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OER STÄDTEBAU
KREMATORIUM FÜR MAGDEBURG.
Von Prof, ALBIN MÜLLER, Darmstadt, Hierzu die Tafeln 49—52.
Am Südostrande des Magdeburger Stadtgebietes laufen
die Sohlener Berge in unruhigen Hügellinien zur Elbniede
rung aus. Hier, wo das Großgewerbe noch schweigt, er
schließen sich reine, erfrischende Landschaftsbilder, von
anmutigem Wohllaut. Auf den Höhen gewinnt das Auge
einen Blick über gedehnte Flächen, Wasser, Wiese, Wald,
bis in duftigblaue Fernen. — Einen Teil dieses Gebietes
erwarb die Stadt Magdeburg, um dort, in landschaftlich
bevorzugter Umwelt, einen neuen großen Friedhof anzu
legen, als Bekrönung des Höhenzuges aber einen Orab-
kapellenbau mit Krematorium aufzurichten.
Bereits im Jahre 1916 wurde zur Erlangung von Ent
würfen für die große Anlage ein Ideenwettbewerb aus
geschrieben. Die sich an diese Konkurrenz schließenden
Irrungen und Wirrungen sind in der Geschichte des deut
schen Architekturwettbewerbes so neu und seltsam, daß
sie vorweg hier angedeutet werden müssen. Der Ideen
wettbewerb brachte an die hundert Entwürfe, darunter
aber nur ganz wenig wertvolles Material, was nicht zuletzt
auch darauf zurückzuführen war, daß das freie Gedanken
spiel von vornherein durch baubehördliche Vorschriften in
seiner Bewegung beengt wurde. Zwei II, Preise erhielten
damals Bauer, Schütz und Günther, Magdeburg, und
Reinhardt & Süßenguth, CharlottenbUrg, zwei 111. Preise
Baurat W. Wagner, Berlin, und Architekt Willi Mayer,
Dresden.
Da die städtischen Körperschaften mit den Entwürfen
nicht zufrieden waren, erteilten sie drei Aufträge für einen
beschränkten Wettbewerb, und zwar an Reinhardt
& Süßenguth, Wagner und an den nicht preisgekrönten,
aber durch sein langjähriges Wirken in Magdeburg ge
schätzten Professor Albin Müller, Darmstadt. Die Kom
mission der Stadtverordneten einigte sich auf den Müller-
schen Entwurf, die Bauverwaltung aber forderte Reinhardt
& Süßenguth zu einer Überarbeitung ihrer Pläne auf. Doch
noch nicht genug des Durcheinanders: Die nach der Re
volution gewählte Stadtverordnetenversammlung verlangte,
daß auch noch die anderen Träger eines II. Preises,
Bauer, Schütz und Günther zur Bewerbung aufgefordert
werden müßten. Ein aus Stadtbaurat Hoffmann, Berlin,
Baurat Grassel, München, und Gartenarchitekt H. Maaß,
Lübeck, zusammengesetztes neues Preisrichterkollegium
hatte also über die alten schon einmal geprüften (!) Ent'*
würfe zuzüglich des neuen wiederum ein Werturteil abzu
geben, und dies fiel jetzt zugunsten von Reinhardt & Süßen
guth aus.
Beschlüsse über die Ausführung liegen noch nicht vor.
Es wäre aber immerhin möglich, daß auch jetzt noch eine
Verbindung der gartenbaukünstlerischen Ideen des einen mit
den baukünstlerischen Ideen eines andern Bewerbers in
betracht kommt. Wie weit dabei auf die Arbeiten Albin
Müllers zurückgegriffen wird, steht dahin, jedenfalls sind
sie von einer Reife der Durchbildung und Selbständigkeit
der Formengebung, daß man auf das tiefste bedauern
würde, wenn sie nur für das Atelier gefertigt worden
waren. Ihre Aufrichtung an der bevorzugten Stelle würde
ein Bild von hohem Reiz gestalten, dessen sich Magdeburg
gewiß freuen dürfte.
Müller teilt das Gelände, das nach den .eingezeichneten
Höhenkurven sehr bewegt verläuft (wenn es freilich sich
auch nur um unbedeutende Erhöhungen in einer ausge
sprochenen Niederungslandschaft handelt), in der Haupt
sache nach strengen und klaren Linien auf, die aber dennoch
klug den Geländeterrassen folgen. (Taf. 50.) Von den durch
Torbauten flankierten Haupteingang* dessen Stellung durch
eine benachbarte Eisenbahnunterführung gegeben ist, zieht
sich eine monumentale, sechsfache Allee zu der Höhe, auf
der die landschaftbeherrschende Gruppe des Tempels mit
Krematorium sich aufbaut. Der rechts anschließende
Halbkreisbogen macht sich notwendig,^ um Gefährten die
mühelose Überwindung der Steigung zu gestatten, doch
kann die Anfahrt auch durch einen Nebeneingang un
mittelbar zum Kapellenvorbau erfolgen. Das ganze weite
Gelände ist durch einen Schutzgürtel gesäumt, der es in
Stille und Friederl bettet. Die leicht geschwungenen Haupt-
längsaxen folgen ohne übergroße Ängstlichkeit den Ge
ländewellen und sichern in ihrer Kreuzung durch drei
weitere Queriinien die vollkommene Übersichtlichkeit. Die
Höhenkuppen sind durch drei besondere Rundgebilde her
ausgehoben, hier folgen die Umgangswege strenger den
Terrainfalten, was um so unbedenklicher geschehen kann,
da eine Art von Waldfriedhof hier oben das Ganze in sein
geschlossenes Grün hüllen wird.
An der Stelle einer ehemaligen Kiesgrube, fast im
Mittelpunkte des gesamten Geländes wird eine terrassen
förmig gestaffelte ürnengalerie eingebaut. (Taf. 51.) Man
erkennt: Strenge Sachlichkeit, die den Bodenverhältnissen
gerecht wird, und aus ihnen reiche Anregungen für reiz
volle Einzelbilder löst.
Die architektonische Durchbildung des Hauptgebäudes
zeigt die selbstsichere Prägung des Darmstädter Künstlers,
der stets seinen eigenen Formenweg gegangen ist. Die
imposant gesteigerte Kuppelhalle mit ihren reichen Grup
pierungen wird auf dieser Höhe von allerstärkstem Ein
druck sein müssen, dabei sind die Grundrißlösungen, vor
allem auch die im Bilde nicht gezeigte mustergültige Be
lichtung der technischen Einrichtungen durchaus vorbild
lich. Der Krematoriumsgedanke kommt durch die Doppel
kaminanlage mit dazwischengeschalteter Glockenbrücke
überzeugend zum Ausdruck. Das Innere des Tempels mit
seinem Kuppelkranz flammender Glasgemälde, und der ge
heimnisvoll verdämmernden Altarnische gehört zu den
besten Arbeiten Müllers. Auch hier ist,die Formensprache
ebenso selbständig wie überzeugend.
Man konnte immerhin gegen den ersten Entwurf
Müllers einwenden, daß er noch zu bewegt und aufwändig
gestaltet war, das galt vor allem für die zu üppigen Aus
maße der alten Kuppel. Doch waren auch die Anbauten
noch nicht restlos auf die einfachsten Möglichkeiten zurück
geführt. Wenn solche Bescheidung nun schon früher er
wünscht war, so wird sie durch die Kriegsfolgen zur Be
dingung. Müller hat sich dem in neuen Entwürfen nicht