DER STÄDTEBAU
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Abb. 14. Aus der neuen Bergarbeitersiedlung in Dortmund-Dorstfeld.
Blick vom Sportplatz nach der geplanten katholischen Kirche an der Finefrau.
Architekt: Otto Salvisberg, Berlin.
Arbeitsfreude und Tüchtigkeit sich am freiesten entfalten
können.
Es ist falsch, resigniert mit der großen Auswanderung
oder gar dem von Clemenceau gewünschten großen Sterben
zu rechnen. Zum mindesten in den auf Kohle stehenden
Industriestädten liegt das Bedürfnis nach Stadterweiterung
auch jetzt noch vor. Eine Abwanderung der wirtschaft
lichen Kräfte nach dem Ostrande des Ruhrkohlenbeckens,
vielleicht aus politischen Gründen, ist heute schon zu ver
spüren. Dortmund muß also seine Arme öffnen. Aber
nicht nur Verkehrsschwierig
keit, auch die Wohnungsnot
steht im Wege. Ohne gesunde
Wohnungsverhältnisse keine
gesunde Wirtschaft! Wir
haben im Aufsatz über
Wohnungsbau gesehen, wie
sich dieser gewissermaßen
sozialisiert hat, als die Woh
nungserzeugung durch Unter
nehmer unmöglich wurde.
Weder diese „Sozialisierung“
noch der in Dortmund verhält
nismäßig geringe Wohnungs
bau durch die Werke haben
uns geholfen. Die Kohle aber
hilft sich selbst. Ein Teil der
in die Welt gehenden Boden
schätze schlägt sich zu Tage
als Dauerwert in vorbidlichen
Siedlungen nieder; sie sind
geeignet, die durchschnittliche
Wohnqualität im Sinne einer Auflockerung zu bessern.
Diese Wohnungen brauchen wir in erster Linie, andere
sind ebenso notwendig; sie zu bauen, ist vorläufig leider
nur mit außerordentlicher, aus der Gemeinde aufzubringen
der Steuerbelastung möglich. Ein auf seine Zukunft be
dachtes Dortmund muß deshalb vor allem anstreben, die
für die Entwicklung seiner Kohlengruben erforderlichen
Wohnungen zu schaffen, bald zu schaffen! Daß dies auf
möglichst wirtschaftlichem Wege geschehen muß, bedarf
keiner Begründung.
EIN BEITRAG ZU STÄDTEBAULICHEM WEITER
SCHAFFEN.
Von RICHARD DÖCKER, Stuttgart. Hierzu die Tafeln 18-20.
Zeit und Verhältnisse verlangen mit gebieterischer Not
wendigkeit die Beantwortung der ungezählten Fragen über
die Lösungen unserer städtebaulichen Probleme. Stadtbau
kunst von heute, die zu grundsätzlichen Neugestaltungen
führt, erzwingen unsere Welt- und Großstädte, da sie als
Mittel- und Brennpunkt unserer Zeit am stärksten deren
Krankheiten haben und infolgedessen das Gebären von
neuen Baugedanken als Heilversuche erzeugen. Beim Be
trachten unserer Städtebauarbeiten wird sich im allgemeinen
zeigen, daß es gelungen ist, trotz der verhältnismäßig wie
der jungen Betätigung auf diesem Gebiet eine mittlere Linie
der Lösungsversuche zu erreichen. Diese Arbeiten zeichnen
sich meist aus durch sehr große Ruhe der mit Schiene und
Winkel erzeichneten Linienführung und durch geometrische
Klarheit des PI an Ornamentes, und es ist zweifellos mehr
oder weniger gut möglich, immer solche ins Auge fallende
und für den Allgemeinfall brauchbare Lösungen unter Be
rücksichtigung der „heutigen“ Grundsätze (Achsen, Symme
trie, Horizontale und dgl.) zu finden. Eingestehen müssen
wir aber, daß auf diese Weise in der Entwicklung des
Städtebaues die Stelle erreicht ist, die Stillstand bedeutet.
Erschöpfend sind die durch Tradition und Konvention über
nommenen Mittel und Mittelchen angewendet, ohne den Zu
stand derselben untersucht oder neu gestaltet zu haben. Da
aber jedenfalls die Zellen des Riesenorganismus einer Stadt,
die Einzelwohnung, für gegenwärtige und zukünftige Maß
stäbe unzureichend und krank ist, wie können wir eine
Gesundung unserer Baugedanken von heute und morgen,
wie eine Weiterentwicklung unserer Städte und unserer
Städtebaukunst erwarten?
Die zu diesen Ausführungen beigegebenen Pläne er
heben nicht den Anspruch, eine unumstößliche und restlos
gelöste Bearbeitung einer Aufgabe vorzustellen, sie sollen
lediglich die Bekanntgabe einiger Ideen sein, die eben
schon im Plan bestimmte Gestalt und Form angenommen
haben.
Der erste Teil der Veröffentlichung, der schon im Sep
tember 1919 anläßlich eines Wettbewerbs des Freiherrn
von Gemmingen-Hornberg für sein Gelände am Westbahn
hof in Stuttgart verfaßt wurde, ist mit Regierungsbaumeister
Jost zusammen als gemeinsame zweite Lösung eingereicht
worden,