DER STÄDTEBAU
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Gaswerke erstellt. Ein Wettbewerb unter den Privatarchi
tekten Münchens für den Ergänzungsbau dieser Anlage, der
sich vom Unteranger um die Ecke herum mit der Längs
front an der Blumenstraße bis zum Anschluß an die Kloster
schule erstrecken soll, hat kürzlich in der breiteren Öffent
lichkeit Aufmerksamkeit und Beachtung gefunden 1 ). Die
durch diesen Wettbewerb wieder aufgenommene planmäßige
Umgestaltung des Angerviertels zusammen mit der Erörte
rung einiger weiterer städtebaulicher Fragen, die weiter
unten gestreift werden, und mit dem Umstand, daß die
Räume des historischen Stadtmuseums schon lange nicht
mehr für die immer umfangreicher gewordenen städtischen
Sammlungen ausreichten, gab Veranlassung zur Fertigung
der Entwürfe von Baurat Professor Dr.-Iog. Hans Grässel,
die hier besprochen werden sollen.
Der Plan Professor Grässels geht von zwei Grundlagen
aus, einer baulichen und einer städtebaulichen. Die erstere
besteht darin, daß die vorher beschriebenen Gebäude am
Jakobsplatz, soweit sie aus älterer Zeit stammen, nicht nur
zueinander eine gute Lage besitzen, sondern auch in ihrer
äußeren Erscheinung einen harmonischen Eindruck hinter
lassen, ja daß sie teilweise — wie oben in Einzelheiten an
gedeutet wurde — im Äußern wie im Innern selbst gewisser
maßen Museumsstücke darstellen, die aus Gründen der
Denkmalpflege und des Heimatschutzes der Nachwelt un
bedingt in dieser Form erhalten werden sollten. Dadurch
kam Grässel auf den Gedanken, diese Gebäude in ihrer
Gesamtheit nicht nur zu der erforderlichen Erweiterung
des historischen Stadtmuseums zu benutzen, sondern auch
durch die Heranziehung anderer Sammlungen eine groß
zügige Museumsanlage zu schaffen, die durch die darüber-
liegende geschichtliche Stimmung zweifellos eine bedeutende
Wirkung ausüben würde. Wie die Anlage im einzelnen
geplant ist, ergibt sich aus Tafel 3. Zunächst sollen durch
die Zusammenfassung der beiden alten Gebäude Jakobs
platz Nr. 1 und 2 unter Erhaltung des Äußeren und unter
Mitverwendung der unveränderten alten gotischen Hallen im
Innern die erforderlichen Räumlichkeiten für die städtischen
kulturgeschichtlichen Sammlungen (das bisherige historische
Museum) geschaffen werden. Dabei wäre gleichzeitig an
einen Ausbau des bisherigen historischen Museums zu einem
großangelegten Orts- und Heimatmuseum zu denken, das
nicht durch das vorhandene große Nationalmuseura er
setzt werden kann, da dieses andere — bayerische, nicht
Münchener — Aufgaben zu lösen hat. Das bisher für Ver
waltungszwecke benutzte ehemalige Feuerhaus an der West
seite ist für die Unterbringung des städtischen Archivs, das
sich jetzt an anderer Stelle befindet, und für die für das
Museum erforderlichen Verwaltungsräume gedacht. Durch
einen Um- bzw. Neubau des in seiner Baumasse zu er
haltenden Seidenhauses sollen endlich zusammenhängende
Räume zur Ausstellung der im Besitz der .Stadtgemeinde
befindlichen Gemälde gewonnen werden, die zurzeit über
eine große Zahl von städtischen Gebäuden zerstreut sind.
Die Verwirklichung dieses Gedankens wäre um so mehr
zu begrüßen, als es überhaupt erstaunlich ist, daß München
noch nicht (wie z. B. Wien für seine Wiener Maler) eine
Bildergalerie für seine Münchener Meister besitzt. Die Ver
bindung sämtlicher Sammlungs- und Verwaltungsräume
*) Vgl. Zentralblatt der Bauvcrwaltung, Jahrgang igzo, Nr. ag, S. 171
und Süddeutsche Bauzeitung, Nr. ioff.
untereinander wird durch Gänge auf zwei Straßenüber
führungen erreicht. Durch die Anlage von offenen Hallen
im Anschluß an die Gemäldegalerie (das jetzige Seidenhaus),
die zur Aufstellung von Bildwerken dienen sollen, und die
Fortführung dieser Hallen bis zum Verwaltungsgebäude
würde zwischen den Hallen und den einzelnen Gebäuden
ein kleiner und ein großer Museumshof entstehen, in deren
stille Beschaulichkeit die Klosterkirche von St. Jakob hinein
sieht, um dem Ganzen einen städtebaulich äußerst wirkungs
vollen Abschluß zu geben (vgl, die Perspektive auf Tafel 4).
So entstünde in nächster Nähe der alten Klosterniederlassung
eine stille Museumsstadt, etwas verwandt jenen berühmten
Museumsstätten, dem Musee Cluny in Paris, das aus einer
alten Klosteranlage, und dem Germanischen Natiorialmuseum
in Nürnberg, das aus einem Karthäuserkloster hervorge
gangen ist. Damit wäre aber gleichzeitig auch ein bedeut
samer städtebaulicher Gewinn erzielt, die Erhaltung des
Charakters des ganzen Stadtviertels, Derartige stille Stadt
viertel finden sich öfters in Großstädten in unmittelbarer
Nähe lebhafter Verkehrsstrassen (z. B. selbst in Berlin in
nächster Nähe der Friedrichstraße und Leipziger Straße).
Ihre Erhaltung ist auch erwünscht, schon um das Stadt
bild nicht zu gleichmäßig und schablonenmäßig zu gestalten.
In erhöhtem Maße trifft dies für München zu, das alles
dazu tun sollte, um sich seine Eigenart zu erhalten, damit
es nicht wie andere Städte dem „Allerweltsgroßstadtcharakter“
verfällt.
Die Pläne Professor Grässels beschränken sich nun
nicht auf die im Vorstehenden geschilderten Entwürfe zu
einem Münchener Heimatmuseum und die damit zusammen
hängende Umgestaltung des St. Jakobsplatzes, sondern sie
greifen noch eine Reihe anderer brennender städtebaulicher
Fragen auf, um diese einer Lösung näherzubringen. So
besteht in München der Plan, die im Zuge der Cornelius
brücke über den Gärtnerplatz herkommende Corneliusstraße
(vgl, Tafel 2), die zurzeit an der Müllerstraße ihr Ende findet,
durch einen Durchbruch zwischen Müller- und Blumen
straße bis zum Jakobsplatz durchzuführen und ihr noch
eine Verlängerung über die Sendlinger Straße hinaus bis zum
Altheimereck bzw. zur Brunnstraße zu geben. Eine der
artige Ausführung würde allerdings dem Grässelschen Plan
im Wege stehen, da die Zuleitung des Verkehrs auf und
über den Jakobsplatz die Zerstörung des bisherigen Cha
rakters dieses Platzes mit sich brächte. Auch würde der
neue Straßenzug in seiner Verlängerung die verkehrsreiche,
sehr wenig breite Sendlinger Straße an einer sehr ungünstigen
Stelle überqueren. Grässel schlägt deshalb eine andere
Lösung vor, durch welche die erstrebte Verkehrsverbindung
zu erreichen wäre, ohne daß das geschlossene Platz- und
Straßenbild am Jakobsplatz und um den Jakobsplatz Jierum
eine Beeinträchtigung erleiden müsste, und zwar will er
imZuge der Reichenbach brücke die Frauenhofer Straße durch
einen Durchbruch bis zur Blumenstraße verlängern. Da
durch würde die Frauenhofer Straße zu einer bedeutenden
Verkehrsstraße, da sie im Gegensatz zur Corneliusstraße
auch ein bedeutendes Verkehrshinteriand mit dem Anschluß
an wichtige Landstraßen (Tegernseer Landstraße, Tölzer
Straße) besitzt und den ganzen Stadtteil Giesing mit dem
Innern der Stadt und gegen den Hauptbahnhof zu verbinden
hätte. In der Tat würde die Frauenhofer Straße, da sie
nach dem Durchbruch an der Blumenstraße auf den großen
Ringstraßenzug stößt, der sich um die innere Stadt legt,