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kalte Luft als ein pfeifender Strahl in die Stube fallen. Und der
obdachlose Bettler, der durch die Winternacht schleicht, könnte in
den hellen, warmen Raum hineinstarren. Ohne daß man es wüßte,
würde er auf die Familie sehen, die da um den dampfenden Reis
sitzt, und würde neidische und bittere Blicke werfen. Mörder und
Wegelagerer könnten sehen, wie behaglich man es sich Wohlsein
läßt. Und doch ist die Furcht vor Mördern nicht das Schlimmste,
und der Zug der Nachtkälte würde nicht so spürbar sein, wenn
man gut zugedeckt auf dem Kang läge, der gemauerten gewärmten
Bettstatt. Aber wäre da eine Öffnung gerade hinaus in die Um
welt, so würde man ahnen, selbst wenn man ihr den Rücken kehrte,
wie der böse leere Raum hereinsickerte und alle Sicherheit verjagte.
Das ist ein halb unbewußtes Gefühl, dem man keinen Namen geben
kann, und es würde wachsen, bis es die Seele mit Angst durch
dränge; dann breitet sich die Angst über den Körper aus, der steif
wird, und die Glieder frieren zu Eis. Das sind die bösen Geister!
Dünn wie der Rauch einer eben erlöschenden Flamme schmiegen
sie sich durch die kleinste Ritze, und dann können sie sich aus
breiten, wachsen, bis sie von der Erde an die Decke reichen. Und
wenn man da nicht weise ist wie ein Taoistenpriester, der die tiefen
Geheimnisse kennt, so kann man ihnen nicht widerstehen. Sie
können töten, wenn sie wollen, können über die Gesichter der
Kinder hinstreichen, so daß sie die Züge auslöschen, die leer,
ohne Nase und Augen Zurückbleiben.
Vor den Geistern muß man sich also hüten; selbst wenn man
das nicht von anderen gehört hat, so kann man es an sich selber
fühlen. Wenn man außerhalb seines Hauses geht, ist man nicht
so leicht anzugreifen, da ist man gleichsam beschützt durch eine
Hülle von Formen. Aber wenn man diese zu Hause ablegt, da
ist es nicht gut, von der Welt gesehen zu werden; sie könnte da
mit häßlichen Fingern an die bloße Seele tasten.
Es kommt auch nichts Gutes dabei heraus, wenn andere eines
Mannes Frauen sehen. Aber wenn er sein Haus nach allen Seiten
gegen die Umwelt abschließt, wenn er eine Mauer gegen die
Geister vor die Tür setzt, so kann er eine sichere kleine Welt
ohne fremde Einflüsse schaffen.
Im Hof stehen zierliche Blumen, stehen in Fülle zwischen den
Fliesen. Und da grünen die Bäume, die man gern hat. So kann
man sie immer sehen und sich an ihrem Wachstum freuen. Der
feine Bambusschleier schmiegt sich an das rote Holzwerk der
Fenster. Die Stämme strecken sich mit frischen Schößlingen nach
der Sonne, die in dem blauen Himmel loht. Mit den Stunden
des Tages gehen ihre Strahlen im Kreis von Fenster zu Fenster.
Aus dem hellen viereckigen Stück Himmel, das man sehen kann,
kommen auch Insekten herein und spielen im Laub; und in einem
kleinen Käfig sitzt eine Zikade und singt ihre pfeifenden Triller,
daß es eine Lust ist.
Draußen auf der Straße gehen die Händler vorbei: man hört
sie wie eine dünne und zarte Musik, die etwas aufsteigt um
wieder zurückzufallen. Man fühlt den Frieden in der kleinen
warmen Freistatt und kann die Töne am Ohr vorübergleitcn
lassen. Aber es kann auch unterhaltsam sein, ihnen genau zu
zuhören; denn dann weiß man ja, wer es ist, der draußen geht.
Hört man das lange klingende Schwirren von Metall, so denkt
man sich gleich den Barbier, der Tabureit und Becken auf einer
Stange über die Schulter gehängt hat, und wenn man zwei kleine
Messingschalen gegeneinander schlagen hört, Weiß man, das ist
der Mann, der Porzellan verkauft. So gibt es viele Laute, die
vorbeiziehen und von einem Händler erzählen. Das Picken auf
einem winzig kleinen Trommelfell, das magere Gong-gong, die
Holzlaute der Castagnetten, die kleine Trompete; alle sind sie
wirkliche Töne, nicht bloßer Lärm. Nur der Schubkarren des
Wasserträgers knarrt einher als eine knirschende Disharmonie,
nähert sich und übertönt selbst die Zikade mit seinem lauten
schreienden Jammern. Jetzt kommt er vorbei, die falschen Laute
stöhnen und miauen, bis sie endlich fallen und in dem fernen
Lärm der Stadt verschwinden, der niemals schweigt. Dann hört
man wieder die säubern Laute der kleinen Instrumente, eine
Musik für Unterirdische und Elfen.
Steen Eiter Rasmussen, Kopenhagen