DER STÄDTEBAU
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von hier aus nach allen Richtungen hin die denkbar besten
Verbindungen haben.
Die Umbildung des eben erwähnten Ringstraßenzuges
zu einer großzügigen Ringstraßenpromenade ist ein weiterer
Gedanke der Grässelschen Pläne. Dieser Anlagenring, der
in seinen wesentlichsten Teilen bereits vorhanden ist und
sich rings um die Münchener Altstadt zieht, beginnt beim
Hofgarten, setzt sich dann über mehrere Plätze (den Wittels
bacher-, Maximilians-, Lenbach- und Karlsplatz) und des
weiteren im Zuge der Sonnenstraße fort bis zum Sendlinger-
Tor-Platz, fände dann seine Verlängerung in der Blumen-
Straße und könnte über den Viktualienmarkt (nach Durch
führung der geplanten Entfernung einer vor diesem im
Zuge der Blumenstraße liegenden alten Lagerhalle, der so
genannten Schrannenhalle) durch die Sparkassenstraße, wo
allerdings zurzeit noch eine unliebsame Verengung vor
handen ist, wiederum an den Hofgarten seinen Anschluß
finden. Wenn diesem Gedanken des Promenadenringes,
dessen Anlage bereits vor über 100 Jahren unter Kurfürst
Karl Theodor kärglichen Revolutionszeiten zum Trotz in
großzügiger Weise ins Auge gefaßt worden war, Rechnung
getragen werden soll, so müßte bei der baulichen Ge
staltung des Angerviertels bei Zeiten hieran gedacht
werden. Die hierbei zu beachtenden Baurichtlinien er
geben sich aus dem Lageplan und der Vogelperspektive
auf Tafel 4. Leider ist, wie dort ersehen werden kann,
die zum Kloster der armen Schulschwestern gehörige
»
Klosterschule schon soweit in die Blumenstraße vorgerückt,
daß sich hier eine nicht mehr zu beseitigende Verengung
ergibt. Dafür möchte Grässel wenigstens das noch nicht
erbaute, im Anschluß an die Klosterschule zu errichtende
(und schon oben iro Zusammenhang mit dem Wettbewerb
erwähnte) Verwaltungsgebäude soweit zurückgesetzt wissen,
daß hier eine stattliche Baumallee geschaffen werden kann.
Der hierdurch für das Verwaltungsgebäude entstehende
Raumverlust könnte durch den Erwerb eines auf der anderen
Straßenseite (an der Theklastraße) stehenden Hauses aus
geglichen werden. Beide Gebäude wären wieder durch eine
Straßenüberbrückung miteinander zu verbinden, letztere
würde gleichzeitig den Übergang zu der Straßenverengung
verdecken und der verengten Blumenstraße zugleich einen
baulichen Abschluß gewähren.
Professor Grässel steht nicht auf dem Standpunkt, daß
die gegenwärtige Zeit der höchsten wirtschaftlichen Not die
gegebene wäre, um derartige großzügige Pläne, wie sie im
Vorstehenden beschrieben worden sind, zur Ausführung zu
bringen. Aber er ist der Ansicht, der unbedingt beige
pflichtet werden muß, daß der Ausbau eines Stadtteiles
niemals früh genug überlegt werden kann und daß auch
Zeiten, wie die gegenwärtige, nicht davon abhalten sollten,
rechtzeitig Richtpunkte für die bauliche Zukunft wichtiger
Stadtteile aufzustellen, um später bei der Durchführung groß
zügiger Gedanken nicht durch unabänderliche Tatsachen
behindert zu sein.
ANZUCHTSFELDER UND STUDIENGÄRTEN ALS
GLIEDER UNSERER GRÜNANLAGEN.
Von HARRY MAASS-Lübeck. Hierzu die Tafeln 6—9.
Mag Lübecks innige Fühlungnahme, seine feste, fast
lückenlose Verankerung mit der unmittelbaren Umgebung
und ihrer tiefinnerlichen Schönheit im Wechsel von Wald,
Wasser und Baumgängen von freien Grünflächen und
Schirmwällen Ursache sein, daß sein gesamtes Grünanlagen
gebiet sich auszeichnet durch Sachlichkeit und das Fehlen
jeglicher repräsentativer und aufdringlich schmucklicher
Gebärde, eines darf immerhin nicht verkannt werden: Über
dem Traditionellen, Erhaltenswerten, dem eigentlich Domi
nierenden in der gesamten Entwicklungsperiode, über dem
notwendigen Neuen, dem sozial gebieterisch Geforderten
und Geschaffenen hat allzeit ein guter Geist gewaltet. Und
dieser erkannte, fast ausnahmslos und immer zeitig
genug das richtige Ziel, steuerte mit Bedacht und auch
wohl impulsiv darauf zu, stets das eine im Auge — die
Schönheit und Würde angestammten Hansesinns und Ein
fachheit, die jedem Snobismus, jeder Aufdringlichkeit ab
hold. Gesetzgebende Körperschaften und liebevolles Bürger
tum' spendeten freudig, wachsam verständnisvolle Mitarbeit
— es wirkt so etwas wie ein mit Adel durchsetztes hand
werkliches Leben in den grünen Planen der Innen- und
Außenstadt, in den hundert Jahre alten Baumgängen und
Baumgruppen, dahinter und dazwischen gotischer Geist in
ragenden Türmen und Speichern Triumphe feiert.
Noch umschließen im Gegensatz zu vielen Städten
gleicher Größe mit ähnlichen Entwicklungsläuften die ehe
maligen Befestigungswerke, die Wallanlagen einen großen
Teil der Innenstadt, und zwar in wenig veränderter Gestalt.
Kaufmännischer Sparsamkeitssinn mag sie bewahrt haben
vor landschaftlicher Modellierung, wie das beispielsweise
in Bremen geschehen. Ulmen und Lindenbaumgänge krönen
ihren Rücken; einheitliche Baumpflanzungen, zu geschlosse
nen Gruppen vereinigt, schmücken die gewaltigen Böschungen,
und mit glücklichem Gefühl für die gegensätzliche Wirkung
von Fläche und Raum sind in späteren Jahren die Erd
arbeiten und Pflanzungen in jenen Teilen durchgeführt,
durch die der Elbe-Trave-Kanal hindurchgeleitet wurde. Als
ob nichts Wesentliches geschehen, so zieht die breite Wasser
straße zwischen Böschungen und Baumreihen, Hängen und
Baumgruppen ihres Wegs. Und war doch ein gewaltiger
Eingriff, der dort geschah, gebieterisch diktiert von der
Notwendigkeit von Lübecks Entwicklung.
Vor den Toren im Norden und Süden der Stadt aber
breiten sich noch heute, von gewaltigen Baumreihen um
geben, die ehemaligen Freiweiden und Festwiesen. Wohn
häuser umringen sie und erinnern uns an die Zeit, wo den
in engen, durch die Befestigung bedingten Straßen hausenden
Bürgern das Wohnen zu beschränkt wurde und sie vor die
Tore zogen, um in Gärten ein behaglicheres Leben zu führen.
Zwei Beispiele sind es, die ich anführen dürfte, um zu
zeigen, daß die Entwicklung der gesamten Grünanlagen
formen, angesichts dieser Sachlichkeit eigenen Zielen zu-