DER STÄDTEBAU
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zeigt, daß eine nochmalige Erweiterung des Gesetzes er
wünscht scheint, durch Einbeziehung von Kriegsverletzten
und Kriegswitwen — denn für diese sind Siedelungen aus
begreiflichen Gründen als selbständige Gemeinden nicht zu
empfehlen —, überhaupt durch eine Mischung mit andern
Bevölkerungsschichten, inbesondere auch mit solchen, denen
es leichter fällt, sich bei der Verwaltung, Beratung der
Siedler usw. zu beteiligen. Es hat sich nämlich in einzel
nen Siedelungen gezeigt, daß der Arbeiter erst Vertrauen
faßt, wenn sich mittlere und kleinere Beamte eingerichtet
und angekauft haben (nach Berichten der „Eigenen Scholle“
und anderen Siedelungsgesellschaften), die mit einem länge
ren Aufenthalt in der Siedelung rechnen, während der In
dustriearbeiter leicht in der Seßhaftmachung einen Hin
derungsgrund zum Fortkommen sieht; erst der höher ge
stiegene Arbeiter bleibt sitzen. So würden halbländliche
Mischsiedelungen entstehen. Dem möchte ich aber noch
hinzufügen, daß zur Seßhaftmachung vor allen Dingen gute
Verkehrsverbindungen gehören, diese brauchen nicht zur
Abwendung der Bevölkerung zu führen, sondern können
sie gerade auf dem Lande festhalten, wie der Erfolg einer
billigen Eisenbahntarifpolitik in Belgien zeigt, weil dann
der Arbeiter die Möglichkeit sieht, seine Arbeitskraft auch
in der Stadt verwerten zu können. Damit wird insofern
der ländlichen Arbeiternot begegnet werden können, als je
nach der Jahreszeit und Konjunktur die Leute auf dem Lande
oder in der Stadt arbeiten.
Die Rentengüter haben schon eine weite Verbreitung
gefunden; als ein Nachteil für ihre Übertragung auf In-
dustriesiedelungen ist aber darauf hinzuweisen, daß die
Renten erst in 56 ^ Jahren abgetragen werden können.
Doch nicht nur um vereinzelte Siedelungen handelt es
sich heute mehr allein, sei es für den Industriearbeiter oder
den Landarbeiter, sei es für Wohlhabende oder den Mittel
stand, sondern um eine systematische Erweiterung der
Städte mit Hilfe verschiedener Siedelungsformen.
Geheimrat Flügge sagt in seinem bekannten Buch
über „Großstadtwohnungen und Kleinsiedelungen“: „Auf
dem Lande sind die gesundheitlichen Verhältnisse güns
tigere als in der Stadt. Soweit dabei Wohnungsein
flüsse mitwirken, scheint nicht sowohl der Zustand im
Innern der einzelnen Wohnungen und die Wohndichtigkeit
— die auch auf dem Lande oft sehr schlechte sind —,
als vielmehr die Entbehrung des Aufenthaltes im Freien
durch die Anhäufung in großen Häusermassen, die Be
siedelungsdichtigkeit in Betracht zu kommen.“ Er fordert
deshalb, was ich auch schon mutatis mutandis in den
Preußischen Jahrbüchern 1893 vorgeschlagen habe; „Die
Steinmassen der Städte müssen in kleinere Häuser, die über
mäßig breiten Straßen in schmale Wohnstraßen zerlegt und
Grünflächen in solcher Zahl und Anordnung geschaffen
werden, daß jedem Bewohner gelegentlicher Aufenthalt im
Freien und der Jugend ausgiebige Körperbewegung er
möglicht wird.“
Diese Grünflächen werden im allgemeinen als öffent
liche zu beschaffen, wenn auch durch Schrebergärten und
Laubensiedelungen zu ergänzen sein. Je höher die Be
bauung, je dichter zusammengedrängt die Bevölkerung,
desto mehr ist an öffentlichen Anlagen, erforderlich. Diese
bedingen aber hohe Kosten. Die übliche Gegenüberstellung
der Baukosten für Kleinwohnungen in größeren Häusern
und für Kleinhäuser, wobei sich dann das Kleinhaus leicht
als teuerer erweist, bedarf einer Korrektur dadurch, daß
die Kosten für die öffentlichen Anlagen hinzugerechnet
werden müssen. Denn umgekehrt treten bei niedriger Be
bauung, bei weiter auseinandergezogener Besiedelung die
öffentlichen Anlagen wieder an Bedeutung zurück. In der
hohen Bebauung sind sie als Gegenmittel gegen deren un
günstige Folgen notwendig, bei niedriger Bebauung, die
wieder die Beigabe von Hausgärten ermöglicht, aber in viel
geringerem Maße. Gegenübergestellt müssen also werden,
einerseits die Baukosten der Großhauswohnung mit den an
teiligen Kosten der öffentlichen Grünanlagen, und anderer
seits die Kosten für die Kleinhauswohnung mit Hausgarten.
Das umgekehrte Verhältnis, in dem die Dichte der Be
bauung und die Größe der Grünflächen zueinander stehen,
ermöglicht überhaupt erst Kleinhaussiedelungen, denn diese
dürfen ebensowenig wie mit städtisch ausgebauten Straßen
mit nur eigentlich großstädtischen Bedürfnissen entsprechen
den Grünflächen belastet werden. Daraus ist die Berech
tigung für den Flachbau herzuleiten. Damit wird auch
noch*ein großes Arbeitsfeld den Baugenossenschaften und
anderen Gesellschaften, insbesondere auch der Industrie —
siehe den nachfolgenden Beitrag des Herrn Regierungs
baumeisters Wehl — auf städtischem Gebiete geboten.
Natürlich wird man dort, wo die Straßenanlagen auf
die hohe Bebauung bereits zugeschnitten sind, und leider
ist dies im Umkreise von Berlin in ausgiebigem Maße der
Fall, im allgemeinen auch wieder Großhäuser bauen müssen,
wenn auch die Mischform einer höheren Randbebauung
mit einer niedrigeren Innenbebauung noch möglich sein
wird. Auch werden Großhäuser noch in anderer Form als
der hergebrachten, z. B. mit Wohnungen, die an langen
Gängen angeordnet werden, zu Verbesserungen führen
können. Im übrigen aber ist der Flachbau möglichst zu
fördern. Bis zu einem gewissen Grade ist ja auch schon
durch die Einteilung der Stadt in Bauzonen und Bauklassen
darauf hingewirkt worden. Doch genügt das noch nicht.
Je nach dem baulichen Zweck, ob für Industriebau oder
Wohnungsbau und hierin wieder insbesondere für hohen
Stockwerksbau oder Kleinhausbau, müssen bestimmte Bau
gebiete abgegrenzt werden.
Das führt zur Auflösung der nach außen hin sich er
weiternden Stadt, einer Auflösung, die durch die tatsäch
liche Entwicklung unserer Städte schon vorbereitet ist. Die
Scheidung der Wohnstätte von der Arbeitsstätte hat zur
Entstehung von Vororten geführt, die weniger eng als die
Stadt selbst bebaut werden, weiter zu Landhaussiedelungen
und sollte nun auch zu Kleinhaussiedelungen in weiterem
Umkreise der Stadt führen. Da werden sich Siedelungs
formen wiederfinden, die wir vorhin bereits kennen gelernt
haben. Ist die Bevölkerung einst von dem Lande in die
Stadt gezogen, so geht sie jetzt wieder zum Lande zurück.
An die Stelle von selbständigen Dörfern treten nur stadt
ähnliche oder halbländliche Mischsiedelungen als städtische
Vororte.
Man hört wohl sagen, und hat es gelegentlich auch
wohl selber nachgesprochen; die Arbeitervilla ist eine Utopie.
Die darin liegende Ironie ist ebenso unberechtigt, wie die
in der Frage eines Mietshausbewohners, habe ich etwa
eine Villa? Denn es handelt sich um Seine Villa, in erster
Linie nicht einmal um die Wohnung, sondern um den
Garten. Dem Landhausbesitzer ist der Garten mehr oder
weniger L^xus, dem Mittelstände ist er oft entbehrlich oder