DER STÄDTEBAU
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wandelt werden. Wie diese Bedingung der Verfasser des
vorliegenden Projektes durchgeführt hat, zeigen die hier
wiedergegebenen Blockansichten. Stilistisch ist der Anschluß
an die'Mannheimer Kulturperiode der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts gesucht worden. Es war die Zeit, in
welcher die Erbauung der meisten öffentlichen Gebäude fällt,
die der Stadt ihr charakteristisches Gepräge geben. Die
größten Baudenkmäler jener Zeit sind außer einer großen
Reihe hervorragender Privatbauten das Rathaus, das
kurfürstliche Schloß, die Jesuitenkirche und Jesuiten
kollegium, das Kaufhaus und die beiden alten Kasernen.
Der Anschluß an oben genannte Kulturperiode ist jedoch
in freier persönlicher Auffassung gedacht, mit dem Gebot
der Zeit.
Auch auf die entsprechende architektonische Ausge
staltung der Hinterfronten war Wert gelegt. Bei der Durch
bildung derselben ist große Linienführung der Gliederungen
durchgeführt und die Ruhe der Frontflächen durch vor
springende häßliche Bauteile, wie Küchenbaikone usw., nicht
gestört worden. Letztere sind durch Loggien ersetzt, die
so angeordnet sind, daß ein Verlust an bewohnter Boden
fläche vermieden wird.
Als Baumaterial der Fassaden wird vom Verfasser des
vorliegenden Projektes für die Architekturteile der einhei
mische hellgelbe Sandstein und für die Flächen silbergrauer
Terrasitputz vorgeschlagen. Die Hinterfronten sind in
gleichem Material nur einfacher angenommen. Die Dächer
sind in schwarzgrauem Schiefer eingedeckt.
Der Einlieferungstermin des Wettbewerbs hat durch
den Weltkrieg eine Verzögerung von 5 Jahren erlitten.
Der Wettbewerb wurde mit 35 Projekten beschickt. Dem
Preisgericht gehörten als auswärtige Sachverständige die
Herren Professor Bonatz, Stuttgart, Professor Theodor Fischer,
München, Geh. Oberbaurat Professor Hofmann, Darmstadt
sowie Stadtbaurat Professor Roth aus Mannheim u. a. an.
Das Preisgericht entschied sich dahin, 4 gleiche Preise zu
verteilen und 2 Entwürfe anzukaufen. Vorliegende Arbeit
wurde mit einem Preise ausgezeichnet.
EIN STÄDTEBAULICHER WETTBEWERB FÜR
PARIS.
Von Geh. Regierungsrat WERNEKKE, Berlin-Zehlendorf.
Die Festungswerke, die Paris umgeben und seine bau
liche Entwicklung hemmen, sollen auf Grund eines Gesetzes
vom April 1919 demnächst fallen. Mit einer bevorstehenden
Abrüstung dürfte das' bei der Stellung, die Frankreich in
dieser Beziehung einnimmt. nicht Zusammenhängen, sondern
der Grund dürfte eher darin zu suchen sein, daß die Er
fahrungen, die im Kriege mit anderen Festungen gemacht
worden sind, ergeben haben, daß diese Pariser Festungs
werke nicht mehr zeitgemäß sind und durch neue, in einem
weiteren Kranz die Hauptstadt umgebende ersetzt werden
müssen. Um Pläne für die Bebauung des Festungsgeländes
und Lösungen für andere damit im Zusammenhang stehende
Aufgaben zu erlangen, hat die Stadt Paris einen Wettbewerb
ausgeschrieben, zu dem allerdings nur Angehörige der gegen
uns verbündeten Völker zugelassen sind. Die Ausschließung
der Städtebauer der Mittelmächte ist bezeichnend für die
augenblickliche Geistesverfassung der Franzosen und ihren
blinden Haß gegen Deutschland. Haben doch sowohl
Franzosen wie auch Engländer in früheren städtebaulichen
Veröffentlichungen zugegeben, daß der deutsche Städte
bauer ihr Lehrmeister gewesen ist, daß dieses wichtige
Gebiet des öffentlichen Bauwesens in Deutschland zuerst
systematisch bearbeitet worden ist und daß die deutschen
Fachleute des Städtebaus eine führende Rolle spielen. Die
wertvolle Mitarbeit dieser Kreise bleibt also für eine der
wichtigsten städtebaulichen Aufgaben, die in Frankreich in
absehbarer Zeit zu lösen sein wird, ungenutzt. Der Ver
lust dürfte dabei nicht auf seiten der Mittelmächte liegen.
Es sind zwei Aufgaben zu lösen; es steht nämlich
einerseits zur Erörterung, wie die Stadterweiterung, die
durch den Wegfall der Befestigungen möglich wird, am
besten durchgeftihrt werden soll, und andererseits, welche
weiteren Veränderungen im Stadtbild von Paris sie zur
Folge haben wird. Der Wettbewerb bezieht sich auf beide
Fragen, sie werden in ihm aber getrennt behandelt. Die
verschiedenen eingehenden Entwürfe sollen zu einem Ge
samtplan zusammengearbeitet werden, da ein französisches
Gesetz vom 14. März 1919 für Stadterweiterungen einen ein
heitlichen Plan vorschreibt. Dieses Gesetz, dem alle Städte
von mehr als 10000 Einwohnern unterworfen sind, ist zu
nächst auf die Wiederherstellung der durch den Krieg ver
wüsteten Gegenden gemünzt. Bei seiner allgemeinen
Fassung zwingt es aber auch andere Städte, zielbewußte
Richtlinien für ihre zukünftige bauliche Entwicklung auf
zustellen- Wenn das Gesetz verständig gehandhabt wird,
kann es sicher viel Segen stiften. Durch den auf Grund
des Wettbewerbs und dieses Gesetzes aufgestellten Bebau
ungsplan wird dann auf viele Jahre hinaus die Entwicklung
der französischen Hauptstadt festgelegt sein, die bisher
stark darunter zu leiden gehabt hat, daß ein solcher Plan
fehlte und die Gestaltung von Neuanlagen und Erweiterungen
dem Zufall und privaten Einflüssen überlassen blieb.
Der Wettbewerb umfaßt vier Teile. Im ersten werden
allgemein gehaltene Pläne für die zukünftige Entwicklung
von Paris und seinem Vorortgebiet gefordert, das bereits
bis auf etwa 30 km über die Grenzen der eigentlichen Stadt
hinaus in zahlreichen Vororten verschiedener Größe dicht
bevölkert ist. Die Verkehrsmöglichkeiten zwischen Paris
und diesen Vororten sind zurzeit recht mangelhaft; die
Vororte untereinander besitzen mit Ausnahme der bekannten
Gürtelbahn, wohl eine der ältesten Stadtbahnen, keine Ver
bindung, und diese entspricht infolge ihrer veralteten Anlage
neuzeitlichen Ansprüchen nicht mehr. Durch Schaffung
von Verbindungen in diesem Außenbereich soll den Arbeitern
die Möglichkeit geboten werden, bei der Wahl ihres Wohn
orts weit freiere Hand zu haben, als es jetzt der Fall ist.
Der französische Arbeiter hat wie derjenige der anderen
Staaten Europas auch, aber vielleicht sogar noch in er