DER STÄDTEBAU
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der freien Gruppierung der vorgelagerten Einzel- und
Gruppenhäuser anpassen. Bei dem hier bereits neu er
richteten Gewerbeschulgebäude gibt der vorgestreckte Saal
anbau die Überleitung von der hohen, geschlossenen zu der
niedrigen aufgelösten Bauweise.
Der gesamte Bebauungsplan entspringt zunächst rein
wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Grundlagen. Aus
der bescheidenen Zweckerfüllung und den genau erwogenen
örtlichen Bedürfnissen an Geschäfts- und Wohnhäusern
und öffentlichen Gebäuden entwickeln sich ganz von selbst
städtebauliche Anlagen, aus deren Eigenart und wechsel-
vollen Gestaltung sich allenthalben künstlerische Werte
schaffen lassen.
Der Fortfall der Bahnanlage reißt in die Stadt eine
weite Lücke. Durch die schräg auf den Bahnhof zulaufende
neue Geschäftsstraße wird die verkehrsreiche Marktstraße
in nahe Verbindung mit dem neuen Bahnhof gebracht und
so die klaffende Wunde schnell wieder geschlossen. Weiter
hin wird die teilweise, nur 9 m breite Marktstraße ent
lastet durch Öffnung der ehemaligen Güterbahnhofstraße,
die nur 35 m Abstand von der Marktstraße hat und das
Neubaugebiet im Norden begrenzt. Außer Geschäftszwecken
soll die Neubebauung hauptsächlich Wohnzwecken dienen
und außerdem Platz schaffen für ein Sparkassengebäude,
ein neues Stadthaus, eine städtische Badeanstalt und ein
Stadttheater. Von einer Zusammenlegung der in Frage
kommenden öffentlichen Gebäude ist bewußt Abstand ge
nommen, Die Schaffung eines Forums ist nicht überall
zweckmäßig und wirtschaftlich. Die Gebäude am Wil
helmplatz — Theater und Hochhaus — sollen den Anfang
bilden zur Ausgestaltung eines Platzes, mit dem der Stadt
später einmal ein Herz gegeben werden kann ganz
eigener Art.
Für das geschlossen bebaute Wohnviertel ist die Straßen
aufteilung in Nordsüdrichtung vorherrschend im Anschluß
an das bestehende Straßennetz. Hierdurch erhalten die
Wohnungen zum größten Teil die günstige Ostwestlage.
Am Südende sind die Straßen weit geöffnet, in zwei Fällen
platzartig, ein andermal mit allmählich zunehmender per
spektivischer Erweiterung. So gewinnen die Wohnstraßen
freien Ausblick ins Rosengartenviertel und nehmen um
gekehrt von Süden her Licht und Sonnenwärme voll
in sich auf, was bei dem feuchten Seeklima besonders
wertvoll ist.
Die Verschiedenartigkeit der Bebauung des nur 14 ha
großen Geländes in geschlossener und offener Bauweise,
mit öffentlichen Gebäuden, Geschäftshäusern und Wohn
häusern in Hoch- und Flachbau bringt den Ausbau überall
gleichzeitig in Fluß und fördert den schnellen Zusammen
schluß der alten und neuen Teile des Stadtkörpers, Das
ganze Stadtgebiet beim Bahnhof erhält ein abwechslungs
reiches, eigenartiges und gegen den jetzigen Zustand voll
ständig verändertes Aussehen.
Für die Einordnung der öffentlichen Gebäude in den
Stadtplan sind besondere Gesichtspunkte maßgebend ge
wesen. Das Sparkassengebäude, dessen Errichtung am
dringendsten ist und dessen Lage an einem Verkehrsbrenn
punkt gewünscht wurde, liegt am Laubenplatz, wo die
neue Hauptverkehrsader mit den alten zusammenfließt.
Das Bahnhofs- und das Sparkassengebäude bilden die
beiden Pole, zwischen denen sich eine neue Verkehrsbahn
mit reichem Geschäftsleben naturgemäß entwickeln wird.
Das Stadttheater, die Badeanstalt und das Stadthaus sollen
erst später gebaut werden. Die Plätze dafür sind deshalb
an Stellen vorgesehen, wo die Bautätigkeit nicht sofort
einsetzen wird. Durch mannigfache Vorentwürfe sind die
günstigsten Grundstücksformen und Größen, die innere
Gestaltung und der äußere Aufbau für die öffentlichen Ge
bäude wie auch die günstigste Parzellierung der Geschäfts-
und Wohnhausgrundstücke ermittelt. Auf wirtschaftlichen
Grundlagen ist versucht, das Äußerste und Beste heraus
zuholen. Es sind keine Kulissen hingestellt. Die Bau
gedanken sind aus der inneren Zweckerfüllung heraus
durchforscht und zu lebenswahren Gebilden entwickelt.
Nur ein nach allen Richtungen hin durchgearbeiteter Be
bauungsplan gibt eine Grundlage und Gewähr dafür, daß
kein Eckchen Bauland nutzlos bleibt, daß jedes Bedürfnis
an der richtigen Stelle voll befriedigt wird und daß auch alle
Wirtschafts-, Verkehrs-, Gesundheits-, Kultur- und Kunst
interessen gewahrt werden. (Abb. im Text und Tafel 45
rechts.) Zum Beispiel hätte die Badeanstalt auf einer von
vornherein festgelegten Baustelle nichtso sparsam und zweck
dienlich angelegt werden können. Die Baustelle liegt nicht
an teurer Verkehrslage, wohl aber ln nächster Nähe, un
mittelbar von dem verkehrsreichen Laubenplatz erreichbar.
Die Form des Bauplatzes ist genau nach dem Bedarf
ermittelt. Bei einer nicht planmäßig vorberechneten, son
dern zufällig gegebenen Baustelle, ist das Bauland in der
Regel entweder zu reichlich oder zu knapp, also unwirt
schaftlich in seinen Abmessungen. Nur durch freie Wahl
und Gestaltung des Bauplatzes kann ein Höchstmaß von
Vorteilen herausgeholt werden. Hier noch die günstige
Stellung der Schwimmhallen, die weite Öffnung der Neben
straße gegen Süden durch die niedrig gehaltenen Trakte
für Wannen- und Kurbäder, deren terrassenartige Dächer
unmittelbar von den Schwimmhallen aus betreten werden
können. Dachgartenartig ausgebildet, in geschützter Lage
und voll besonnt geben die Terrassen Gelegenheit für Luft-
und Sonnenbäder, welche die Badenden im Sommer in den
geschlossenen Schwimmhallen immer schmerzlich ver
missen. Die unmittelbare Nähe einer Seewasserspülleitung,
welche die Schwimmbassins mit Seewasser speisen soll
und noch manche anderen Gründe und Erwägungen waren
für die Planung der Badeanstalt an dieser Stelle und in
dieser Form ausschlaggebend.
Das Beispiel deutet nur flüchtig an, daß der Bebauungs
plan Zweckerfüllung in wirtschaftlichster Form anstrebt,
daß er nur Wert hat, wenn er in allen Teilen seinen Da
seinszweck voll ausschöpft.
Bei immer gründlicherer Durchbildung bis zur Voll
endung in der Wirklichkeit werden dann auch auf Straßen
und Plätzen äußerlich Eindrücke entstehen, welche die
inneren Werte harmonisch wiederspiegeln.
Städtebaupläne lassen sich am besten beurteilen, wenn
zu ihrer Darstellung Mittel verwendet werden, die der
Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen, wenn neben
der Flächendarstellung auf dem Papier die körperliche
Wirkung im plastischen Modell veranschaulicht wird.
Schon in früheren Zeiten wurde dieses beste Darstellungs
mittel mit Erfolg angewendet, besonders zur Barockzeit,
die gerade auf städtebaulichem Gebiet hervorragendes ge
leistet hat.
Im Modell lassen sich die Baumassen, die Gebäude
gruppen und Bauteile, die Straßenfluchten und die Platz-