DER STÄDTEBAU
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punkt für das zukünftige Schaffen auf dem Gebiete der
Stadtbaukunst sein kann. Es ist Aufgabe der Leser, diese
verschiedenen Arbeiten für denselben Zweck zu vergleichen
und dabei zu einer kritischen Würdigung und Wert
bestimmung zu kommen. Eine allgemeine Mehrheit für
einen der Entwürfe wird sich hierbei kaum ergeben, denn
nach guter deutscher Art hat die doch noch recht junge
Materie des modernen Städtebaues in Deutschland schon
längst eine Anzahl von Sonderrichtungen, die sich zumeist
um irgendeine der auf diesem Gebiete erfolgreichen Per
sönlichkeiten scharen und einen Unterteil der Gesamtaufgabe,
wie z. B. das Grünflächenproblem oder die Verkehrstechnik,
besonders betonen. Am Wesentlichen wird hierbei oft
vorbeigetappt. Um aus den Kölner Entwürfen nur einiges
zu erwähnen, so könnte man z. B. den Eindruck festhalten,
daß der Entwurf Schumacher noch zu stark von Prinzipien
des Hochbaues, vor allem von der Art bestimmter Haus
grundrisse beeinflußt und daß der erste Eindruck eine Ver
knüpfung solcher Grundrisse zu städtebaulichen Maßstäben
zu ergeben scheint. Oder daß seine Projektierung von
Monumentalgebäuden in den Mittelachsen und Blickpunkten
allzusehr auf schöne Einzelbildwirkungen ausgeht und den
Eindruck des in seinem Landschaftscharakter betonten
Grüngürtels notwendig zerstören muß. Was Professor
Schumacher will, das scheint die Durchwachsung der
Wohnanlagen mit Grünflächen zu sein. Aber er hat diese
wertvolle Absicht wohl nicht weitgehend genug durch
geführt, um überzeugen zu können. Bei der letzten Aus
wirkung seiner Planidee wäre er zwangläufig zu noch
stärkeren Auflösungen großer Blockeinhelten gekommen,
sein Lageplan hätte den Eindruck eines mehr zufälligen
Zusammenhanges von Motiven verloren, und er würde in
einem bestimmten Stadium seiner Arbeit vor überraschend
neuartigen Problemen gestanden haben. Die Richtung
seiner Arbeit ist demnach von zweifellosem Wert, doch
fehlt ihr jene überzeugende, rücksichtslos durchgreifende
Verfolgung, die allerdings genötigt hätte, die üblichen
Bahnen der Stadtbaukunst zu verlassen.
Der in diesem Hefte wiedergegebene Entwurf von
Professor Bonatz schlägt den gegenteiligen Weg ein, und
zwar gleichfalls ohne ihn entschlossen bis zu * Ende zu
gehen. Seine Arbeit besticht beim ersten Eindruck durch
die sehr große Ruhe und Geschlossenheit. Er hat die Ge
bäudemassen einerseits, die Grünflächen andererseits zu
großen Einheiten zusammengebunden. Manchmal zu weit
gehend; so war es wohl z. B. kaum richtig, den jetzt vor
handenen großen eilten Obst- und Baumgarten in der west
lichen Verlängerung der Stadtgarten-Unterführung am
Rande des Umlegungsgebietes fast ganz in einen Wohn
block aufgehen zu lassen. Bei dieser starken Konzentration
aber, die einen mächtigen Grüngürtel um den eigentlichen
Kern von Köln legt, hat Professor Bonatz zu wenig auf
den Umstand geachtet, daß städtebauliche Werte außer
ordentlich empfindlich und relativ sind. So dürfte der
Grüngürtel im wesentlichen zu breit geraten sein, indem er
eine organische Verbindung des inneren und des äußeren
Stadtbezirkes von Köln unmöglich macht. Der Großstadt
organismus erleidet eine Störung, die besonders westlich
seiner Anlage des Aachener Torbahnhofes fühlbar wird.
Bonatz hat den Grüngürtel einfach möglichst breit geplant,
ohne Rücksicht darauf, ob diese Breite noch einen Wert
hat oder bereits nachteilig wirkt. Ein Spaziergang im
Berliner Tiergarten'macht fühlbar, daß das Auge breitere
Grünanlagen wie etwa 120, höchstens 150 m nicht konzipieren
kann, und er selbst scheint einiges davon gefühlt zu haben,
indem er den schwer zu bewältigenden Leerraum mit
Schrebergärten, Sportplätzen usw. füllte. Seine Idee der
Konzentration von grün wäre vielleicht zu weit stärkerer
Wirkung gelangt, wenn er sie nicht genau parallel zum
kreisförmigen Ablauf der Ringanlagen disponiert hätte, zu
mal ein Verkehr in Ringrichtung kaum stattfinden wird,
im Interesse der Anlagenwerte auch kaum erwünscht sein
kann. Angenehm fällt die Zurückhaltung in der Placierung
monumentaler Gebäude auf, denen er stets durch Anlehnung
an Blocks oder andere Häuserkomplexe für das Auge des
Beschauers immer das Maßverhältnis verschafft, dessen sie
zu ihrer Wirkung unbedingt bedürfen. Wohl kaum eine
Zeit hoher Baukunst hat dieses Grundgesetz der Relation
stärker begriffen wie die Gotik. Absolute Monumental
bauten sind fast ausnahmslos ein Unding.
Das sind einige wenige sehr persönliche Bemerkungen
zu den beiden Planungen des Kölner Umlegungsgebietes,
die der Öffentlichkeit bisher vorliegen. Sie können natur
gemäß nur weniges andeuten, ohne ein Recht auf maß
gebende Wertung beanspruchen zu wollen. Denn ’ ohne
eine sehr genaue und eingehende Kenntnis der örtlichen
Verhältnisse und der wirtschaftlichen Grundlagen in Köln
ist es unmöglich, ein anderes als ein oberflächliches Urteil
abzugeben. Und daran dürfte niemandem weniger gelegen
sein, als dem Herausgeber dieser Zeitschrift.
Wenn ich dennoch an dieser Stelle keinen Punkt mache,
sondern die Niederschrift meiner Gedanken fortführe, so
geschieht das nicht zu Zwecken einer irgendwie ein
gestellten Einzelkritik, sondern weil manches an diesem
Wettbewerb und seinen Ergebnissen jenseits einer dogma
tischen Wertung zum Nachdenken anreizt. Wie z. B. der
Umstand, daß in dem Wettbewerb für das Umlegungsgebiet
Köln, in welchem, wie bekannt, Professor Jansen-Berlin,
Professor Schumacher-Hamburg und Stadtbaudirektor Stoß
in Köln um die Palme rangen, das Urteil nicht von einem
erlesenen Kreise städtebaulicher Fachleute gefallt wurde,
sondern von einem Laienkollegium. Ein solches Verfahren
ist selbst dann grundsätzlich zu verwerfen, wenn sach
verständige Preisrichter zum gleichen Ergebnis gekommen
wären.
Zu der Bearbeitung der hauptsächlichen Teilstrecke
des Gesamtentwurfes, des Abschnittes zwischen Subbel-
rather Straße und Luxemburger Straße, kann ich einige
Anmerkungen nicht unterdrücken. Zunächst die, daß so
wohl Professor Schumacher wie auch Professor Jansen
und Professor Bonatz die westlich unmittelbar an das
Bahngelände anschließenden, erst zu geringem Teil be
bauten Blöcke, nicht fortzuschaffen versucht, sondern deren
vollständigen Ausbau projektiert haben. Diese Wohnblock©
sind in ihrem Wohnwert ganz außerordentlich beeinträchtigt,
wenn nicht geradezu unbrauchbar und schadenbringend
durch den großen und noch ständig wachsenden durch
gehenden Bahnverkehr, der auch des Nachts sehr lebhaft
ist. Es ist schlechterdings sehr eigenartig, nach den Er
fahrungen, die man in anderen Großstädten wie Paris und
Berlin, doch mehr wie ausreichend gemacht hat, ohne