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Haltung des alten Grundprinzips, die Zahl der in der Hautpsache
parallel nebeneinander laufenden Straßen einfach vermehrte ohne
sonst eine Änderung eintreten zu lassen. So erweiterte sich der
einfache Zweistraßentyp oft zum Drei- und Vierstraßentyp,
während fünf und sechs Parallelstraßen schon ein sehr seltenes
Maximum darstellen. Immer aber bleibt die einseitige Entwicklungs
richtung beibehalten, von Tor zu Tor verlaufende Hauptstraßen
mit nur untergeordneten Querverbindungen, Selbst wo ein drittes
oder ein viertes Tor vorhanden und so in der Querrichtung eine
Hauptverkehrsstraße nötig wird, ist es doch nur diese eine, die
dann eingefügt wird,ohne daß die ausgesprochene Längsentwicklung
der Stadt damit aufgehoben ist.
Die gegebenen Bilder zeigen, ein wie wunderbares räumliches
Ergebnis mit diesem Planschema für die innere und äußere Ge
staltung der Stadt erreicht wurde. Das einzige, was dabei häufig
stört, ist die strenge Forderung der Ostung der Kirchen, wodurch
diese oft schräg zu dem sonst so klaren Achsensystem zu stehen
kommen. Es scheint mir aber darin ein besonderer Beweis für
die sich im Mittelalter bereits durchsetzende übergeordnete raum
künstlerische Anschauung zu liegen, daß schließlich doch recht
oft über die Orientierungsforderung der Kirche zur Tagesordnung
übergegangen wurde und diese sich ln ihrer Lage dem Haupt
achsensystem anpassen mußte.
Professor Otto Kloeppel, Danzig
derzeit Rektor der Technischen Hochschule
Zu den falschen Vorstellungen, mit denen in Architektur und
Stadtbaukunst besonders viel Unfug getrieben worden ist, gehört
die Annahme, die „mittelalterliche“ oder die „nordische“ oder die
»deutsche“ Baukunst habe eine tiefinnerliche Verwandtschaft zur
Unregelmäßigkeit oder Unordnung. Verwandt damit ist die An
nahme (die neuerdings von einem Schweizer Kritiker unserer
Abb. 28 / Zweigeteilter Kreuzhof {nach Kloeppel) Ahb. 29 / Dreigeteilter Kreuzhof (nach Kloeppel)
Die Abbildungen 25 bis 29 auf dieser und Abb. 30 und 31 auf der folgenden Seite veranschaulichen nach Kloeppel die Entwicklung des ostdeutschen Bauernhofes seit der
Mitte des 16. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist die strenge achsiale und symmetrische Anlage dieser Höfe.