich der Verkehrsflächen hat sich in allen Kulturstaaten ein
Verfahren durchgesetzt, welches eine mehr oder minder gerechte
Aufteilung der Kosten für den Grunderwerb und die technische
und sanitäre Ausrüstung dieser Flächen auf die Besitzer des pro
duktiven Bodens bezweckt.
Anders die Erholungsflächen; sie haben im Städtebaurecht der
Gegenwart noch zu wenig Tradition, man ist über Versuche noch
nicht hinausgekommen. Grundsätzlich sind drei verschiedene Arten
der Finanzierung öffentlicher Erholungsflächen zu unterscheiden:
1. die Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln;
2. die Beschaffung durch Landumlegung;
3. die Kostenumlegung nach Einflußzoncn.
Das erstgenannte Verfahren aus allgemeinen Steuermitteln ist
zurzeit in den meisten europäischen Staaten im Gebrauch. Es
ist dabei gleichgültig, ob der Bodenbedarf durch freihändigen
Erwerb oder durch Enteignung gedeckt wird. Das Verfahren be-
deutet eine Belastung des Gemeindehaushaltes und führt auch
dort, wo eine großzügige Bodenvorratspolitik betrieben wird, zu
den Konflikten zwischen dem fiskalischen und dem sozialen Prin
zip. Die Planung ist unfrei, weil sie Gefahr lauft, gegen die
Wirtschaftlichkeit zu verstoßen, indem sie reale Werte vernichtet
um ideale Werte zu schaffen; denn daß pro Kopf der Großstadt
bevölkerung mindestens 20 qm Erholungsflächen nötig sind, das
läßt sich den Steuerzahlern nicht immer ganz leicht klar machen.
Die Folge ist, daß sich Widerstände gegen dieses Verfahren bei
den Grundeigentümern und den Steuerzahlern und nicht zuletzt
in den Stadtverwaltungen selbst geltend machen. Das Verfahren
schafft aber auch auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile, welche
nicht gleichmäßig der Allgemeinheit zugute kommen. Denn der
sozialhygienische Wert der städtischen Erholungsflächen übt zu
nächst seine Wirkung auf den Grundstücksmarkt aus. Er ist von
Einfluß auf die Bodenpreisbildung; die Vernichtung der Boden
rente der Freiflächen hat eine Steigerung der Bodenrente der
angrenzenden Wohnflächen zur Folge. Die Verlagerung der
Bodenrente vollzieht sich keineswegs gleichmäßig über das Bau
land der Gemeinde, sondern begünstigt zonenwelse die unmittel
baren und entfernteren Nachbarn der Erholungsflächen.
Die Bodenwertsteigerung der Anliegerzone ist erfahrungs
gemäß so groß, daß sie den Rentevertust der Freiflächen nicht
nur deckt, sondern ihn weit übersteigt; die hohen Bodenpreise
in den bevorzugten Stadtparkvierteln aller deutschen Städte sind
Beweis dafür.
Auf dieser Erkenntnis fußt zum Teil das zweite Verfahren
zur Gewinnung von Freiflächen; Grundstücksumlegung. Sie ist in
Deutschland durch eine Reihe gesetzlicher Vorschriften geregelt,
deren Entstehungsgeschichte klar erkennen läßt, daß die Frei
flächengewinnung nicht als Hauptzweck, sondern als ein Neben
produkt der Umlegung aufzufassen ist. Der Werdegang der
deutschen Umlegungsgesetzgebung bietet hierfür zahlenmäßige
Belege.
Die auf diesem Gebiete bahnbrechende preußische lex Adickes
in ihrer ersten Fassung von 28. Juli 1902 hat für die entschädigungs
lose Abtretung von Freiflächen für Straßen und Plätze nur 30 v. H.
der Gesamtflächen vorgesehen, ein Verhältnis, das für die Grün
flächenpolitik bedeutungslos ist, da gerade der Bedarf an Straßen
land damit zur Not gedeckt werden konnte. Es folgte daher am
8. Juli 1907 die Änderung des $ 13, welche die Preiflächenquote
auf 35 bezw. 40 v. H. erhöhte, je nachdem die Umlegung auf
Antrag der Stadtverwaltung oder auf Antrag der Grundeigen
tümer erfolgt. Auch dieser Hundertsatz ist für eine großzügige
Freiflächenbeschaffung nicht ausreichend, wenn man berücksichtigt,
daß selbst bei Sorgfältigster Stadtplannüng mindestens 25 v. H,
des Rohlandes für Straßenflächen erforderlich sind, so daß im
besten Falle nur 10—15 v. H. für Erholungsflächen übrig bleiben.
Das badische Ortsstraßengesetz von 1908 hat sich mit 33 1 ;l v. H
Freifläche begnügt, während das Umlegungsgesetz fürBremen (1913)
nur 28 v. H. Freifläche beansprucht. Das neue württcmbergische
Baulandgesetz von 25. 2. 1926 hält im Art. 19 an 30 v. H. fest.
Einen Schritt vorwärts bedeutet das Umlegungsgesetz für Köln
von 28. 3. 1919, welches den § 13 der lex Adickes auf 50 v. H.
erweitert, und überdies nicht nur die Grunderwerbskosten,
Sondern auch die Gesamtkoslen der neuen Anlagen (Straßen und
Grünflächen, nebst Brücken, Verlegungsarbeiten usw. einschließ
lich fünfjähriger Unterhaltung) für umlegungsfähig erklärte. Der
Referentenentwurf für das preußische Städtebaugesetz hat diese
Kölner Regel wörtlich übernommen.
Der Gegenentwurf der Stadt Frankfurt a. M., welcher einen
Bestandteil des Entwurfes des preußischen Städtetages bildete,
hat zwar in tj 12 an 50 v. H. festgehalten, jedoch in 20 die
Umlegung der Anlage- und Unterhaltskosten auf die Straßen
herstellung beschränkt. Der neue Entwurf des preußischen Städte
baugesetzes, der zurzeit dem Landtag vorliegt, hat sich in $ 81
nun wieder auf das Verhältnis der lex Adickes, 35 bezw. 40 v. H.
zurückgezogen, und halt lediglich die Anlagekoslen der Verkehrs-
flachen, nicht aber der Erholungsflächen für umlegungsfähig.
Aus den widersprechenden Bestimmungen erhellt, daß man
sich gerade über den Hundertsatz der entschädigungslos abzu-
tretenden Freiflächen nicht endgültig klar ist. Wir beobachten
von 1902—1926 ein Hin- und Her zwischen 28 und 50 v. H , wo
bei die Meinungsverschiedenheit jeweils durch die Einbeziehung der
Anlage und Unterhaltskosten der Freiflächen noch vergrößert wird.
Aus allem geht hervor, daß die deutsche Umlegungsgesetz
gebung hinsichtlich der Freiflächenquote noch nicht über Ver
suche hinausgekommen ist.
Dafür herrscht in einem anderen wesentlichen Punkte grund
sätzliche Übereinstimmung: Der allen deutschen Umlegungsvor
schriften gemeinsame Grundsatz ist im § 16 der lex Adickes klar
ausgesprochen; er lautet: „Soweit der Wert der Zuweisungen
etwa hinter dem Werte des eingeworfenen Grundstückes Zurück
bleiben sollte, haben die Eigentümer Anspruch auf weitere Ent
schädigung In Geld.“ Es ist dabei gleichgültig ob die Verteilung
des Nettobaulandes so, wie bisher in Preußen und Bayern, nach
dem Flächenma&stah, oder, wie in anderen deutschen Ländern,
nach dem U^er^maßstab erfolgt; der Grundsatz des § 16 gilt
allgemein und besagt, der Gesamtwert des urngelegten Netto
baulandes muß mindestens gleich sein dem Gesamtwert des ein
geworfenen Bmttolandes. Hierin liegt die wesentliche Bedingung
des Umlegungsverfahrens, welche insbesondere für die Zwecke
der Grünflächenbeschaffung von grundlegender Bedeutung ist.
Die Freiflächen {Verkehrs- und Erholungsflächen) sind der Rein
gewinn des Umlegungsunternehmens.
Die Grünpolitik umschließt eines der schwierigsten boden-
politischen Probleme; da hat in erster Linie der Rechenstift zu
entscheiden.
Die allgemeinen bodenwirtschaftlichen Grundsätze, die für die
Freiflächenpolitik maßgebend sein müssen, lassen sidi durch die
Logik der Mathematik einfacher und überzeugender verdeutlichen,
als durch den trockenen Wortschwall langatmiger Gesetzespara
graphen. Die folgenden Untersuchungen über das Wesen der
Umlegung und ihre bodenpolitischen Auswirkungen führen dazu,
die Beziehungen zwischen Flächen, Menschen und Bodenwerten
auf knappe Formeln zurückzuführen.
Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Bodenwirtschafts
mathematik zunächst nur allgemeine Beziehungen bieten kann.
Wo in einzelnen Fällen zur Verdeutlichung absolute Werte ver
wendet werden, da sind diese empirisch ermittelte Durchschnitts
werte, welche lediglich der Erläuterung allgemeiner Ausdrücke
dienen, um zu zeigen, wie jeweils die Brücke aus dem Bereich
der Mathematik in die lebendige Wirklichkeit zu schlagen sein wird.