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gelingen sollte, einen hartgesottenen Bürokraten zu finden, der
bereit ist, vorsichtig und zäh im alten Gleise zu verharren. Gesetzt,
es käme einer, der die Zahl von 100000 fehlenden Wohnungen
ernstnähme, endlich ein „Recht auf Wohnung'* proklamierte und
sich in den Kopf setzte, nicht bei dem bürokratischen Plane von
10000 neuen Kasernenwohnungen im Jahre zu beharren, sondern
50—100000 Kleinhäuser aufzustellen. Was könnte ihn hindern?
Sicher nicht Mangel an Arbeitskräften, denn Kleinhäuser sind
maschinell herstellbar und die Beschäftigung unserer Arbeits
losen würde begrüßt werden (vgl. unten S. 79). Sicher nicht
Mangel an anbaufähigen Straßen, denn noch 1922 wurde amt
lich das Vorhandensein von 600 km anbaufähiger Adjacenz in
Groß-Berlin bescheinigt; ein Straßenerbe aus der Vorkriegszeit,
das nicht zum Kummer der Besitzer endlich verwertbar würde
und an dem sogar 100000 Kleinhäuser in halboffener Bauweise
untergebracht werden konnten. Da die Stadt neuerdings baureifes
Land in großen Mengen zum durchschnittlichen Preis von 5 Mk.
je qm gekauft hat, würde die Belastung für Bau- und Gartenland je
Kleinhaus etwa 1000—2000 Mk. betragen, die im obengenannten
Preise von 8000—15000 Mk. für das Kleinhaus einbegriffen ist.*)
BESONDERE HANDELSVERTRÄGE FÜft HOLZHAUSER
Baustoffe? Sicher wird auch Mangel an Baustoffen einen
reformwütigen Stadtbaurat nicht hemmen, denn ihm steht ja das
moderne Holzhaus mit seinen in Deutschland noch verkannten
Möglichkeiten zur Verfügung. Unsere Forste litten neuerdings an
Absatzstockungen! einige unserer besten Holzbaufirmen gingen
kürzlich mangels Beschäftigung zu Grunde!! und außerdem sind
Polen, Norwegen, Schweden, Finnland, Amerika usw. begierig, uns
unbegrenzte Mengen guten und billigen Holzes in jeder beliebigen
Form zu verkaufen; sie würden einem geschickten Unterhändler
dies Geschäft um die Wette finanzieren, und zwar ebenso gern, wie
wir (im Augenblick doch nicht im Kapitalüberfluß schwimmenden)
*) Von dererfolgreichen Landkauf taligkeil der Berliner Wohnunjstürsor je-G.mb. H.
und ihren Verdiensten um das Kleinhaus berichtet Dr. Wehl, der den Lesern dieser
Zeitschrift aus Heft 11/12, Jhry. 1925, bekannt ist, folgendes: .Eine westliche Büden-
Sresellsohafl sah sich durch die schweren Steuern zum Ausverkauf ihres etwa 45 ha
umfassenden Geländes gezwungen. Die Wohnungsfürsorge-Gesellschaft konnte
darauf hinweisen. daß das Gelände auf Flachbau hcrahgezont sei, und zahlte des
wegen nur 2 Mk- je qm Rohland, Nur an den Hauptstraßen war dreigeschossiger
Randbau genehmigt gewesen. Nach Ankauf berechnete sich die Fürsorge-Gesellschaft
ihre Unkosten für die vorbeiführendc Ausfallstraße sowie für den 40prozentigen
Abfall für Straßen* und Parkland. ließ sich dann den Bebauungsplan vollständig
umstoßen, um reumütig wieder Hochbau treiben zu können“. Von anderer, aber nicht
weniger Zuverlässiger Seite wird berichtet; „In Britz erwarb die Stadt Berlin Roh
land für 1 M je qm und verkauft das unregulierte Nettobauland für 2,20 W.“
Deutschen den vielleicht weniger kreditwürdigen, übrigens aber
holzreichen Russen Ankäufe nach Hunderten von Millionen finan
zieren. Sicher würde ein hemmungsloser Stadtbanrat auch beim
kräftigsten Teile der deutschen Industrie lebhafte Unterstützung
für das angedeutete große Einfuhrgeschäft finden, wenn in den
erforderlichen Verträgen mit den ausländischen Holzlieferanten
für die Abnahme deutscher Waren gebührend gesorgt würde.
Waren werden ja bekanntlich nur mit Waren bezahlt. Und nur die
Einfuhr kann Vorüberteuerungen auf dem heimischen Markt schützen.
Unsere Holzindustrie müßte sich besonders freuen, wenn durch
die Einfuhr von 10000 nordischen Holzhäusern wirklich bewährter
Typen endlich bei uns den bürokratischen Vorurteilen gegen das
Holzhaus der Garaus gemacht würde. Da zur Behebung der deut
schen Wohnungsnot nicht 10000, sondern Hunderttausende von
Holzhäusern erforderlich sind, würden sogar die Maurer verdienen;
sie könnten kaum die Fundamente schnell genug legen.
FEINDSCHAFT GEGEN DAS HOLZHAUS?
Audi ist es durchaus nicht sicher, daß in Berlin die Abnehmer
für die neuen Kleinhäuser fehlen würden. An die polizeiliche Be
fugnis, gesundheitswidrig überfüllte Mietskasernen zwangsweise zu
entvölkern, braucht hier gar nicht gedacht zu werden. Daß heute
neue Mietswohnungen leer stehen bleiben, bedeutet doch nur,
daß es an Leuten fehlt, die Lust oder Vermögen haben, den Be
trag von 800—1200 Mk., je Zimmer d fonds perdu zu zahlen, der
heute von jedem Mieter gefordert wird. Da beim Kaufe des Klein
hauses diese Anzahlung von 2400—4000 Mk. aber nicht verlorenes
Geld sondern bleibender Besitz, etwas wie eine Lebensversicherung
darstellt, ist der Anreiz beim Kleinhause sehr viel stärker als bei
der Mietskaserne. Auch könnte die Anzahlung beim Kleinhause
von 180—260 cbm geringer sein, da dieses nur halb so viel kostet
als eine Kasernenmietswohnung von 360-^500 cbm; auch wäre nach
der Anzahlung (d. h. also dem Kaufe) im Kleinhause ja keine
Miete zu zahlen, sondern nur der städtische Zuschuß von 7000 bis
8000 Mk. zu verzinsen, was eine Ersparnis von mindestens 1000 Mk,
im Jahr darstellen und den städtischen Zuschuß in wenigen Jahren
amortisieren würde. Der Umsatz des Geldes würde also schneller
und die Geldbeschaffung für Neubauten leichter sein. Zur Steigerung
des Anreizes wäre es wichtig, auch Typen zu verwenden, die
späterer Erweiterung fähig sind, was ja eine bereits gelöste Auf
gabe darstellt.
Mit einem Worte, nur ein hartgesottener bürokratischer Stadt
baurat kann Berlin vor einer Revolution im Wohnwesen schützen.
SVERRE PEDERSEN, DRONTHEIM, ÜBER DAS HOLZHAUS
Zum Zwecke dieses kleinen Vorberichtes zu den angekündigten
Ausführungen von Baurat Alexander Klein versuchte ich, einige
Auskünfte über die Aussichten des mir aus Amerika vertrauten
Holzhauses zu erhalten.
Unter meinen Freunden hatte ich namentlich Herrn Professor
Pedersen, Drontheim, die Berliner Wohnungsverhältnisse in beweg
lichen Worten geschildert, weil ich midi erinnerte, daß er selbst für
die Gemeinde Drontheim viele Holzhäuser gebaut hat. Ich faßte
meine Schilderung schließlich zusammen in die Frage: „Würden Sie
sich wohl zufrieden geben, wenn Ihnen bei einem Fehlen von 100000
Wohnungen in Groß-Berlin von bürokratischer Seite vorgerechnet
würde, daß, gleichgültig wer die Leitung in die Hand bekäme, nicht
mehr als 10000 Wohnungen im Jahre gebaut werden könnten.
Wieviele Wohnungen würden Sie als praktisch ausführbar fordern?“
Pedersen antwortete mir in einem Telegramm: „35000". Seinem
Brief, der einige Tage darauf folgte, entnehme ich folgendes:
„Norwegen könnte Ihnen ohne Schwierigkeit 12000 Häuser
liefern und aufstellen, ohne daß die Betriebe sich deshalb be
sonders anstrengen oder ihre sonstigen Arbeiten zurückstellen
müßten. Schweden kann gewiß dieselbe Anzahl liefern, ebenso
Deutschland oder andere Lander. Diese Häuser werden sehr warm
im Winter und im Sommer angenehm kühl sein. Wir können
nach unseren Erfahrungen Häuser bauen, die bloß geringe Unter-
haltungs- oder Reparaturkosten fordern. Professor Andre Bugge
von der hiesigen Hochschule (Drontheim) hat sorgfältige Messungen
des Wärmeverbrauchs angestellt. Er hat nachgewiesen, daß die
Holzhäuser infolge ihrer wärmetechnischen Überlegenheit bedeu
tend wirtschaftlicher sind als die besten Steinhäuser. Selbst wenn
die Holzhäuser größere Reparatur- oder Unterhaltungskosten
machen würden, so würde das durch ihre wärmetechnische Über
legenheit mehr als ausgeglichen werden. Bitte nehmen Sie mir
nicht übel, wenn ich sage, daß die Häuser in Bezug auf Kon
struktion, Ausstattung und formales Äußere anders gemacht werden
müssen, als man sie in Deutschland, jedenfalls bis vor kurzem,
kannte. Gerade die äußere Architektur der Häuser muß mit Rück
sicht auf die Reparaturen auf unseren Erfahrungen aufbauen. Diese
haben uns zu einfachsten Formen gedrängt, die dem sogenannten
.kolonialen* Stil der Amerikaner ganz ähnlich sind. Auch in Nor
wegen sind Holzhäuser gebaut worden, die sich gegen diesen
Geist versündigen. Andererseits ist das Holz Norwegens, weil
es unter härteren Verhältnissen im nördlichen Hochgebirge ge
wachsen ist, gerade für den Wohnungsbau besonders geeignet.