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Abb. 43 / Kloster Melk (vgl. Abb. 44).
Die Klosterkirche mit ihren achsial an-
geordneten Vorplätzen.
Abb. 45 / Canterbury. Der Plan der Kathedrale
zeigt eine große achsiale Anordnung, die 20 m länger
ist, als das Ulmer Münster. Sie stellt eine reich ge
gliederte Gruppe von überwölbten Plätzen in doppelter
Kreuzform dar. Links Kreuzgang, ein streng ge
faßter Raum unter freiem Himmel. Erbaut 1070—1185.
Abb. 46 / Rom. Die Kirche S. Gregorio wurde
im 8. Jahrhundert erbaut und im 18. Jahrhundert
erneuert. Vor der Kirche liegt als Vorplatz ein
schöner, offener Säulenhof (erbaut 1630). zu dem
eine große Freitreppe hinaufführt. Die ganze hier
im Plan dargestellte Anlage ist nur 45 m lang.
wir heute die ältesten Pläne der griechischen Baumeister, welche die Propyläen und das
Erechtheion streng regelmäßig gestalten wollten (Abb. 56 u. 57) und mit ihren Absichten an
abergläubischem Widerstande, Armut und Kriegsnot ebenso gescheitert sind wie die mittel“
alterlichen Dombaumeister mit ihren Hoffnungen. Es ist besonders wertvoll, sich zu erinnern, daß noch der größte unter den Vorkämpfern
der Gotik im 19, Jahrhundert, Viollet-Ie-Duc, in seiner theoretischen Rekonstruktion eines griechischen Tempels, der im 5. Jahr
hundert v. Chr. ganz ähnlich wie das Athenische Parthenon gebaut wurde, einen streng symmetrischen Vorplatz annahm (Abb. 59),
und daß er ihn selbstverständlich auch für einen römischen Tempel forderte (Abb. 60). Der französische Kunsthistoriker Choisy
spricht sehr treffend von der „Unordnung der griechischen Akropolen" und meint damit eben das „gewachsene“ malerische Durcheinander,
in dem sich Anlagen wie die Athenische Akropolis und
genau so die ältesten Foren in Rom und Pompeji ent
wickelten. Die spätere Entwicklung in Griechenland
und im Hellenistischen Reich, in Rom, im Römischen
Reich räumte bei Neuschöpfungen (wie Priene, Per
gamon, Heliopolis und vielen anderen) mit den Be
klommenheiten der Frühzeit genau so auf, wie es die
Nürnberger 1349 mit dem Judenviertel und wie es
später die Renaissance bei ihren Neuschöpfungen tat.
Ein innerer Widerspruch zwischen den späteren und
den früheren Zeiten, zwischen den Absichten der Stadt
baukunst von Hellas und Rom oder von Gotik und
Renaissance besteht nicht, sondern im Gegenteil, die
spätere Zeit vermochte, dank größerer wirtschaftlicher
Mittel, die Träume der Frühzeit zu verwirklichen. Der
notwendig richtige Vorplatz für das Parthenon konnte
in Athen noch nicht geschaffen werden; in den Neu
schöpfungen von Agrigent (Abb. 59), Heliopolis (Abb. 58)
und Rom ist er geschaffen worden. Der notwendig
richtige Vorplatz eines gotischen Münsters konnte in
der „quetschenden Enge“ des mittelalterlichen Ulm nicht
geschaffen werden, im Metz (Abb. 49) und Salzburg
(Abb. 47) des 18, Jahrhunderts ist er für Kirchen
Abb. 44 / Kloster Melk (vgl. Abb. 43). zweiten Ranges geschaffen worden; im Ulm des 20. Jahr-