Abb. 1 / Forum civile zu
Pompeji / Wiederherstcl-
lunjjsversuch / Lageplan
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FORVH* CIVILE II
COMITIVM
DAS FORUM CIVILE ZU POMPEJI / EIN MEISTERWERK ANTIKER STADTREGULIERUNG
VON OTTO GOLDSCHEIDER, ZAGREB
Schwere Sünden der Väter waren wieder gut zu machen, als
es galt den offenen Marktplatz von Pompeji, auf welchem sich
bereits eine Reihe öffentlicher Stadt- und Kultbauten befanden,
zu regulieren.
Weder die Basilika (Handelsgericht u. Börse) und der Apollo
tempel an der Westfront des Marktplatzes, noch der sogenannte
Bazar oder das Haus der Eumachia (Markthalle der Tuchwirker),
der Tempel des Vespasian und die spätere Fleisch- und Fischhalle an
der Ostfront hatten eine einheitliche Baulinie. Von allen Richtungen
mündeten Straßen ein und Hessen keine einheitliche Wirkung auf-
kommen (Abb.l; dunkel schraffiert die bereits bestehenden Bauten,
hell die neu hinzukommenden Bauten laut Regulierungsplan).
Griechisch-römischer Geist meisterte auch diese schwierige Auf
gabe in so vollendeter Weise, daß heute niemand die großen
Schwierigkeiten, die der Lösung entgegenstanden, vermuten würde;
vielmehr möchte man meinen, daß der Platz von vornherein nach
einem einheitlichen Plan angelegt wurde.
Der Grundgedanke der Regulierung war, den Platz in einen
großen einheitlichen Raum von etwa 30 m Breite und 150 m Länge
umzuwandeln, und damit dieselbe Wirkung, wie beim Betreten
eines Peristyls im Wohnhause auch beim Betreten des Forums zu
schaffen. Vornehm und in ruhiger Geschlossenheit erstreckt sich
das Forum vom Standpunkt 1 des Lageplans (Abb. 2) mit dem
Jupitertempel als Nordwand des Forumsaales und dem Vesuv
als Blickpunkt. So ist ein würdiger Vorsaal für die angrenzenden
Kult- und öffentlichen Verwaltungsbauten geschaffen — für Privat
häuser gab es hier keinen Platz.
Die Regulierung hatte drei Aufgaben zu erfüllen: 1. die archi
tektonisch-künstlerische, 2. die verkehrstechnische und schließlich
3. eine raumschaffende, für noch erforderliche weitere Kult- und
öffentliche Bauten.
Der erste Teil der Aufgabe war bereits mit der Fassung
des Peristylgedankens gelöst. Es wurde den bestehenden Bauten
eine Säulenhalle vorgestellt und die Parallele zu der Bauflucht
der Säulenreihen bei der Basilika durch eine mit Fallgittern
zu schließende Vorhalle, beim Apollotempel durch eine vorge
legte Mauer von abnehmender Stärke, deren Nischen der Markt
polizei zugewiesen wurden (Eich- und Wagamt) bewirkt. An der
Ostfront wurde dem Bazar der Eumachia ein reich mit Nischen
gegliederter Vorbau vorgesetzt, das ehemalige Pantheon erhielt
einen neuen Bauteil mit vom Marktplatz zugänglichen Verkaufsbuden.
In gleich vorzüglicher Weise wurde der dritten Aufgabe, die
neuhinzukommenden Gebäude in den allgemeinem Baugedanken
einzugliedern, entsprochen. So fügt sich die Kurie unmittelbar in
das Hallensystem ein, gleichzeitig die Vicolo degli Balcone abschlie
ßend und sie zur Sackgasse gestaltend. Doch kann durch Fallgitter
der Zugang zum Forum geöffnet und dem Verkehr freigegeben
werden. Ähnlich wird das Comitium in das allgemeine Baupro
gramm mit einbezogen; hier sind als Steigerung und zugleich aus
zwecklichen Gründen zwei Säulenreihen vorgelegt und dadurch
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Städtebau 1926, Heft 11
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