s»
DER STÄDTEBAU
16
heit, ermutigt durch seinen unverkennbaren erzieherischen
Einfluß auf das Gartenleben und die Naturliebe der Laien-
bevölkerung, verschloß ich dieses neue Blumenreich nicht
ängstlich den Blicken der Vorübergehenden, sondern ich
ordnete es ein, öffnete Sichten und schuf so zugleich mit
dem sinnigen Anzuchtsfeld den Schmuckgarten für die sonst
an Blütenschönheit arme Wohnstadt. Es bedurfte nur eines
kurzen Schrittes, um die Erfahrungen in jenem Anzuchts
garten anzuwenden und sie an dieser Stelle zu verwirk
lichen; ich teilte die gesamte Fläche in kleinere und größere
Sonderräume, die nun nicht mehr einzig dem Zweck der
Anzucht dienten, sondern die Möglichkeit ergaben, die An
ordnung der Blumen nach Haltung und Farben, ihre Wirkung
im Wechsel der Kontraste zu erproben. Und zum Beweis,
daß mit bescheidenen Geldmitteln ebensowohl Vollkommenes,
rhythmisch Wohlgegliedertes. wie Unvollkommenes, mangel
haft Organisiertes geschaffen werden kann, gliederte ich
den Garten nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit und
Schönheit, um allen denen durch Anschauung die Wege zu
zeigen, wie mit bescheidenen Mitteln schöne Zweckgärlen
zu schaffen sind. Ich meine, daß es Aufgabe aller Garten
ämter sein sollte, im ähnlichen Sinne der Gartenkultur dien
lich zu sein. Von diesem lebendigen, schaffensfrohen Wirken,
diesem Erproben und Wechselvollen lernt der Gartenfreund
mehr zum Wohle seines eigenen Gartenheims als von Pracht
stücken, die, um nicht im immer Wiederkehrenden lang
weilig zu werden, unendlichen Mühen und angstvollem
Projektieren schließlich ihre Entstehung verdanken.
Es ist ein gepflasterter Hauptweg der die Anlage teilt.
(Tafel 7, Plan a). In seinem Bruch ist ein breites Becken
gebaut, welches das tageswarme Gießwasser für die jungen
Pflänzlinge enthält. Pyramidenpappeln umstellen den Kreis;
Hecken, die den störenden Wind abfangen, vermitteln, ver
einigen, schaffen Raum und bestimmte Linien. (Tafel 8,
Bild a). Dieser Mittelpunkt der gesamten Planung tritt
schon landschaftlich als festgefügte, scharf umrissene Grün
masse in die Erscheinung.
Alles, was sonst zum Schutze der Anzuchtquartiere ge
pflanzt wurde, geschah gleichzeitig mit Rücksicht auf eine
für die gesamte Gartenwirtschaft und -gestaltung Lübecks
anzustrebende Anwendung.
Es wird gezeigt, welches Pflanzenmaterial bezüglich der
örtlichen klimatischen Verhältnisse zu wählen ist, wie das
selbe zusammengefügt — Abstand und Höhe — und tech
nisch — Schnitt und Fiechtung — behandelt wird, um den ge
wünschten Formenausdruck zu erreichen. Geschorene und
freie Hecken, Pfeiler und Torbogenbildungen werden gezeigt
in ihrem technischen Aufbau, Laubengang, offene und ge
schlossene Heckengänge vorgeführt. (TafelS, Bild b.) Prüfungs
abteilungen, in denen alle Neuheiten auf Wuchs, Haltung
und Blütenfarbe geprüft werden, gleichzeitig aber Versuchs
möglichkeiten zulassen, die Arten und Farben in ihrer har
monischen und gegensätzlichen Wirkungzu erproben, bieten,
gleichermaßen der Bevölkerung gesunde Anregung für die
Ausstattung eigener Gärten mit Blumen. Von lebenden
Heckengängen in mancherlei Formen umsäumt, reiht sich
das Sommerblumengärtchen an die Rosenabteilung, Hier
werden die meisten Züchtungen auf ihre Dauerhaftigkeit
geprüft an schlichten Knüppelholzgestellen die. zum Lauben
gang geordnet, die prächtigen Rankrosen gezogen; zugleich
aber ist die Einteilung dieser Rosenabteilung ein Muster
beispiel für die Gliederung kleiner Rosengärten im Bereich
privater Hausgärtenschöpfungen. Wie der Teich des Haus
gartens zu gestalten ist, zeigt ein Wassertümpel, welcher
der Notwendigkeit, das Gartengelände trockenzulegen, zu
entwässern, seine Entstehung verdankt. Wasserpflanzen
aller Art zur Belebung öffentlicher und privater Teiche,
insbesondere aber die farbenreichen Teichrosen, werden dort
kultiviert und geprüft.
Das sind eine Reihe sofort in die Augen springender
Momente. Unscheinbar dünkt so manch andere Maßnahme.
Wegebreiteu, Wegeführung, ihre Einfassung und Länge,
Platzbildungen, Einordnung und Einrichtung des Kompost
platzes, Ausbildung der Gerätebude, Rosenhag und Blüten
rabatte am Hauptweg in ihrer Teilung und Breite, alles das
ist mit Vorbedacht geordnet und ineinandergefügt.
Aus dem zweiten Stockwerk eines der gegenüber
liegenden Wohnungen wurde Tafel 9 Bild b aufgenommen.
So ist die Aufschließung und Pflanzung des Gartens am
ehesten zu ersehen.
Als man dem Plan eines längst von seiten der Lehrer
schaft gewünschten Zentralschulgartens nähertrat, wurde
ein bisher als Kleingartenland benutztes, an den Anzucht
garten unmittelbar anschließendes Gelände von 5000 qm
etwa für die Planung ausersehen.. Diese Lage ist insofern
besonders günstig, als der Jugend die Gartenformen unserer
Blumen und Sträucherund ihre mannigfaltige Verwendungs
möglichkeit innerhalb bewußt gegliederter Gärten leicht
nahegebracht werden können. Andererseits bot sich die
Gelegenheit, den heranwachsenden Bürgern die Arbeit in
dem Strauch- und Baumzuchtgarten, die Aufzucht, Ver
edlung und Pflege durchAnschauung lebendig und interessant
zu machen. Durch Anschluß an vorhandene Wegeführungen
ist eine organische Verbindung aller drei Gärten ohne
Schwierigkeit möglich.
Tafel 7 Plan b erläutert die Einteilung des Schulgartens.
Wenn auch in diesem dem rein botanischen Schulunterricht
dienenden Garten in der Hauptsache alle ästhetischen
Forderungen hintenangestellt werden müssen, so zeigt die
Vorlage doch, daß Anzuchtbeete, Baum- und Gehölzpflan
zungen, Wege, sich als notwendig erweisende Felsanlagen
und Wassertümpel für die Sumpf- und Wasserflora nach
rhythmischen Gesetzen wohl aneinanderzugliedern sind.
Die Zukunft für unsere grünen Reviere in den Städten
ist dunkel und gibt zu Hoffnung wenig Anlaß: Schon be
ginnen die Städte ihre Ausgaben einzuschränken. Daß in
erster Linie unseren Parkanlagen ihre Entwicklungsmöglich
keit, Sauberkeit und Pflege durch die künftige Finanzlage
unterbunden wird, haben schon heute mit Wehmut die
Gartenämter erfahren.
Ob dieses gewaltsame Sparen am grünen Teil unserer
Städte aber umsichtig ist, darüber will ich mich an dieser
Stelle nicht einlassen.
Für mich bedeutet dies Großstadtgrün mehr als Lunge
und Verschönerungsakt. Ich erblicke in ihm die Kraft, be
drängte, irregeführte Menschen seelisch und moralisch zu
gesunden. Aber noch eines wirken sie, still und im ge
heimen: sie erziehen zur Ordnung, zur Achtung des Kleinsten
unter uns Menschen.
Vielleicht werden Gärten dieser oben geschilderten Art
künftig viel erstehen in unseren Städten, denn sie sind wirt
schaftlich und erzieherisch.