DER STÄDTEBAU
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bracht werden, sonderq es wird auch der Betrieb verein
facht, in seiner Auswirkung auf das höchste gesteigert und
die Unkosten bedeutend verringert. Daneben werden durch
das Freiwerden großer Flächen und Ge
lände Ausdehnungs- und Entwicklungs
möglichkeiten für die Privatwirtschaft ge-
CHRONIK
S iedlungsarbeit in preussen.
Mitteilungen von zuständiger Stelle entnehmen
wir: Trägerin des Siedlungswerkes ist die von
Hauptmann Schmude geschaffene Genossen
schaft m, b. H. „Heimstättengesellschaft
Neudeutschland'', die für den Bau von Berg
mannshäusern im Braunkohlen- und Kaligebiet
eine große Anzahl von Ortsgruppen begründet hat.
Nach der Reichstagsverordnung vom io. Januar 1920
erhalten die Siedler pro Quadratmeter Grundfläche
165 M. Reichsdarlehen und pro qm Stallfläche
75 M. Die Gesamtgrundfläche ist für diese Dar
lehnszwecke auf 70 qm begrenzt, ausnahmsweise
kann bis auf So qm gegangen werden. Für den Stall sind bis zu
40 qm vorgesehen. Diese Reichsdarlehen werden als unverzinsliches
Darlehen in Gestalt von Beihilfehypotheken eingetragen. Nach
Fertigstellung der Gehöfte stellt die Gemeinde die Gesamtherstellunge
kosten fest. Nach fünf Jahren wird erstmalig der Mietwert im Orte er
mittelt; wird er höher angenommen als die Gesamtherstellungskosten
ausmachen, so wird dann ein Teil der Darlehen verzinst, letztmalig nach
20 Jahren. Zu diesem Termin wird der Mietwert endgültig festgestellt
und dann ein fest fixierter Teil des Darlehens verzinst, der als Hypothek
eingetragen bleibt. Der Rest des ursprünglichen Darlehens wird ä fonds
perdu gelöscht.
Besonders rege ist die Bautätigkeit auf dieser Basis in der Gegend
um Helmstedt und im Kreise Neuhaldensleben, alles im Braun
kohlenrevier. Dort sind zum Winter rund 50 Hausstellen unter Dach
und Fach gebracht und zum Beziehen durch die Eigentümer fertig.
Hiervon liegen 7 Häuser in Barneberg, 6 in Harbke, 6 in Frellstedt, 5 in
Sommerschenburg, 4 in Sommersdorf, 2 in Alleringersleben, 1 in Wefens-
lehen und größere Siedlungen noch in Beendorf und vor allem in Voelpke
mit 13 Häusern. Ein Haus ist noch in Üplingen angesetzt. Alle diese
Häuser, unter denen der Typ des Einfamilienhauses mit dem des
für zwei Familien bestimmten Doppelhauses abwechselt, sind von
Bergarbeitern der umliegenden Gruben, Karoline, Fürst Bismarck usw.,
in ihrer freien Zeit errichtet worden. Die Kosten für ein Doppelhaus
belaufen sich auf zirka 80000 M, — für jede Hälfte 40000 M. —, die
für ein Einfamilienhaus auf 45000 M. In welchem erfreulich schnellen
Tempo dort gebaut wird, zeigt ein Beispiel aus Voelpke, wo ein
Solches Doppelhaus für zwei Familien zu je vier Zimmern mit fünf
Maurern am 23. Juni d. J. begonnen ist und am 15. Oktober fertig werden
wird. Im ganzen Kreise gibt es dort nur zwei Ziegeleien, die natürlich
das erforderliche Baumaterial für die schnell fortschreitende Siedlung
nicht liefern können. Die Siedler aber wissen sich Rat und haben sich
dort zur Hälfte kostenlos Altmaterial verschafft, und zwar Bruchsteine
von alten, außer Betrieb gesetzten Ziegeleien, die sie selbst abbrechen,
und ferner Steine aus einem ersoffenen Schacht einer Braunkohlengrube.
Sehr schön ist das Prinzip der Solidarität, nach dem die Häuser
gebaut werden. Die Siedlungen werden immer gruppenweise angelegt,
und die Siedler jeder einzelnen Gruppe verpflichten sich schriftlich, sich
untereinander beim Bau der Häuser bis zur Fertigstellung des letzten
Baues gleichmäßig zu helfen. Niemand hat also das Recht, sich von der
Arbeit zurückzuziehen, wenn sein Haus fertig dasteht, und die anderen
sich allein abmühen zu lassen, sondern jeder ist an dem Bau der ganzen
Siedlung gleichmäßig interessiert, und ein gesunder Egoismus ebenso
wie das stark entwickelte Gemeinschaftsgefühl der Siedler sorgen
dafür, daß schnell und gleichmäßig gut gebaut wird.
schaffen, und es werden in der Zeit der entsetzlichsten
Arbeitslosigkeit Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten sowohl
für den Arbeiter wie für den Unternehmer entstehen, die keine
neue Konsumtionssteigerungen und Aufzeh
rungen, sondern eine Produktionsentwick
lung im rentablen Sinne nach sich ziehen.
Die Völpkcr Häuser, zu denen übrigens auch
noch Material aus Baracken der Heeresver
waltung verwendet worden ist, sind so angelegt,
daß die Bergleute nur einen Weg von einer halben
Stunde zu den Gruben haben, auf denen sie arbeiten.
Die Häuser Hegen an der Chaussee, sind mit
reichlichem Gartenbauland ausgestattet und haben
eine prächtige Fernsicht auf das fruchtbare säch
sische Land.
Das Lockstedter Lager, in dem entlassene
Soldaten, zumeist entlassene Baltikumer, angesiedelt
werden,hatim ganzen einen Umfang von rSoooMorgen,
also ein gewaltiges Terrain von Heideland, das bei
fachmännischer Umarbeitung sehr guten Roggen- und Kartoffelboden
abgibt und auch noch erhebliche Bestände an Laub- und Nadelholz
enthält. Bis jetzt, in der kurzen Zeit der Ansetzung der Siedler, sind
1400 Morgen Heideland umgepflügt. Man denkt, im ersten Jahre 3000
bis 4000 Morgen Heideland urbar und für die Besiedelung fertigmachen
zu können. Als der Ministerpräsident dort weilte, war alles in regster
Arbeit, und von den für 600 Morgen Winterroggen bestellten Dünge
mitteln ein Teil eingetroffen, der bereits ausgestreut wurde. Die Arbeiten
der Urapflügung des Heidelandes werden mit Dampfpflügen
von den Siedlern selbst nach ihrer Anlernung vorgenommen und sind
keineswegs leicht: ein Teil der Leute muß immer erst durch Ausroden
und Abbrennen des Ginsters, mit dem die Heide stark durchsetzt ist, die
Bahn soweit freimachen, daß der Dampfpflug nicht stecken bleibt.
Die gegenwärtige Belegschaft des Lagers mit Soldatensiedlern
beträgt etwa 300 Mann. Jedoch kann, wenn genügend Baracken von den
vorhandenen zur Verfügung gestellt werden, auf dem gesamten Terrain
eine noch beträchtliche Anzahl von Mannschaften untergebracht werden,
die bis zum Frühjahr, wo die regelmäßige, sie vollauf beschäftigende
Landwirtschaftsarbeit beginnt, im Walde und mit allerlei Arbeiten (Ab
bruch von Baracken, Herbeischaffung von Baumaterial) reichlich beschäf
tigt werden können. Das vorhandene Material an Baracken und Bauten
reicht aus, um drei Dörfer damit zu errichten.
Die Lockstedter Siedlung wäre schon viel weiter gediehen, und es
hätten schon große Stücke Heidelandes, das nun bis zum nächsten Jahr
auf seine Kultivierung warten muß, unter den Pflug genommen werden
können, wenn nicht in der Eigentumsübertragung des ganzen Platzes an
die die Siedlung betreibende preußische landwirtschaftliche Verwaltung
so viel Schwierigkeiten gemacht würden. Die Stellen, die von Reichs
wegen diese Verhandlungen führen, zeigen sich leider vielfach
noch wenig geneigt, den Übungsplatz, ebenso wie andere zur Siedlung
in Betracht kommende Plätze aus der Hand zu geben. Das hatte neben
der Verzögerung aller Dispositionen und der landwirtschaftlichen Arbeiten
auch die sehr bedauerliche Folge, daß den Siedlern immer noch nicht
die genügende Sicherheit für ihre wirtschaftliche Zukunft gegeben werden
konnte. Die Leute, die sich heute dort ansiedeln wollen und an die
schwere Arbeit der ersten Pionierjahre herangehen, haben nach all dem,
was man ihnen versprochen hat und als Arbeitsgegenleistung von ihnen
fordert, ein Anrecht darauf, daß sie mit absoluter Sicherheit an Hand
exakter Verträge verbürgt erhalten, daß sie in absehbarer Zeit als freie
Siedler auf der eigenen Scholle sitzen und die Früchte ihrer Arbeit ernten.
Nur dieses Ziel kann und wird, das hat sich bei allen Unterredungen
und bei der Aussprache nach der Versammlung, die Ministerpräsident
Braun im Lockstedter Lager abhielt, klar und deutlich gezeigt, imstande
sein, die Leute jetzt im Winter und in der ganzen ersten Zeit, wo die