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Stelle in der Ecke erkannt, wo die beiden Baukörper
sich am nächsten kommen. Es ist schwer zu sagen,
wie das besser gemacht werden könnte, wenn man
nicht auf diesen wirkungsvollen Blick verzichten will.
Soviel ich gesehen habe, hat keine andere Arbeit
einen Durchblick in dieser Gegend, wo gerade die
Diagonalansicht, wie auch das Preisgericht an anderer
Stelle anführt, besonders günstig ist.
Die Arbeit der Dipl.-Ingenieure Schwaderer & Hoss-
Stuttgart zeigt zwar einen durch eine etwas gekünstelt
wirkende Unterbrechung des Bautrakts längs der Straße
erzielten Durchblick, der aber durch den zweiten Trakt
gegen den Münsterplatz überschnitten wird. Die vor
geschriebenen Standpunkte für die Schaubilder mögen
insofern irreführend auf die Bewerber gewirkt haben,
als die Anordnung der Baumassen diesen Standpunkten
zulieb vielfach anders getroffen wurde, als es die
Situation im Ganzen gesehen erfordert hätte.
Einer der preisgekrönten Entwürfe (Architekt Wetzel-
Stuttgart) fällt auf durch seine Eigenart, die ihn außer
halb aller sonst versuchten Lösungen stellt: er behält
den freien Blick auf das Münster beim Verlassen der
Hirschstraße bei und schließt nur die Lücke des süd
lichen Münsterplatzes durch zwei Einzelbauten, die durch
Terrassenanlagen auf dem weiten, etwas abfallenden
Münsterplatz architektonisch verankert werden. Diese
Lösung stellt die geringste Veränderung des gegen
wärtigen Zustandes dar und gibt doch der Münster
westfront den so nötigen Maßstab und dem weiten
Platz einen gewissen Halt.
Der Gang durch die, wie es heißt, 5 km lange Front
von mit Plänen behangenen Gestellen ist überwältigend;
welche Summe von guter und bester Arbeit ist hier
vereinigt und harrt der Anerkennung! Natürlich fehlt
es auch nicht an wirr-phantastischen und unfähigen
Arbeiten.
An einem kurzen Tag ist es nicht möglich, einen vollen
Überblick zu bekommen, der den guten Leistungen
auch nur einigermaßen gerecht würde. Man muß sich
auf flüchtige Eindrücke beschränken.
Noch eines sei nebenbei gesagt: es ist erstaunlich,
wie verhältnismäßig wenig gute, sachliche Darstellungen
bei den Schaubildern zu finden sind. Nichts verträgt
weniger modische Darstellung als Architektur mit ihrer
kantigen Körperlichkeit. Die modische Darstellung
umschreibt in gefälliger, einschmeichelnder Weise die
rauhe Wirklichkeit. Der Architekt will aber doch
zeigen, wie sein aufgemauertes Geistesprodukt in
seiner plastischen Gestaltung als das wirkt, was es
ist, und nicht, daß man dieses Gebilde mit der Aus
drucksweise des modernistischen Zeichners so um
schreiben, umspielen, hinwegleugnen kann, daß es
mehr einem bengalischen Bühnenzauber gleicht als
einem Kubus aus Stein und Eisen.
ABB. 156 (LINKS) / ANGEKAUFT. KENNWORT: „MARIENLEBExN“ / ARCHITEKT:
FRIEDRICH HESS, ZÜRICH
Urteil des Preisgerichts:
Das Hauptgebäude wirkt durch seine schlichte Bauweise. Die Lage des Gebäudes hat den Vorzug,
daß das Klemmsche Haus verdeckt wird und der Blick von der Hirschstraße auf das Münster zu
offen bleibt.
Der Flügelbau gegen das Klemmsche Haus ist für die Überleitung zu der Baumasse des Münsters zu
niedrig, so daß das Hauptgebäude zu isoliert auf dem Münsterplatz steht. Der Flügelbau auf der
anderen Seite des Hauptgebäudes verdeckt den unteren Teil des Münsters und bleibt besser weg.
ABB. 157-159 (UNTEN) / ANGEKAUFT. KENNWORT: „RAUM“ I ARCHITEKTEN:
K. WÄGENBAUR UND DR. K. WEIDLE, TÜBINGEN
Urteil des Preisgerichts;
Der Verfasser bringt die einfachste Lösung. Er führt ein Gebäude unter einem First in leichter Schwin
gung von der Ausmündung dei Hirschstraße bis zum südlichen Münsterplatz. Er erreicht damit zu
nächst einen guten Abschluß der Hirschstraße, ohne den Blick auf den Turm von der Hirschstraße aus
Zu verdecken, und eine ausgezeichnete ruhige Platzwand des eigentlichen westlichen Münsterplatzes.
Der schöne Diagonalblick auf den Turm mit Hauplportal am Klemmschen Hause vorbei bleibt gewahrt.
Ebenfalls günstig- wirkt der Abschluß des südlichen Münsterplatzes von Osten her gesehen. Die Höhe
des Gebäudes dürfte mit vier Geschossen die richtige sein; nur wirken die Giebelabschlüsse nicht
günstig. Eine Abwalmung wäre hier besser angebracht.
Den Herren Wagenbauer und Dr. Weidle schuldet die Schriftleitung besonderen
Dank für wertvolle Mitarbeit an der Zusammenstellung dieses Heftes.