EINE BERICHTIGUNG ZUR STADTBAURATFRAGE
Herr de Fries, der frühere Herausgeber der Zeitschriften
„Die Baugilde“ und, vorher, „Der Städtebau“, wandte sich am
29. Januar 1926 in einem Schreiben „an den Magistrat der Stadt
Berlin, zu Händen des Wahlausschusses für den Hochbaurat“,
worin er eine angebliche Kandidatur des jetzigen Herausgebers
der Zeitschriften „Städtebau“ und „Wasmuths Monatshefte für
Baukunst“, Dr. Werner Hegemann, leidenschaftlich bekämpft. Dabei
hat Herr de Fries so viele falsche Behauptungen über den Heraus
geber unserer Zeitschriften aufgestellt, daß wir uns zu einer
Äußerung veranlaßt sehen.
Wir bemerken zu dem ungewöhnlichen Vorgehen des Herrn
de Fries:.
1. Dr. Hegemann hat sich nicht um das Amt des Stadtbaurates
beworben. Seine Kandidatur ist vielmehr vom „Aktionskomitee
für Boden-, Siedlungs- und Wohnungspolitik“ der Spitzengewerk
schaften, Kriegsbeschädigten, Mieter, Kleingärtner usw. aufgestellt
worden. Dr. Hegemann selbst hat sich im Ende Dezember 1925 er
schienenen Januarheft 1926 der „Monatshefte für Baukunst“ nach
drücklich für die Wahl von Dr. Schmidt, Essen, oder die Wieder
wahl von Karl Elkart eingesetzt. Dazu schrieb Dr. Hegemann:
„Nur für den Fall, daß es unmöglich sein sollte, entweder den
Der Mann, den das „Berliner Tageblatt“ nicht nennt, jener
Siedlungsdirektor, ein der Große und sozialen Verantwortung
seiner Aufgabe gewachsener Fachmann auf dem Gebiete des
Städtebaues und des Wohnungswesens ist heute iatsählih in
Berlin niht vorhanden. Alle auftauchenden Kandidaten stellen
Notlösungen dar, mögen sie vorr politischen Parteien, von der
Bureaukratie, von der Terrainspekulation, von Baugeshäften
und privaten Cliquen präsentiert oder vorgeschoben sein. Der
im höhsten Maße ethishen Bedeutung der Aufgabe ist keiner
von ihnen durch Persönlihkeitswert auh nur annähernd ge
wachsen. Uber den notwendigen Umfang fachlichen Wissens
und politisher Einsiht verfügt niht eine einzige der wehseln-
den Figuren. Ein Mann tut not in Berlin, der, von Vergangen
heit unbelastet, über das ausreihende Maß fahlihen Wissens
und praktisher Erfahrung verfügt, das die ungeheure Verant-
wortlihkeit der Aufgabe erfordert. Er ist in Berlin ansheinend
gegenwärtig niht zu finden. Vielleiht ober in Deutshland.
Es gibt in einigen deutshen Großstädten mit ganz ähnlihen
Aufgaben ein paar außerordentlih tüchtige Fahleuie, bei denen
anzufragen niht nur erwägenswert, sondern sogar zwingend
notwendig ist, will man eine der bedeutungsvollsten Materien
der Volkswohlfahrt niht verantwortungslos verhandeln. Wenn
sih aber in Berlin und Deutshland niemand findet, der ge
eignet oder gewillt ist, diesen außerordentlih schwierigen Posten
zu. übernehmen, so möge man noh eher auf dem Monde Umshau
halten, als zu einer in jedem Falle unzulänglihen Notlösungen
vorzüglich eingearbeiteten Elkart zurückzurufen oder den in Essen
erprobten Dr. Schmidt zu gewinnen, würde der vom »Aktions
komitee für Siedlungs- und Wohnungspolitik« vorgeschlagene
Unterzeichnete wünschen, daß seine Kandidatur neben der von
Männern, die wie Bräuning, Koppen, Heiligenth’al der Berliner
Verwaltung näher stehen, als eine Möglichkeit neben vielen anderen
ln Betracht gezogen wird. Werner Hegemann-“
2. Herr de Fries bezichtigt Herrn Dr. Hegemann eines un
genügenden Verantwortungsgefühls für die sozialpolitischen Auf
gaben der Gegenwart. Gleichzeitig ruft er als Zeugen den Kunst
schriftsteller Karl Scheffler heran, der gerade gegen Dr. Hegemann
den Vorwurf allzu radikaler wohnungspolitischer Gesinnung erhoben
hat. Man könnte sagen, Herr de Fries bediene sich in seiner Polemik
unlogischer Mittel, deren Widersinnigkeit ihm bewußt sein dürfte.
3. Nun aber das Überraschende: Es war gerade Herr de Fries,
der schon 1920 den damals in Amerika tätigen Dr. Hegemann
drängte, seine Kandidatur für das Amt des Berliner Städtebau-
' direktors aufzustellen. Um diese Kandidatur herbeizuführen und
Herrn Dr. Hegemann zur Rückkehr aus Amerika zu veranlassen,
schrieb Herr de Fries in Heft 9/10, 1920, der Zeitschrift „Städte
bau“ folgendes;
zu greifen, die immer nur irgendeiner Spezialrihtung, niemals
aber den Gesamtkomplex der dringendsten Lebensnotwendig
keiten von etwa 78 (> / 0 der gesamten Bevölkerung gerehi wird.
Es ist vielleiht niht einmal nötig, im äußersten Falle den Pla
neten zu verlassen und die Sterne abzugrasen. Erinnert sei
hier z. B. an eine der fahwissenshaftlih bedeutendsten Persön
lichkeiten des Städtebaues, an Werner Hegemann, den General
sekretär der Städtebauausstellungen in Berlin und Düsseldorf
und Verfasser eines grundlegenden Werkes über die städtebau
lichen Aufgaben in den Großstädten unserer Zeit. Bei Kriegs-
ausbruh auf einer Studienreise in Australien weilend und von
der Heimat abgeshnitten, ging er nah den Vereinigten Staaten
von Amerika, wo er seitdem gemeinsam mit dortigen Arhitekten
im Städtebau und Siedlungswesen praktish tätig ist (siehe
Gartenstadt Wyomissing 1919). Daß Hegemann gern nah
Deutshland zurückkehren würde und eine in sein Arbeitsgebiet
fallende große, verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen würde,
sieht wohl außer Zweifel. Er ist Kandidat keiner politischen
Partei, keiner Clique, keiner Interessenvereinigung, er ist bisher
überhaupt niht Kandidat, obwohl seine Kenntnis der städtebau
lichen und wohnungstehnishen Bedürfnisse der Großstädte der
ganzen Welt ihn für den kranken Organismus Groß-Berlins be
sonders geeignet mäht.
Es ershtint zwingend notwendig, endlih einmal die Verant
wortung für das Wohnungswesen einer Riesenstadt, die an Ein
wohnerzahl und an Umfang ihrer Bauaufgaben großen deutshen