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Aber ebenso natürlich ist es auch, daß die Burg von Dortmund
dort angelegt wurde, wo sie den Hellweg nach Lünen hin, also
in Richtung auf den Lippe-Übergang, decken konnte. Die alte
Burgstelle ist durch die Bahnanlagen verschwunden. Das „Burg
tor“ weist jedoch darauf hin, daß wir sie im Norden der Stadt
zu suchen haben.
Die von Norden, von Lünen kommende Straße setzte sich nach
Süden bezw. Südwesten in Richtung auf Brüninghausen und weiter
in das sächsischen Südland, das Sauerland, nach der Grafschaft
Mark fort, durch die sie dann eine direkte Verbindung nach
Köln hin erhielt. Dortmund war also nicht nur Straßengabelung,
sondern auch Straßenkreuzung.
Aus dem, aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammenden
Stadtplane von Brandhoff (Abb. 1) ist die Stadt in ihrer mittel
alterlichen Ausdehnung und ihrem mittelalterlichen Gefüge deut
lich zu erkennen. Es ist natürlich nicht anzunehmen, daß der
innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern liegende Stadtkern
eine einheitliche mittelalterliche Stadtanlage darstellt. Als die
Stadt durch die Ausführung der Stadtmauern räumlich zu einer
Einheit zusammengeschlossen wurde, hatte sie bereits eine lange
Geschichte hinter sich. Man kann in dem Stadtplan von Brand
hoff noch deutlich in dem Gefüge und in der Führung der Straßen
Wesensverschiedenheiten erkennen, die auf das Vorhandensein
älterer Sondersiedlungen hindeuten. So wird um die Marien
kirche herum — also nicht über, sondern neben dem Kreuzungs
punkt der beiden Heerstraßen — eine ringförmige Stammsied
lund erkennbar, wahrscheinlich eine kirchliche Immunität, die sicher
neben der Burg als die wichtigste Stammsiedlung Dortmunds
anzusprechen ist.
Als dann der Handelsverkehr auf dem Hellwege eine größere
Bedeutung gewann, wird in Ottonischer Zeit ein Marktort an
gelegt worden sein, der sich an die kirchliche Stammsiedlung
anlehnte, aber sonst im übrigen nur die nähere Umgebung des
alten Marktplatzes und der Reinoldikirche umfaßt haben wird.
Das eigentliche alte städtische Dortmund entwickelte sich im
Anschluß an die Marktgründung in einer langen Zeile am Hell
weg. Der Hellweg erhielt dann später eine Entlastungsstraße, die
erste Campstraße, so daß sich der Stadtgrundriß als Doppelstraßen
typ mit Rippen, eine beliebte Stadtform aus der Zeit um 1200,
darstellt. Außerhalb und unabhängig von dieser organischen Ent
wicklung mögen noch einige Sondersiedlungen entstanden sein,
die man bei sorgsamer Analyse des Stadtplanes würde feststellen
können. Im Nordteile der heutigen Altstadt wird ein Suburbium,
eine dörfliche Siedlung unter
der Burg — vielleicht längs
der Brückstraße — zu suchen
sein; wahrscheinlich auch nord
westlich hiervon eine weitere
Sondersiedlung zu vermuten
sein.
Alle diese verschiedenartigen
Siedlungen wurden durch die
Umgürtung der Stadt mit Wall
und Graben zu einer Einheits
siedlung, der Stadt Dortmund,
zusammengeschlossen. Das Ge
wand — die Befestigung —
wurde nicht etwa eng angepaßt,
sondern von vornherein auf
Zuwachs berechnet. Im Süden
der Stadt wurden sichtlich eine
ganze Reihe von zerstreut lie
genden Einzelhöfen mit einbe
zogen. Der Gürtel wurde soweit
gemessen, daß er 1850 noch
nicht einmal ausgefüllt war, wie dies ja aus dem Plane (Abb. 1)
deutlich zu sehen ist.
Diese Vorsicht der mittelalterlichen Festungs- und Stadtbau
meister kommt auch dem heutigen Dortmund noch zugute, denn
nur dadurch, daß auch heute noch manches Gartenland sich im
Innern der Stadt findet, ist es möglich, die bessernde Hand an
das Innengefüge der Stadt anzulegen.
Dortmunds Entwicklung im letzten Drittel des vorigen Jahr
hunderts zur Großstadt war durch das Tempo seines wirtschaft
lichen und industriellen Aufschwunges diktiert. Mancher städte
bauliche Mißgriff ist geschehen und mußte getan werden, da das
Sammeln städtebaulicher und verkehrstechnischer Erkenntnisse ja
erst wahrend dieser Zeit erfolgen konnte. Heute, wo eine Art
Verschnaufpause in der Entwicklung eingetreten ist, kommt es darauf
an, die aus den Fehlern gewonnenen Erfahrungen zu nutzen und
dort bessernd einzugreifen, wo Eingriffe nötig und noch möglich sind.
Die sich überstürzende Entwicklung der Industrie- und Verkehrs
anlagen hat die Altstadt Dortmund wie mit eisernen Klammern
gepackt und läßt eine allseitige Entwicklung Dortmunds heute
gar nicht mehr zu. Die Möglichkeiten der Entwicklung, die sich
auch heute noch in den Außenbezirken der Stadt bieten, sollen
hier unberücksichtigt bleiben; der vorliegende Aufsatz will sich
nur mit der Möglichkeit städtebaulicher Weiterentwicklung der
Innenstadt, also der Altstadt befassen. Dabei müssen natürlich
die Beziehungen dieser Innenstadt zu den Außenbezirken sorgsam
beachtet und studiert werden. Die Hütten haben Dortmund wie
mit einer Zange im Osten und Westen eingezwängt. Nach beiden
Richtungen ist also eine Entwicklung der Wohngegenden kaum
noch möglich. Auch im Norden wirkt die Klammer von Eisen
bahnen, Hafenanlagen, Hütten und Industriewerken so stark, daß
auch nach dieser Richtung eine Entwicklung der Wohngegenden
nur noch in bescheidenem Umfange möglich ist. Es bleibt also
nur übrig, die Wohngegend im Süden der Stadt in Richtung auf
das Emschertal hin auszugestalten. Geschieht dies aber, so ver
dienen die Ausfallstraßen nach Süden hin besondere Aufmerk
samkeit. Die wichtigsten Ausfallstraßen nach dieser Richtung sind
einmal der Straßenzug HoheStraße—Wißstraße und dann vor allem
die Verlängerung der Betenstraße nach der Märkischen Straße hin.
Mit diesem letzteren Problem hat sich auch das Stadterweiterungs
amt beschäftigt und hierfür den in der Abbildung 2 gegebenen
Vorschlag ausgearbeitet. Dieser Vorschlag ist nicht nur aus dem
Wunsche entstanden, die auftretenden Verkehrsschwierigkeiten
zu losen, sondern sichtlich auch von dem Bestreben diktiert,
architektonisch interessante Platz- und Raumgefüge in der Stadt
zu schaffen, ein Bestreben, das an sich wohl sehr lobenswert, aber
nur dann erträglich ist, wenn die wichtigere Aufgabe, die Ver
kehrsauflockerung, gleichzeitig gelöst wird. Das Stadterweiterungs
amt will die Ausströmung des Verkehrs aus dem Stadtinnern
nach Süden hin dadurch erleichtern, daß es vom Beginn des
Osthellweges, aus der Gegend der Reinoldikirche, eine neue Enl-
lastungsstraße nach Süden führt, die etwa parallel zur Betenstrasse
verläuft. Zu Gunsten dieser Entlastungsstraße müßten viele Häuser
und Hausblöcke umgelegt und das Gelände der früheren Löwen
brauerei zerschnitten werden.
Was wird durch diese Entlastungsstraße erreicht? In Wirklich
keit so gut wie nichts, da die Einführung des Verkehrs vom
Osthellweg in die neue Entlastungsstraße und die Ausführung
des Verkehrs aus der Entlastungsstraße in die Märkische Straße
neue Schwierigkeiten schaffen, besonders dann, wenn durch diese
Straße Straßenbahnen gelegt werden sollen. Voraussichtlich wird
aber der Verkehr die ihm durch die Entlastungsstraße gebotene
Gelegenheit garnicht benutzen, sondern in der Betenstraße ver
bleiben. Tut er dies, dann wird durch die vom Stadterweiterungs
amt in der Führung der Betenstraße vorgesehenen Änderungen,
besonders durch die geplante Toranlage, die den neuen Rathaus
Abh. 2 / Vorschlag des Sladterweite-
rungsamtes zur Entlastung der Beten
straße I Maßstab 1: 12000
Vgl. das untere rechte Viertel von Abb. 3