DER STÄDTEBAU
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liehen Formen. Wuchtig und gedrungen, man möchte
sagen deutsch, ragt diese Wasserburg aus dem Stadtbild.
Wenn die Gotik des Straßburger Münsters und seine Um
gebung als durchaus deutsche Kunst bezeichnet werden
RAYON-KÖLN.
Erwiderung von HERMANN JANSEN.
Die Ausführungen von Professor Dr.-Ing. Schumacher
im vorigen Heft 7/8, die mehr wie eine Verteidigung denn
als Erläuterung anmuten, möchte ich nicht ganz unerwidert
lassen. Da das Problem Rayon-Koln schon überreichlich
an dieser Stelle behandelt wurde (siehe auch Heft 11, Jahr
gang 1920), soll sich meine Antwort auf die Fragen grund
sätzlicher Art im Städtebau beschränken. Auf diese kommt
es an, nicht auf sogenannte Motive und Motivehen. Klar
und unzweideutig müssen sie in jedem Entwurf hervortreten.
Nichts ist der gesunden Fortentwicklung des Städtebaus
hinderlicher als eine Halbheit, eine Verflachung, wie sie
sich neuerdings immer häufiger zeigt und um so gefähr
licher wird, je schöner und tönender die begleitenden Worte
sind. Nicht in die Breite, sondern in die Tiefe geht die Ten
denz heute, wo zu städtebaulichem Gelegenheitsschaffen
sich so mancher Berufene und Unberufene angeregt fühlt.
Schumacher scheint von der Richtigkeit seines Urplanes
bzw. den darin versuchten Grundsätzen wenig mehr über
zeugt und befriedigt zu sein, wenn er neuerdings ein Pro
jekt vorführt, bei dem „viele wichtige Punkte eine neue
Fassung erhalten haben“, d. h. ein Projekt, das nicht mehr
identisch ist mit dem der Stadt Köln seinerzeit beim Wett
bewerb eingereichten und zur Ausführung angenommenen.
Wenn er also einen Vergleich zwischen diesem seinem ab-
geänderten Entwürfe und meinem Urplan hier unter
nimmt, bzw. eine Kritik meines Entwurfes anschließt, so
muß dieses als unzulässig und ungewöhnlich bezeichnet
werden. Soweit der kleine Maßstab es erkennen läßt, erfolgt
eine neue Fassung nicht „in vielen wichtigen Punkten“,
sondern in fast allen Punkten der Einzelaufteilung. Aber
mögen noch so viele Abänderungen einander ablösen, der
Plan Schumachers bleibt in seinem Organismus, in seiner
Auswirkung verfehlt und entspricht nicht den neuzeitlichen
Anforderungen, wenigstens so lange nicht, als an Stelle seiner
mehr oder weniger kleinlichen Einzelgestaltung das scharfe
Herausarbeiten der fundamentalen städtebaulichen Forde
rungen tritt:
Hier Höchstleistung des Verkehrs, hier Höchst
leistung der Er ho lungsflä che n.
Eine Halbheit gibt es nicht, kann auch im Interesse
des Volkswohles nicht geduldet werden. Schumacher hat,
um nur einen verkehrstechnischen Punkt zu erwähnen,
die Notwendigkeit der Vereinfachung des Netzes der zahl
reichen Radial- oder Torstraßen nicht genügend erkannt.
Gerade in Hinsicht auf die von ihm so oft betonte
Wirtschaftlichkeit müßte er aber ein^ Anzahl derselben
unterdrücken bzw, weiter draußen abfangen. Vor allem
nicht erkannt hat er seinerzeit die Umleitungsmöglichkeit
der Dürener Straße in die nahe liegende bereits ausgebaute
Bachemer Straße. Letztere bleibt mit ihrer Riesenbreite
von 69 m jedwedem Verkehr auf Jahrzehnte gewachsen.
Sie erreicht die Ringstraße der Neustadt einfacher und
billiger als die Dürener Straße, welche in die kaum 17 m
kann, so ist es in Metz ausschließlich der nahe Einfluß der
Champagne und Burgunds, welche diese Entwicklung be
stimmt haben. Der französische Stadtbau hatte das Erbe
des römischen Barocks angetreten. (Fortsetzung folgt.)
enge Jülicher Straße eingezwängt wird. Diese Umleitung
in die Bachemer Straße gemäß meinem Vorschläge bzw.
Nachsatze (siehe Abb, 51, Heft 7, Jahrgang 1920) kann
nach und nach im Laufe der Jahrzehnte sich vollziehen,
erfordert verhältnismäßig sehr geringe Kosten. Der Neu
ausbau der Dürener Straße wird sofort und restlos nötig
und bedingt die Vergeudung vieler Millionen, die zweck
mäßiger anderswo sich verwenden lassen. Der gleiche
Fehler wiederholt sich in anderen Baukomplexen.
Ferner: Höchstwert der Freiflächen. Statt die
Erholungsflächen, die sich hier in seltenem Ausmaß finden,
zusammenzuhalten, einen Höchstwert ihnen zu sichern,
zerreißt Schumacher sie nicht nur durch jene meist
überflüssigen Radialstraßen, sondern vor allem durch
die Beibehaltung der sogenannten Kanalstraße als Ver
kehrsstraße. Ausgerechnet mitten in diese Freiflächen,
die doch, wie amtlich immer wieder versichert wurde,
der Gesundheit der übelverbauten Neustadt wie dem
Rayon nötiger sind als Brot, soll eine Querverbindung
für Fuhrwerke hinein. Welcher Widerspruch! Dabei
liegt die Kanalstraße im Durchschnitt kaum 350 m außer
halb der Ringbahn und parallel ihren Begleitstraßen.
Nein, nicht hier, sondern weiter draußen — Piusstraße,
Weyerthalstraße usw. — ist der Ort für die Querver
bindung, der bei richtiger Umleitung der Torstraßen NB
nicht die übertriebene Bedeutung mehr zukommt. Mit
der rechten Hand schafft Schumacher Erholungsflächen,
mit der linken zertrümmert er sie. Zertrümmert ist
doch z. B. ein Platz, dessen eine Seite restlos von einer
der breitesten Torstraßen gefaßt, und der von einer fast
ebenso breiten Diagonalstraße glatt halbiert wird. Solch
ein „Platz“ ist und bleibt eine Unmöglichkeit, ein Mon
strum, das an die Karikaturen Stübbenscher Plätze
der Kölner Neustadt erinnert. Ungefähr 100:150 m groß,
liegt er an der verkehrsreichen Subbelrather Straße (36 m
breit) und wird von der fast ebenso verkehrsreichen
Herkulesstraße (29 m) halbiert.
Auch andere Erholungsflächen sind in ihrer ganzen
Längsausdehnung dem Staub und Lärm der Verkehrs
straßen auf viele Hundert Meter schonungslos ausgeliefert
— Zülpicher Straße, Aachener Straße, Bachemer Straße,
Amsterdamer Straße , , , —. Richtig war, sie von den
Verkehrsstraßen abzuschnüren. Die Kleinlichkeit in der
Grünverzettelung hat leider die der Baublocks zur Folge,
vor allem schlimm an der Merheimer Straße, Gladbacher
Straße und Riehler Straße. Die Mehrzahl derselben hat
kaum 100—150 m Länge, wo die doppelte Länge Mindest
maß wäre. Die Übersicht und Verkehrssicherheit leiden
dadurch außerordentlich. Eine Unzahl unzulässiger,
weil gesundheitsschädlicher Nordfronten ist die Folge
dieser spielerischen winkligen Aufteilungsfiguren. Letztere
können höchstens auf Laien wirken, wie ja nicht vergessen
werden darf, daß die Wahl des Schumacherschen Planes