DER STÄDTEBAU
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auf flachem Boden zu errichten. Zwei Plätze
kamen dazu in Frage, der große Forst im
Südosten der Stadt oder der Weinberg im
Westen, beide vor dem Festungsring gelegen.
Man wählte aus Besitzesrücksichten den
Weinberg, auch waren für diesen schon Be
bauungspläne aufgestellt; denn die : ältesten
Pl^ne (Abb, 6 u. 7) sind von 1670 und 1680
(o.G.).
. Der erste Plan zeigt schon die charak
teristische Rechtwinkligkeit und die breiten
Straßen. Zwei Ecken sind verbrochen. Um .
die ganze Anlage sind Festungswälle ge
dacht, nur der Abhang des Weinberges (nach
Süden) zeigt keine Bastionen. Die alten Be
festigungen zwischen Vor- und Altstadt sind
auf dem Plane belassen, Der zweite Plan von
1680 zeigt fast dieselben Befestigungsanlagen,
jedoch richten sich die Straßen gar nicht
mehr nach ihnen, der Platz wird nicht voll
ausgenutzt. Vier rechtwinklige Baublöcke, zu
einem großen, ähnlichen Rechteck zusammen
gesetzt, bilden den Stadtgrundriß, Inmitten
der kürzeren Mittelstraße, die andere be
rührend, ist die Kirche geplant. Auf die Länge
der Kirche müssen die Fronten der kürzeren
Straßen zurücktreten (Siehe Abb. 7). Auf
einem dritten ausgeführten Plane (von 1657)
treten diese Fronten auf die ganze Länge des Baublocks
zurück. Im übrigen sind alle Straßen, soweit es das Ge
lände erlaubt, um eine Blocklänge verlängert. Die Be
festigungspläne der Vorstadt hat man fallen gelassen.
Das Glacis vor der Festungsmauer der Altstadt aber ist in
eine prächtige Grünanlage (Esplanade) umgewandelt, die
in ihrer durch Terrassen und Wasserbecken betonten
Mitte einen guten Abschluß der mittleren, späteren Frank
furter Straße bildet.
Abb. 6. Bebauungsplan von 1670.
Zur Förderung des Bauens erließ der Landgraf, nach
dem man 1688 die Stadt wie auf diesem Plane abgesteckt
hatte, ein Reglement, das seiner Großzügigkeit das beste
Zeugnis ausstellt. Er gewährte allen Baulustigen, einerlei,
ob Hugenotten oder Ansässige, große Vergünstigungen:
zehnjährige Steuerfreiheit dem, der einen der vorgezeichneten
Bauplätze bebaut, zwanzigjährige, der zwei Hausplätze be
baut; eine ewige (d. h. wohl lebenslängliche) Freiheit wird
dem zugesichert, der auf die angebotene, unentgeltliche
Lieferung der Baumaterialien verzichtet und 8 bis
10000 Taler zum Hausbau verwendet. Steckt einer
nur 4000 Taler in den Bau, so ist er auf 40 Jahre,
entsprechend bei 6000 Talern auf 60 Jahre steuerfrei.
Auf diese Weise wollte man bewirken, daß mög
lichst stattliche und dauerhafte Häuser gebaut wurden.
Dazu mußte auch die Verordnung helfen: jedes Haus
müsse beworfen und mit Ölfarbe gestrichen werden.
Manchmal wurde zur. Bezahlung der hierzu nötigen
Handwerker ein „Baudouceur“ von 1500 Talern ge
währt. Diejenigen Baulustigen, die sofort begannen,
durften sich den Bauplatz aussuchen, und wenn er auf
landesherrlichem Besitz lag, brauchten sie nur eine
Rente von einem Dreier für die Rute und das Jahr
bezahlen. Auf die Ausführung auch der breiten Straßen
legte man eine für damalige Zeiten außerordentliche
Sorgfalt. Nicht nur daß man sie pflasterte, wofür die
Biersteuer die Mittel hergeben mußte, sondern man
versah sie auch mit einem 16—20 Schuh tief liegenden
Kanal, von dem die Chroniken rühmen, daß er auf
recht begangen werden konnte.
Das erste Haus war das des Erbauers des Stadt
teiles, Paul Du Ry. Er war selbst ein Hugenotte,
hatte seine künstlerische Schulung in Paris erhalten
und diente bei Wilhelm von Oranien als Festungs-