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Das Potsdamer Rathaus (3 Abb. auf S. 90 und beiliegender
Tafel), für das selbst Gurlitt ein gutes Wort gefunden hat, ist um
geben von einem Sammelsurium ziemlich urteilslos nebeneinander
gestellter Kopien. Otto Zieler schrieb 1913 in „Potsdam“; „Der
künstlerische Despotismus des diletticrcnden Königs, der noch zu
Knobelsdorffs Zeit einsetzt, macht sich zuerst am allen Markt
geltend" und selbst Goecke, der kein Klassizist war, schrieb 1914:
,.Man kann nicht behaupten, daß der alte Markt ein harmonisches
Gebilde sei“.
(.Fortsetzung von Seite 83J
meister v. Gontard hat Friedrich II. 43 Tage lang in Stubenarre s j. o- e setzt, und
es gab keinen B. D. A., der für ihn eintreten konnte) und das vergessene bau
künstlerische Staatspferd des sparsameren Kaisers aus der Wiener Hofburg
holte und unerwartet vor die königlich preußische Staatskarosse spannte. Aber
dürfen Sie es wirklich »große deutsche Kunst zu Ehren bringen« nennen, daß
Friedrich II. einen für ganz andere räumliche Verhältnisse und in einer ganz
anderen Zeit entworfenen Bau, einen barocken Bau mit konkav eingezogener
Schauscite, völlig beziehungslos in die Ecke eines klassizistisch straffen Platzes
stellte? Bedenken Sie doch den Ursprung derartig konkaven Einziehens in der
Mitte einer Fassade! Als Ricchini in Mailand seine Fassade des heutigen Palazzo
del Senate konkav einzog, vermied er dadurch das harte Zusammenstößen der
Palastfront mit der schräg vorbeiführenden Straße. Wie in einer großen Nische
wild die Bewegung der Straße aufgefangen. Die konkave Form entstand auf
Grund einer räumlichen Forderung, deren Erfüllung Palast und Umgebung in
enge Verbindung setzt.*) Der Wiener Entwurf des Fischer von Erlach paßte
ähnlich sinnreich auf den Wiener Platz, für den er entworfen war. Aber für die
Ecke des Berliner Opernplatzes, für den er durchaus nicht entworfen war,
paßte er nicht. Der Bau ist zu kurz für die Baustelle, die er füllen soll, und
bei der Aufstellung ist nicht einmal die einfachste Achsenbeziehung zum gegen
überliegenden Opernhause gewahrt. Und selbst wenn sie gewahrt wäre, würde
doch noch die großartigere Barockgebärde des Wiener Hofburgentwurfes in die
Nähe der niedrigeren und (vor ihrer modernen Verballhornisierung) schon vor-
schinkelhaft streng wirkenden Oper und der Hedwigskirche (die als Schlußstück
in der anderen Ecke keine Nebenbuhlerschaft verträgt) höchstens ebensogut passen
*) Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 5 in Eberhard Hempels großartiger neuer Monographie über
Francesco Borromini, Wien, 1924, Kunstverlag Anton Schroll.
Vorschlag für die Erweiterung des Potsdamer Rathauses / 1914 mit dem ersten Preise gekrönter Entwurf von Architekt Dipl. Ing. Landsberg-Berlin
Die Ausführung dieses Entwurfes wurde durch Überbauung einer Straße und Beseitigung friderizianischer Häuser etwas Ordnung in den zerfahrenen Platz bringen