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Abb. y-11
Aus der Siedlung „Ceciliengärlen" in Berlin-Schöneberg
Architekt: Heinz Lassen, Berlin
die Front und das Dach des Geschäfts
hauses, löste sich schließlich vom Sitz
des reklametreibenden Geschäfts und
nistete sich ein an allen Fronten, auf
allen Dächern der Verkehrsstraßen,
so eine Art Eigendasein gewinnend.
Heute beherrscht sie in dieser Form
bei Tage und bei Nacht das Bild
unserer inneren Stadt, schont keine
Straßenwand, keinen Dachfirst, kein
Auge. Vorangegangen ist uns Amerika
auf diesem Gebiet, unbelastet von
Kultur, von Überlieferung, Es bleibt
führend und verführend, es trägt die
Verantwortung für das Aussehen unse
rer Verkehrsstraßen. Danken können
wir ihm das nicht.
Selbst vom schönheitlichen Stand
punkt abgesehen, verstößt dieser Zu
stand auch gegen den guten kauf
männischen Standpunkt, daß die Ware
sich selbst loben soll, und verlegt den
Schwerpunkt der Wirkung auf die
tunlichst aufdringliche Anpreisung
ohne Rücksicht auf die Güte derWare.
Auch die verkehrstechnische Seite der
modernen Reklame ist nicht zu ver
kennen. Der Fußgänger hat gerade
an den Hauptverkehrspunkten der
Stadt, wo sich die Reklame mit ge
sammelter Kraft ergießt, allen Anlaß,
auf sich wie auf denVerkehr zu achten.
Wird nun plötzlich seine Aufmerksam
keit durch eine flammende Reklame
von dem umgebenden Getriebe ab
gelenkt, hat er alle Aussicht, sich unter
den Rädern einer Trambahn wieder
zufinden.
Auch eine Reklame ln üblem Sinne
durch die Architektur selbst hat ihre
Anhänger, die da meinen, es komme
nicht so sehr auf die Güte einer künst
lerischen Leistung an als darauf, daß
ein Bau auffalle und dadurch Käufer
anlocke. Für diesen Vandalismus ist
aber das Haus ein allzu dauernder
Bestandteil einer Stadtgegend, der
Stein ein allzu ernsthaftes Material.
Es gibt auch eine vornehme Form
der Reklame. Diese vornehme Art
sucht angenehm aufzufallen durch wohl
ausgestattete und künstlerisch in Form
wie in Farbe edel geordnete Auslage
der Ware, nicht durch aufdringliche
Anpreisung der Firma. Sie bleibt
innerhalb des Hauses und verlangt
nicht, das Straßenbild „in reklame-
hafter Weise“ bewußt zu stören.
Denn das Bild einer Straße ist ein
durch Generationen erworbenerKultur-
wert, der nicht ungestraft angetastet
werden darf. Die Brutalität, mit der
sich eine ungebührlicheReklame gegen
das öffentliche luteresse durchsetzt,
ist darum nicht minder empfindlich,