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Abb. 4 / Verteilung von Marsch und Geest an der Unterelbe
Der Schwemmhoden der niedrigen Marsch des Elbsiromtales, als Wohnland ungeeignet,
trennt in 8—14 km Breite den erhöhten festen Geestboden, das natürliche Wohnland Hamburg-
Altonas von demjenigen Harburgs, Die Marsch ermöglicht leicht den Einschnitt künstlicher
Hafenbecken und Kanäle für Industrieansiedlungen, bildet daher das zentrale Arbeitsgebiet
des Bezirkes. Das Wohngebiet Hamburgs wird durch die seenförmig erweiterte Alster in zwei
Teile zerschnitten (vgl■ Abb. 8).
und insbesondere an see- und binnenschiffahrtstiefem Wasser eine Verede-
lungsinduslrie entwickeln. Dazu hat es besonders im Südosten seines
Stadtgebietes in der Marsch von der Bille bis zur Elbe ein großes Ge
lände ausgebaut und mit Kanälen für Binnenschiffahrt versehen. Preußen
erhebt dagegen keine Bedenken. Es wird vermutlich bereit sein, Hamburg
bei seinen Plänen im Osten wertvolle Hilfe zu leisten, und zwar als Be
sitzer des anstoßenden Wohngeländes auf dem Geestrücken.
Schumachers Wunsch, Preußen möge im Ostleil Wilhelmsburgs, d. h. öst-
lieh der die Industrieinsel durchschneidenden Bahn, von einer Industrie
entwicklung Abstand nehmen, da durch die hamburgischen Pläne reich
lich Industriegelände verfügbar sei, wird von Preußen vermutlich zu
gestimmt. Wie verlautet, beabsichtigt Preußen, den Ostteil Wilhelmsburgs
zunächst überhaupt unberührt liegen zu lassen. Es will sich auf den
Ausbau der Häfen auf Hoheschaar und auf die Entwicklung der Industrie
an dem hier reichlich verfügbaren seeschifftiefem Wasser in Harburg
(vierter Industriehafen im Bau) und Wilhelmsburg-West beschränken*
Das ist richtig. In der gegenwärtigen Zeit der Krisis und Kapitalarmut der
deutschen Wirtschaft sind Industrieentwicklungspläne mit Vorsicht zu be
handeln. Sollte nach etwa 15 bis 20 Jahren ein klareres Bild über die
Bedürfnisse der Wirtschaft gewonnen werden, dann wird in Wilhelmsburg-
Ost ein großes unberührtes Gelände im Herzen des Bezirks zur Ver
fügung stehen, das dann seeschifftiefe Wasserverbindung erhalten kann,
wenn im Norden oder Süden die Elbbrücken durch Tunnel ersetzt werden,
nachdem duich die geplante Güterumgehungsbahn die bestehende Eisen
bahn, die die Insel durchschneidet, entlastet ist.
Der Arbeitskern, das Hafen- und Industriegebiet im Marschlande, ver
langt normalerweise, darin ist Schumacher ebenfalls zuzustimmen, einen
Ring von Wohnland, der ihn von allen Seiten umfaßt, so daß Arbeiten
und Wohnen in möglichst einfacher geographischer Wechselwirkung steht.
Die tiefe Lage des weichen Marschbodens macht eine großstädtische Form
der Siedelung teuer, denn dazu ist eine Aufhöhung und Pfahlgründung
erforderlich. Das natürliche Wohngebiet ist daher der feste Boden, der
Geeslstreifen, beiderseits des Marschtales. Die Hauptaufgaben künftiger
Wohnungsentwicklung nördlich der Elbe liegen deshalb
auf diesem Geeststreifen nahe dem Arbeitsgebiete bei
derseits der ausgebauten Stadtteile im Osten und Westen
Hamburgs (Abb. 4).
Die tatsächliche Entwicklung des Städtebaues Hamburgs
war bisher eine ganz andere (Abb. 5): Die unglückliche
Lage des Hamburger Staatsgebietes trieb die Entwick
lung von der Elbe fort nach Norden und Nordosten
(Abb. 8). Die Mitte des Stadtgebietes nimmt die Alster
ein, umsäumt von breiten Luxuswohnstreifen, die die
Massensiedelungen der Neuzeit in die Außenbezirke
gedrängt haben. Der bevölkertste neue Arbeiterstadtteil
Barmbeck liegt im Nordosten der ausgebauten Stadt,
am weitesten entfernt von der Hafenmitte. Die weitere
Entwicklung ist nach Norden und zerstückelt nach den
Walddörfern im Nordosten gerichtet. Das Hauptmittel,
diese Entwicklung zu leiten, war Hamburgs Verkehrs-,
insbesondere Hochbahnpolitik. — Die beschränkten
Raumverhältnisse brachten es mit sich, daß die Lösung
des sozialen Massenwohnungsproblemes vor dem Kriege
in Hamburg ebenso unzureichend wie in anderen deutschen
Großstädten durch Massenmietshäuser angestrebt wurde.
In Zukunft muß die städtebauliche Entwicklung grund
sätzlich nach allen Richtungen hin gleichmäßig so zur Aus
führung gelangen, wie es Schumacher bereits früher
schematisch dargeslellt hat (Abb. 6). Besonders ist
nördlich der Elbe, dem vorherrschenden Verkehrsstrom
und der nahen Lage zum Arbeitsgebiet entsprechend,
die Hauptentwicklung westlich der Stadt in Altona und
östlich am Geestrücken nach Bergedorf zu fordern. Die
schwerste Zukunftsaufgabe ist dabei in Altona zu lösen,
das zum Kern des Gesamtgebietes gehört, gegenüber
dem neuen Hafengebiet liegt, und, wie Abb. 5 zeigt,
bisher zu kurz gekommen ist. Altonas Kräfte und Ein
fluß z. B. auf die Verkehrspolitik waren bisher denen
der Hamburger City nicht gewachsen. Es verlautet auch,
daß Hamburg beabsichtige, seine sämtlichen Großwerften
auf Finkenwärder, gegenüber dem neuen Eingemein
dungsgebiete Altonas zu vereinigen, um Platz für Hafen
becken östlich des Köhlbrandes zu gewinnen. Die Werften
beschäftigen durchschnittlich 10 — 15 000 Arbeiter. Für
diese würde dann Altona das einzig mögliche Wohnungs
gelände werden. Allerdings bestehen zwei Hindernisse:
Der Elbslrom, der durch den erwähnten Tunnel, und der
Luxuswohnstreifen an der Elbe, der durch Querverbin
dungen zu überwinden wäre.
Daß der Geeststreifen von Schiffbeck bis Bergedorf
im Osten des Bezirkes das natürliche Wohngelände für
die Arbeiterschaft des Hamburger Industrieviertels der
Marsch an der Bille bilden wird, ist in Übereinstimmung
mit Schumacher anzunehmen. Wenn auch eine gründliche
Grenzveränderung zur Lösung der Gesamtprobleme
gegenwärtig nicht möglich ist, so werden doch Grenz
berichtigungen durch Austausch von preußischem Gelände
im Osten gegen hamburgische Exklaven möglich sein.
Daß südlich der Elbe der Geestrand beiderseits Har
burgs geeignetes Wohngelände bildet, darüber sind sich
Hamburg und Preußen einig. Einstweilen kommt es aber
nur für das Arbeitsgebiet an der Süderelbe in Frage.
Später wird dieser Geestrand im Westen auch Teilen
der Arbeiter des westlichen Hamburger Hafengebiets als
Wohnland dienen.
Die gegenwärtige städtebauliche Hauptaufgabe nördlich
der Elbe läßt sidr also mit der Kölns vergleichen: Der
Stadtkörper derGesamtsiedlung,deren Rückgrat der Strom